Stadtbibliothek

Ausstellung zur Volksabstimmung 1938 in Innsbruck: Widerstand ist lernbar

Christina Krenmayr, Leiterin der Stadtbibliothek, mit Historiker Niko Hofinger vor den Originalurnen der Volksabstimmung 1938.
© Böhm Thomas

Eine interessante Ausstellung in der Stadtbibliothek zur Volksabstimmung in Innsbruck 1938 schlägt die Brücke zwischen Literatur und Geschichte.

Von Alexandra Plank

Innsbruck – An der östlichen Fassade der Stadtbibliothek prangt in Frakturschrift die Aufforderung: „Gebt dem Führer Euer Ja!“ Das diesjährige „Innsbruck liest“-Buch, 10.000 Stück werden gratis verteilt, stammt von Thomas Arzt und trägt den Titel „Die Gegenstimme“. Der Autor schildert anhand eines fiktiven Dorfes den Tag der Volksabstimmung für den Anschluss an Hitler-Deutschland.

Niko Hofinger vom Stadtarchiv setzt bei der Architektur der Ausstellung auf Wiederverwertbares und Erkennbares. Plastikurnen aus dem Keller der Stadtbibliothek schaffen ein Mini-Kino, in dem ein siebenminütiger Film über Hitlers Ankunft in Innsbruck läuft. Wahlkabinen, wie wir sie bald wieder nutzen werden, schaffen den Bezug zwischen einst und heute.

Das Kino zeigt einen Amateurfilm, der hinter die Inszenierung blickt.
© Böhm Thomas

Schaut man in Richtung Nordkette, sieht man ein unscharfes Foto, das Hitler grüßend im Zug von München kommend zeigt. Gerade fährt ein Güterzug vorbei und man erhält den Eindruck, der Zug auf dem Plexibild würde sich bewegen. Christina Krenmayr, Leiterin der Stadtbibliothek, freut sich, dass es heuer besonders gut gelungen ist, das Buch in einen historischen, aber auch aktuellen – wir wählen ja wieder im Herbst – Zusammenhang zu stellen: „So macht Literaturvermittlung Spaß.“ Die Originalstimmzettel – großer Kreis für Ja – zeigen, dass alles darauf ausgelegt war, die Abstimmung für den Anschluss ausgehen zu lassen. „Eine für den 13. März unter Schuschnigg geplante Volksbefragung fand dann mit völlig anderer Fragestellung am 10. April 1938 statt“, so Hofinger. Die NSDAP war so kleingliedrig strukturiert, dass sie Zugriff auf jeden Bürger hatte. Doch auch in Innsbruck gab es wie in Thomas Arzts Roman einige wenige Gegenstimmen. Die Ausstellung zeigt als ein Beispiel den Vater von Jussuf Windischer, Leiter des Waldsalettls und lebenslanger Widerständiger für die Armen und Ausgegrenzten.

Plakate zur Abstimmung auf einem Ständer, wie er auch im Herbst genützt wird, jemand hatte „Nazis raus“ draufgesprüht.
© Böhm

Ist das Schwimmen gegen den Strom vererbbar? „Widerstand ist lernbar“, erklärt der Historiker. Auch die unrühmliche Rolle der Amtskirche während der NS-Zeit wird gezeigt. „Ohne jede Not haben die österreichischen Bischöfe dazu aufgerufen, für den Anschluss zu stimmen“, erläutert er. Die Volksabstimmungen, die abgesagte und die manipulierte, werden aber auch in Beziehung zu jener im Jahr 1921 gesetzt. Im Jahr 1938 stimmten rund 98 Prozent der Innsbrucker für den Anschluss an Hitler-Deutschland. „Die Nordtiroler erhofften sich mit Rückenstärkung Deutschlands die Rückgabe von Südtirol“, so Hofinger. Auch Erkenntnisse, die in den Geschichtserzählungen kaum präsent sind, erfährt man: So waren die Stimmzettel in der Zwischenkriegszeit von Männern und Frauen unterschiedlich. Man wollte kontrollieren, ob die Frauen, die erst 1919 erstmals wählen durften, den Erwartungen entsprachen. Juden waren übrigens bei der Volksabstimmung ausgeschlosssen, mit ihrer Auflistung hatte man das erste Innsbrucker Register, das zur Grundlage für die weitere Verfolgung wurde.

Innsbruck liest

Führungen: Die Ausstellung ist bis 13. August 2022 in der Stadtbibliothek während der Öffnungszeiten zu sehen. Führungen mit Hofinger finden am 19. und 28. Juli um 18 Uhr statt.

Hörbuch: Erstmals gibt es auch ein Hörbuch, das in Zusammenarbeit mit dem AUDIOVERSUM produziert wurde. Den QR-Code auf den Lesezeichen, Programmen oder Plakaten mittels Smartphone scannen oder auf hier downloaden.

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