EU-Beitritt

Bulgarien und Nordmazedonien unterzeichnen Protokoll zu EU-Gesprächen

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© KENZO TRIBOUILLARD

Das kleine Nordmazedonien hat in seinem Bemühen um den EU-Beitritt sogar schon eine Namensänderung hinter sich. Dann trat Bulgarien auf die Bremse – die Nachbarländer streiten seit langem um die Deutung der gemeinsamen Geschichte. Nun kommt wieder Bewegung in die Sache.

Sofia – Nordmazedonien und sein Nachbarland Bulgarien haben sich nach langem Streit auf einen Fahrplan für den Beginn der nordmazedonischen EU-Beitrittsverhandlungen geeinigt. Die Außenminister beider Länder, Teodora Gentschowska und Bujar Osmani, unterzeichneten am Sonntag in Sofia ein entsprechendes Protokoll. Damit sollen noch offene bilaterale Fragen vor allem bei der Geschichtsdeutung geklärt werden.

Bulgarien blockierte seit Ende 2020 wegen eines Streits den Beginn von EU-Verhandlungen mit seinem Nachbarn, auf die dieser seit 2008 wartet. Dabei geht es unter anderem um die Interpretation der teils gemeinsamen Geschichte und die Rechte der ethnischen Bulgaren in Nordmazedonien. Die bulgarische Position verhinderte auch die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien, dessen EU-Kandidatur mit der von Nordmazedonien verknüpft ist. Die bis Ende Juni amtierende französische EU-Ratspräsidentschaft erarbeitete einen Kompromissvorschlag. Das nordmazedonische Parlament in Skopje billigte am Samstag den daraufhin von der EU-Kommission vorgeschlagenen Verhandlungsrahmen für Beitrittsgespräche.

Nordmazedonien erkennt Bulgaren als ethnische Minderheit an

Das am Sonntag in Sofia unterzeichnete Protokoll soll Berichten zufolge Ansätze und Fristen zur Beilegung unter anderem des Streits um die Geschichtsdeutung enthalten. Dabei sollen Medienberichten zufolge Lehrbücher und Aufschriften auf Denkmälern geändert werden. Geregelt werden soll auch eine Aufnahme der ethnischen Bulgarinnen und Bulgaren als Volksgruppe in Nordmazedoniens Verfassung. Der Wortlaut des Dokuments soll am Dienstag veröffentlicht werden.

Bulgariens Außenministerin Gentschowska wünschte dem Nachbarland viel Erfolg auf dem Weg in die EU. "Das ist das Ende eines nicht leichten Prozesses, für den die Regierungen beider Länder gearbeitet haben trotz zahlloser innerer und äußerer Hürden", lobte der geschäftsführende bulgarische Regierungschef Kiril Petkow auf Facebook. Bulgarien werde mit seinen Nachbarn weiter daran arbeiten, zusammen den "Traum einer europäischen Zukunft der Region Westbalkan" umzusetzen, so Petkow.

Der tschechische Außenminister Jan Lipavsky, dessen Land gerade die turnusmäßige EU-Ratspräsidentschaft innehat, schrieb im Onlinedienst Twitter, Tschechien werde sein "Bestes geben", die Regierungskonferenzen zu den Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien in Brüssel "so schnell wie möglich" zu beginnen. "Von nun an werden wir uns mit beschleunigtem Tempo auf die EU zubewegen", sagte der nordmazedonische Regierungschef Dimitar Kovacevski.

Die wichtige Oppositionspartei, die rechtsnationalistische VMRO-DPMNE, kritisierte den Kompromiss und warf der Regierung "Verrat" vor. Kovacevski habe die "Bulgarisierung" des Landes akzeptiert. Anhänger der VMRO-DPMNE protestieren seit mehr als einer Woche täglich gegen die Annäherung an Bulgarien, auch am Samstag gingen sie wieder in der Hauptstadt Skopje auf die Straße.

EU erfreut über Entscheidung

Führende EU-Vertreter zeigten sich dagegen erfreut von der Entscheidung Nordmazedoniens. Skopje habe "die historische Gelegenheit" ergriffen, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Twitter. Bei einem Besuch in Skopje hatte von der Leyen jüngst erklärt, dass bilaterale Angelegenheiten wie "die Interpretation der Geschichte keine Bedingungen der Beitrittsgespräche" seien. Laut EU-Ratspräsident Charles Michel könnte bereits in den nächsten Tagen ein Treffen zwischen Vertretern Skopjes und der EU stattfinden. "Wir heißen Euch mit offenen Armen willkommen", schrieb Michel auf Twitter. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sagte: "Das ist genau die Antwort, die wir auf den Angriff auf unsere europäische Friedensordnung brauchen. Das hat Präsident Putin nicht beabsichtigt: Er will Europa spalten - aber Europa wächst nicht nur weiter zusammen, sondern wird größer."

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Auch US-Außenminister Antony Blinken begrüßte die Entwicklungen. Eine Europäische Union, die den gesamten Westbalkan umfasse, "wird stärker und wohlhabender sein", erklärte er. Erleichtert reagierte Albaniens Ministerpräsident Edi Rama auf die Entscheidung in Skopje. "Für Verhandlungen über die Mitgliedschaft Albaniens in der Europäischen Union gibt es keine Hindernisse mehr", schrieb er bei Facebook. "Albaniens absurde Geiselhaft ist vorbei." (APA/dpa/AFP)

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