Ukraine kritisiert Orbán: "Krieg Russlands zerstört Europa, nicht Sanktionen"
Der ungarische Präsident Viktor Orbán, der in der Vergangenheit durch russlandfreundliche Politik aufgefallen ist, übte Kritik an den Sanktionen der EU gegen Russland. Die Ukraine konterte: Russlands Angriffskrieg zerstöre Europa, nicht die Sanktionen gegen den Angreifer.
Budapest, Kiew – "Nicht die Sanktionen zerstören Europa, sondern der Krieg Russlands." Mit diesen Worten reagierte der ukrainische Außenamtssprecher Oleh Nikolenko auf Äußerungen des ungarischen rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, wie das Onlineportal "Telex.hu" am Samstag berichtete. Orban hatte am Freitag in einem Interview im Staatsrundfunk betont, dass die EU-Sanktionen der Ukraine nicht helfen, sondern vielmehr die europäische Wirtschaft zerstören würden.
Die Sanktionen hätten durchaus einen Sinn, weil sie den Aggressor schwächen, betonte Nikolenko. Der ungarische Ministerpräsident dürfte nicht für die Aufhebung der Sanktionen agieren, während ukrainische Kinder kaltblütig von der russischen Armee ermordet würden, lautete die harte Kritik des Außenamtssprechers.
Orbán hatte in dem Rundfunkinterview gefordert, Brüssel müsse endlich einsehen, dass diese Sanktionen eine gegenteilige Wirkung erzeugten, der Krieg mittels Sanktionen nicht verkürzt werden könne.
Gazprom bittet um Turbine trotz Sanktionen
Der russische Energiekonzern Gazprom hat Siemens Energy darum gebeten, die Rückgabe der Turbine für die Erdgas-Pipeline Nord Stream 1 in die Wege zu leiten. Zugleich rechne Gazprom fest damit, dass Siemens Energy seinen Vertrag zur Wartung und Reparatur der Gasturbinen erfülle. Davon hänge das weitere Funktionieren von Nord Stream 1 ab, warnte das Unternehmen.
"Am 15. Juli hat Gazprom sich offiziell mit der Bitte an Siemens gewandt, Dokumente bereitzustellen, die es unter Berücksichtigung der derzeitigen Sanktionsregeln in Kanada und der EU erlauben, die Gasturbine der für Nord Stream 1 essenziell wichtigen Kompressorstation 'Portowaja' nach Russland auszuführen", teilte das Unternehmen am Samstag auf seinem Telegram-Kanal mit.
Seit Juni hatte Gazprom die Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 in der Ostsee deutlich gedrosselt und dies mit der fehlenden Turbine von Siemens Energy begründet, die in Kanada gewartet wurde. Wegen der infolge des Ukraine-Kriegs erlassenen Sanktionen weigerte sich Kanada zunächst, die Turbine an Russland zurückzugeben - entschied sich dann aber doch dafür, das Aggregat stattdessen an Deutschland zu übergeben.
Seit Montag nun wird durch Nord Stream 1 wegen Wartungsarbeiten kein Gas mehr geliefert. Die Arbeiten sollen bis zum 21. Juli dauern. Mehrere westliche Politiker äußerten sich skeptisch, ob Gazprom anschließend wieder Gas liefern wird.
EU-Kommissar Hahn fordert mehr Geld für Ukraine
EU-Budgetkommissar Johannes Hahn prophezeit, dass der Krieg in der Ukraine noch länger dauern könnte und fordert mehr Geld für das kriegsgebeutelte Land. "Wir müssen uns in Europa darauf vorbereiten, dass der Krieg länger dauert", sagte Hahn dem deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" (Samstag). "Und das heißt: Wir müssen uns auf weitere Zahlungen einstellen. Europa braucht finanziell einen langen Atem." Die Finanzierung sei aber nicht die alleinige Aufgabe Europas.
Um die verschiedenen Krisen sowie die Folgen der höheren Inflation auszugleichen, will Hahn die turnusmäßige Haushaltsrevision vorziehen. "Wer glaubt, die verschiedenen Krisen ließen sich ohne neue Mittel quasi mit 'business as usual' bewältigen, liegt falsch", sagte er. Die EU müsse ihren Finanzplan neu aufstellen. "Alle müssen bereit sein, neu zu denken, sowohl in Brüssel wie in den 27 Hauptstädten." Bisher sei die Bereitschaft dazu "noch nicht so ausgeprägt, wie ich mir das wünsche".
Zugleich kritisierte der Kommissar, dass die deutsche Regierung eine gemeinsame europäische Schuldenaufnahme zum Wiederaufbau der Ukraine nach dem Vorbild des Coronafonds so wie Österreich kritisch sieht. "Die Ukraine ist ein rohstoffreiches Land mit einem großen Markt", sagte er. "Gerade Deutschland bieten sich dort enorme wirtschaftliche Chancen." Es liege deshalb "im ureigensten Interesse von Regierung und Industrie, in den Wiederaufbau des Landes zu investieren".
Das Ziel sei, die Ukraine "so schnell es geht an die Gegebenheiten der Europäischen Union" anzupassen, so Hahn, der angesprochen auf die Korruption auch Defizite in Sachen Rechtsstaatlichkeit einräumte. Die Ukraine habe viele Reformen eingeleitet und etwa 70 Prozent des EU-Rechtsbestands übernommen. "Das muss jetzt umgesetzt werden." Es liege im Interesse der Ukraine, wenn die internationale Gemeinschaft ihre Finanzmittel an wirksame Reformen koppelt. Im Gegenzug sollte Europa bereits sein, der Ukraine günstigere Kreditkonditionen einzuräumen und in der Anfangsphase auf Zinszahlungen verzichtet. Die von Kiew genannte Summe von 750 Milliarden Euro, die der Wiederaufbau des Landes kosten würde, bestätigte Hahn nicht. (APA)