Pitztal/Ötztal

Knappe Mehrheit gegen Gletscher-Ehe, Pitztaler Bergbahn verkündet Aus

Die Gletscher-Ehe Pitztal/Ötztal ist gestorben.
© TT / Böhm

Die Volksbefragung in St. Leonhard zum geplanten Zusammenschluss mit dem Ötztal ergab 50,4 Prozent Nein-Stimmen. Die Pitztaler Gletscherbahn stellt das Projekt ein.

Von Catharina Oblasser

St. Leonhard – Ein Ergebnis, das wohl für alle überraschend kam: Knapp über die Hälfte, nämlich 50,4 Prozent, lehnen in St. Leonhard den geplanten Zusammenschluss der Skigebiete Pitztal und Ötztal, kurz „Gletscherehe“, ab. Insgesamt wären 1188 Personen in der Gemeinde wahlberechtigt gewesen, 59 Prozent gaben tatsächlich ihre Stimme ab, informiert der St. Leonharder Bürgermeister Elmar Haid.

Weniger überraschend ist die Reaktion der Pitztaler Gletscherbahn: Sie wird das 2016 begonnene Megaprojekt nicht weiterverfolgen.

Stellungnahme der Pitztaler Gletscherbahn

"Die Zustimmung der Standortgemeinde war für uns von Anfang an die Grundvoraussetzung dafür, einen Zusammenschluss mit dem Ötztaler Gletscher bzw. mit dem Skigebiet Sölden anzudenken und zu planen.

Diese wurde uns seitens der Gemeinde immer wieder signalisiert und durch mehrere, einstimmige Beschlüsse im Gemeinderat eindeutig bestätigt. Das Ergebnis der Volksbefragung in St. Leonhard im Pitztal zum geplanten Zusammenschluss zeigt nun ein anderes Bild und wird von uns selbstverständlich zur Kenntnis genommen.

Nun liegt es an der Gemeinde St. Leonhard, daraus die entsprechenden Rückschlüsse zu ziehen. Für uns steht aber fest, dass wir das seit 2016 geplante und mittlerweile stillgelegte Projekt Zusammenschluss Pitztal-Ötztal nicht mehr weiterverfolgen werden."

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Bürgermeister Haid verweist auf Gemeinderatsbeschluss

Bürgermeister Haid und sein Stellvertreter Philipp Eiter sehen die Angelegenheit ganz anders. Für beide war das Ergebnis von 50,4 Prozent zu knapp, um ein Nein daraus abzuleiten. „Eigentlich ist das mehr ein Halbe-halbe-Ausgang“, meint Haid. „Von einer Mehrheit gegen das Projekt kann man da nicht reden.“ Haid verweist auf den Gemeinderatsbeschluss vom 12. Mai. Damals gab es in St. Leonhard ein einstimmiges Ja zur Gletscherehe, unter der Voraussetzung, dass gleich zu Beginn eine neue Zubringer-Bahn ins Skigebiet gebaut wird. Wie es nun weitergeht, kann Haid noch nicht sagen, das müsse erst besprochen werden.

Für Philipp Eiter liegt der Schwarze Peter bei der Bürgermeisterfraktion, weil diese die Volksbefragung überhaupt erst aufs Tapet gebracht habe. „Wenn auch Elmar Haid selbst sich nicht beteiligt hat, haben doch seine vier Listenkollegen diese Befragung durchgesetzt“, kritisiert Eiter. „Heute ist ein schwarzer Tag für die Weiterentwicklung des Tourismus in unserem Tal“, muss er das Ergebnis erst einmal verdauen.

2016 wurde Pitztal/Ötztal zur Umweltverträglichkeitsprüfung eingereicht. Drei Seilbahnen, ein großer Speicherteich, ein Skitunnel sowie 64 Hektar zusätzliche Pisten waren geplant.
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Reaktionen

Für Tirols ÖVP-Obmann und Landtagswahl-Spitzenkandidat Anton Mattle war der Entscheid der St. Leonharder Bevölkerung ebenfalls „auf jeden Fall zu akzeptieren". Wenn es nicht einmal im Ort eine ganz klare Zustimmung zu diesem Projekt gebe, „sollte man nicht länger daran festhalten", sagte Mattle.

Der WWF Österreich sprach von einem „Riesenerfolg für den Naturschutz". Es brauche jetzt in Österreich einen Gletscherschutz ohne Ausnahmen statt neuer Skigebiete und Verbauungen.

Ebenfalls begrüßt wurde das Aus der Gletscher-Ehe von den Grünen. „Ich bedanke mich bei all jenen für den Mut, die sich in der Standortgemeinde gegen das Projekt entschieden haben. Die Grünen haben die Pläne sowie die angedachten Sprengungen stets abgelehnt.“, so Grünen-Klubobmann Gebi Mair.

Landesumweltanwalt Walter Tschon ortet ein Signal für den Klimaschutz: „Für mich bedeutet dieses Ergebnis und auch die nunmehr erfolgte klare Haltung der Verantwortlichen der Pitztaler Gletscherbahnen, dass der Ansatz einer „Wellbeing Economy“ auch in Tirol an Bedeutung gewinnt. Dies ist auch ein ganz wichtiges Signal in Richtung Klima- und Umweltschutz. Große Teile der Bevölkerung reagieren mittlerweile sensibel auf geplante derartige Eingriffe in die hochalpine Landschaft.“

Seilbahnsprecher Franz Hörl übt Kritik: „Das Ergebnis ist zu akzeptieren, aber die Befragung wurde schlecht vorbereitet. Das Vorhaben hätte überarbeitet werden müssen. Ich frage mich, ob die Bürger überhaupt gewusst haben, über was sie abstimmen.“(co, TT.com, APA)