Energiepreise steigen: Nehammer will „spürbare Entlastung“ ab Herbst
Die Regierung überlegt, wie die steigenden Energiepreise abgefedert werden können. Im Herbst soll dann eine Variante umgesetzt werden und die Bevölkerung jedenfalls "spürbar entlasten", so Kanzler Nehammer.
Wien – Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will den Vorschlag von Wifo-Chef Gabriel Felbermayr zur Kostenbegrenzung für Stromkunden rasch prüfen lassen. Ziel müsse eine Unterstützung dann sein, wenn die Heizsaison beginne und die Energiekosten tatsächlich stark spürbar werden. "Das heißt für mich ab Herbst in der Umsetzung", erklärte Nehammer am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem slowakischen Premier Eduard Heger in Wien.
Der konkrete Inhalt des Vorschlags liege noch nicht auf dem Tisch. Geprüft werden müsse, wie die Unterstützung bei der Gas- oder Stromrechnung tatsächlich zu den Menschen gebracht werden könne, welche rechtlichen Rahmen und technischen Möglichkeiten es dafür brauche sowie ob es datenschutzrechtlich auch möglich sei. Es gehe zudem darum, auszuloten, was vernünftig und was sinnvoll sei. "Es sollte für die Menschen jedenfalls eine spürbare Entlastung sein", betonte der Kanzler.
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Nehammer erklärte, selbst den "Zugang für richtig" zu halten, dass es einerseits Hilfe gebe, weil die Energiekosten "absurd hoch" seien. Auf der anderen Seite gebe es auch einen Anreiz für die Menschen, das Nutzungsverhalten anzupassen und Energiekosten einzusparen.
Felbermayr stieß Diskussion an
Wie Strom genausubventioniert werden könnte, damit sich weder die Verbraucher im Wortsinn ausbrennen noch Marktregeln ausgehebelt werden, ist derzeit Stoff intensiver Diskussionen. Gestartet hatte eine solche Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. Für Österreichs Energie, also die Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft, ist nun eine Kompensation für Kunden vorstellbar, wenn nicht in den Markt eingegriffen wird, auch für die Energieagentur. Die Regierung prüft Möglichkeiten.
Die Energieagentur Österreich, sie ist ein gemeinnütziger, wissenschaftlicher Verein, der sich mit Energienutzungsmaßnahmen beschäftigt, kann sich eine Kompensation für Kunden grundsätzlich vorstellen. "Der sich derzeit in Diskussion befindliche Vorschlag ist eine Maßnahme, die grundsätzlich dazu geeignet ist, sowohl einen Ausgleich für Haushalte zu schaffen und dennoch Anreize zum Energiesparen zu setzen", hieß es am Montag. "Das ist sinnvoll."
Es gibt auch Bedenken, wie die Idee umsetzbar ist: "Die konkrete Ausgestaltung ist aber durchaus herausfordernd", so die Energieagentur. "Wenn man sich beispielsweise auf den Verbrauch des Vorjahres bezieht, können Änderungen eingetreten sein, wie etwa der Ankauf eines Elektroautos, die Geburt eines Kindes oder ähnliches." Darüber hinaus seien die Preisdifferenzen zwischen den Haushalten extrem hoch, etwa bei Bestandskunden und neuen Verträgen. Das mache es schwierig, sowohl Referenzmenge als auch Referenzpreis zu bestimmen.
Marktsystem auf europäischer Ebene ändern
Die Geschäftsführerin von Österreichs Energie, Barbara Schmidt, wiederum bekräftigte gegenüber dem "Mittagsjournal" im ORF-Radio Ö1 am Montag, dass ihre Interessenvertretung Eingriffe in das Marktsystem in Österreich alleine ablehnt. Wenn, dann müsse das Marktsystem auf europäischer Ebene verändert werden. Ähnlich argumentierten stets auch Felbermayr vom Wifo und andere Ökonomen. Ansonsten würde man von Österreich aus Preise in anderen Staaten nämlich mitfördern.
