Tirol

Videoinstallation "ATEM" bei Festspielen Erl: Ein filmischer „Parsifal“

Antoine Wagners Bildwelten erzählen eine düstere Geschichte aus ferner Zukunft.
© Festspiele Erl

Experimentell, spirituell, innovativ: Antoine Wagners Videoinstallation „ATEM“ mit knapp 80-köpfigen Liveorchester wurde bei den Tiroler Festspielen Erl uraufgeführt.

Von Jörn Florian Fuchs

Erl – Ein wenig Genealogie muss an dieser Stelle sein. Antoine Wagner ist ein renommierter Fotograf und Videokünstler und der Sohn von Eva Wagner-Pasquier, die mit ihrer Halbschwester Katharina von 2009 bis 2015 die Bayreuther Festspiele leitete. Vater der beiden ist Wolfgang Wagner. Auf dem Programm der vor 25 Jahren von Gustav Kuhn gegründeten Tiroler Festspiele stand zunächst vor allem Wagners „Ring des Nibelungen“, der jetzige Intendant Bernd Loebe lässt zwar auch gerade eine Neuinterpretation der Tetralogie erarbeiten, setzt indes zudem auf Opernraritäten und experimentelle Formen und Formate.

Neuester Streich: „ATEM“, ein Auftragswerk, das sich locker assoziativ mit dem „Parsifal“ beschäftigt. Im Graben des Erler Festspielhauses sitzen knapp 80 Musikerinnen und Musiker, am Pult steht Beomseok Yi – und lässt uns knapp anderthalb Stunden lang eintauchen in die kosmischen Klangwelten des Bühnenweihfestspiels.

Das Parsifal-Vorspiel ist Dreh- und Angelpunkt, durch die einzelnen Orchestergruppen wandert es, taucht mal hier auf, dann dort wieder ab. Verwandlungsmusik(en) erscheinen, von hauchzart bis hämmernd laut, Gralsglocken klinge(l)n ätherisch, anfangs spielen zwei Klaviere allein und sehr fein, auch das Ende tönt sanft aus. Mittendrin hört man plötzlich Franz Liszts zweite Trauergondel vorüberrauschen. Als reines Arrangement bliebe das alles zwar etwas unterkomplex, weil zu vieles zu oft wiederholt, wieder hervorgeholt wird. Doch in Verbindung mit Antoine Wagners Dreikanal-Videoinstallation geht die Sache weitgehend auf.

Antoine Wagner erzählt eher nebenbei eine düstere Geschichte aus ferner Zukunft, da herrscht ob des Klimawandels ein Kampf um die letzten Samen einer seltenen Pflanze. Es braucht einen jungen Helden, um für Ordnung zu sorgen. ..

Man kann diese Geschichte in Wagners abstrakten Schwarz-Weiß-Videos erkennen, muss es aber nicht. Sich einzulassen auf das vorzüglich spielende Festspielorchester und die Bildwelten als Assoziationsangebot zu nehmen, genügt völlig. Antoine Wagner liebt vor allem Symmetrien, sei es etwa als in der Natur abgefilmte Gesteinsformen oder als digital erstelltes Material. Oft sieht man fraktale Strukturen, manchmal erinnert das Ganze an einen Rorschach-Test. Gesichter in Stein, Baum und Borke schauen einen an, schrundig-schattige Körperformen (ver-)wandeln sich rasch, mehrfach denkt man Anselm Kiefer, wenn da zum Beispiel eine Art Klettersteig (oder Himmelsleiter?) im Geröll hängt.

Ein sensationeller Moment geschieht ungefähr in der Mitte des Abends, da „schweigen“ die Videos für einen Moment, das Saallicht geht – leicht gedimmt – an, zwei Harfen spielen berückend schön – und verknüpfen Richard Wagner fast schon mit Tiroler Volksmusik.

Antoine Wagner arbeitet übrigens derzeit gerade in Wattens, dort kann man bis zum 18. Juli eine den Erler „ATEM“ erweiternde Ausstellung besuchen. Und bis Jahresende sind dort noch weitere Kunstwerke von ihm zu sehen.

Bei der Premiere zeigte sich erstmal auch wieder Eva Wagner-Pasquier in der Öffentlichkeit, sie hatte ja einen schweren Unfall (sie stürzte in München in die Isar) und ist glücklicherweise wieder genesen. Liest man den Titel „ATEM“ rückwärts, so kommt „META“ heraus. Auch das wäre ein passendes Motto für Antoine Wagner kluges, bildmächtiges Nachdenken über Parsifal – und weit darüber hinaus.

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