Zum Felbermayr-Vorschlag sagte Schmidt, dass dieser "wesentlich positiver" sei, denn: "Dieser Vorschlag ist kein Marktpreiseingriff, sondern eine Kompensation beim Kunden wegen des hohen Preises." Hier gehörten Details geprüft, so Schmidt: "Wir müssen schauen, dass das auch wirklich praktikabel für die Energielieferanten ist." Es lägen viele Modelle auf dem Tisch, die allesamt auf Praktikabilität geprüft werden müssten. Die Unterstützung solle nicht so hoch sein, dass damit auch Luxusanwendungen wie Privatpools oder -saunas mitgefördert werden könnten. Mitbedacht werden müssten auch Wärmepumpen, die der Energiewende dienen, aber Strom verbrauchen. Für solcherlei Themen brauche es "Sonderlösungen".
Kapital zur Umsetzung der Energiewende nötig
Dass die Energieunternehmen wegen der dahingaloppierenden Preise derzeit allesamt reich würden, stellte Schmidt gegenüber Ö1 in Abrede und verwies dabei auf solche Energiefirmen, die selbst nicht viel produzieren, sondern selber kaufen müssten. Zudem "brauchen wir auch Kapital, um die Energiewende zu implementieren".
Auch Florian Haslauer von "e.venture consulting" in Berlin betonte wie Felbermayr, dass der Stromrechnungsdeckel nur sinnvoll sei, wenn die Verbraucher trotzdem zum Energiesparen motiviert werden, berichtete das "Mittagsjournal" weiters. Alle rund vier Millionen Haushalte in Österreich sollten denselben Deckel bekommen. Der Preis für 2.000 Kilowattstunden Strom sollte auf Vorkrisenniveau eingefroren werden, das animiere zum sparen und sei am einfachsten zu administrieren. Dann könne der Finanzminister auch ohne Einkommensprüfung Gutscheine verschicken. Einen gewissen Grundbedarfs des Stroms gratis fließen zu lassen, sei viel langwieriger. "Jeder einzelne Energieversorger müsste mit dem Finanzministerium den Ausgleich machen." Auch helfe das erst bei der Abrechnung, daher ist Haslauer für die Gutscheinlösung. Jedenfalls dürfe nur ein Teil des 3.500 Kilowattstunden hohen Durchschnittsverbrauchs gefördert werden.
SPÖ will Übergewinne von Konzernen als Finanzierung
Die SPÖ fand es indes einerseits positiv, dass ihr Vorschlag, die Haushalte mit einem Energiepreisdeckel zu entlasten, immer mehr Unterstützung bekommt, will aber dass ein etwaiger Energiepreisdeckel mit Übergewinnen der Energiekonzerne finanziert wird. "Energieerzeuger und Energielieferanten machen durch die extremen Preise Milliarden an Übergewinnen", betonte der rote Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter: "Die gehören abgeschöpft und jeweils zur Hälfte an die Haushalte zurückgegeben und für Investitionen in erneuerbare Energie verwendet." Geht es nach der SPÖ sollen die Gewinne abgeschöpft werden, die zehn Prozent über dem Gewinn des Vorjahrs liegen.
Eine weitere Facette brachte am Montag der ÖGB in die Debatte um die Teuerung mit seiner neuerlichen Forderung nach Einsetzung der Preiskommission. "Es gibt das Preisgesetz und die Preiskommission kann man jederzeit einsetzen", so ÖGB-Chef Wolfgang Katzian im Ö1-"Morgenjournal". Die im März im Finanzministerium eingerichtete Kommission zur Beobachtung der Inflation ist für Katzian zu wenig, sei diese doch "maximal ein zahnloser Tiger als Bettvorleger".
Auch der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) kann sich eine amtliche Preisregelung für bestimmte Produkte vorstellen. Für nicht zielführend erachtet es hingegen Fiskalratschef Christoph Badelt, die Inflation mit Preisdeckeln zu bekämpfen. Diese seien zu teuer, zu breit und ineffektiv. Stattdessen solle sich die Politik auf jene Bevölkerungsschichten konzentrieren, die sich durch die Inflation ihren Alltag nicht mehr leisten können.
Genau das verlangten auch Caritas, Diakonie und Volkshilfe am Montag in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Die Bundesregierung müsse besonders auf armutsgefährdete Menschen und Familien achten. Alle drei Hilfsorganisationen berichteten von einem immensen Anstieg Hilfesuchender. (TT.com, APA)