Tirol

Ausnahmezustand im Stubaital, kaum Hoffnung für vermissten Pfarrer

Am Samstag bot sich den Einsatzkräften im Stubaital ein Bild der Verwüstung.
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Nach schweren Unwettern haben in der Nacht zum Samstag mehrere Muren Straßen und Brücken weggerissen, Autos verschüttet. Zwei Personen wurden verletzt, der 60-jährige Pfarrer wird noch immer vermisst. Die Suche wurde am Sonntag eingestellt.

Von Thomas Hörmann

Neustift, Fulpmes, Mieders –„Das ganze Dorf ist im Schock“, beschreibt Bürgermeister Johann Deutschmann am Samstagnachmittag die Stimmung in Fulpmes. Nicht nur wegen der Zerstörungen, die das Unwetter am Freitagabend angerichtet hat. Die Stubaier sorgen sich auch um ihren Pfarrer, dessen weißer Suzuki von einer 100 Meter breiten Mure auf der B183 im Ortsteil Medraz mitgerissen wurde. „Unser Pfarrer wird noch immer vermisst. Hoffnung besteht kaum, wir müssen wohl mit dem Schlimmsten rechnen“, sagt Deutschmann.

Das Auto des Pfarrers wurde in mehrere Teile gerissen, der 60-Jährige wird vermisst.
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Zumal das Auto des Abgängigen total zerstört und in mehrere Teile gerissen wurde. Eine Hälfte des Wracks wurde noch am Freitag in der Ruetz entdeckt, „im Handschuhfach war eine Bibel und die Visitenkarte des Pfarrers“, hat Deutschmann keinen Zweifel an der Identität des Vermissten. Weitere Wrackteile zogen die Einsatzkräfte am Samstag aus der Ruetz. „Wir haben viermal beide Ufer abgesucht, aber ohne Erfolg“, erzählt Manuel Gleinser, Feuerwehrkommandant von Fulpmes. Die Suche nach dem Vermissten wurde vorerst eingestellt, hieß es am Sonntagvormittag.

Der Pfarrer war aber nicht der Einzige, dessen Auto von der Mure erfasst wurde. Auch der BMW eines Slowaken (26) und seiner Stubaier Freundin (24) wurde von Geröll und Schlamm mehrere Meter mitgerissen. Der Auftakt für einen dramatischen Feuerwehreinsatz. Die Männer mussten sich mit Baggern zum Paar durchkämpfen, die aufgestaute Ruetz gefährdete auch die Helfer. Als die Einsatzkräfte beim BMW eintrafen, war der Innenraum bis zu den Armen der beiden Insassen mit Schlamm bedeckt. Der Slowake und die Einheimische hatten Verletzungen erlitten und mussten in die Klinik gebracht werden. Während die 24-Jährige stationär aufgenommen wurde, konnte der Slowake die Klinik bald wieder verlassen. „Von ihm haben wir erfahren, dass es möglicherweise weitere Opfer gibt“, erzählt Deutschmann. Der 26-Jährige gab an, hinter ihm sei ein schwarzer VW Tiguan gefahren. Von diesem Auto fehlt allerdings jede Spur.

Mehr Glück hatten die Insassen des BMW, sie saßen bis zu den Armen im Schlamm, konnten aber geborgen werden.
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Die Mure sorgte auch für schwere Schäden an einer Brücke, eine weitere über den Margaretenbach in der Industriezone wurde sogar weggerissen. Am schwersten in Mitleidenschaft gezogen wurde das Oberbergtal im Gemeindegebiet von Neustift. Die Gemeindestraße zwischen Bärenbad und Oberriss ist weggespült, die Strom- und Wasserversorgung brach zusammen. „Rund 120 Gäste saßen auf der Franz-Senn-Hütte fest“, erzählt der Neustifter Bürgermeister Andreas Gleirscher. Laut Polizei wurden bereits 65 Urlauber mit Hubschraubern ausgeflogen, der Rest wird heute evakuiert. Mehrere Hüttenbesucher werden bis zur Instandsetzung der zerstörten Straße in frühestens ein bis zwei Wochen auf ihre Autos verzichten müssen. Konkret sind es 30 Fahrzeuge, die am Parkplatz Hinterriss stehen.

Auch ein Imbissstand wurde am Freitagabend von den Schlammmassen im Stubaital weggespült.
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📽️​ Video | Muren im Stubaital:

„Außerdem brachten wir Stromaggregate und Wasser mit Helikoptern auf die Almen, um die Kühe melken und versorgen zu können“, so Gleirscher weiter. Zudem kam es in 20 Häusern in den Ortsteilen Dorf, Kampl, und Neder zu Wassereinbrüchen und im ganzen Ort zu Stromausfällen. In Mieders verlegte eine Mure die Bundesstraße, die bis ein Uhr nur eingeschränkt befahrbar war. „Eine weitere Mure verfehlte nur knapp den Saxer Hof“, berichtet Daniel Stern, Bürgermeister von Mieders. Viele Einsatzkräfte (Feuerwehr, Rotes Kreuz, Wasserrettung, Tinetz) standen im Einsatz. Für Deutschmann ist die Situation weiter angespannt. „Wir haben Angst vor weiteren Regenfällen. In den Bergen ist noch viel Material, das runterkommen kann.“

Auto in Mieders von Geröllmassen erfasst

In Mieders im Stubaital wurde am Freitagabend gegen 21.30 Uhr ein Auto von den Geröllmassen des Mühltalbaches erfasst. Der Lenker konnte seinen eigenen Angaben zufolge noch rechtzeitig aus dem Fahrzeug flüchten, das dann in den Ruetzbach mitgerissen wurde. Ein Wrackteil des vollständig zerstörten Toyota Pickups ragte am Sonntag noch im Bereich Kirchbrücke aus dem Wasser. Der Lenker blieb unverletzt. Auch Einsatzkräfte kamen trotz der gefährlichen Verhältnisse bei den Einsätzen keine zu Schaden.

In Volders am Großvolderberg heulten indes um etwa 15.40 Uhr die Sirenen. Nach einem Felsabbruch, bei dem ein beträchtlicher Teil an Gesteinsmassen herausgebrochen war, musste die Oberbergstraße von der Polizei gesperrt werden.

Die verlegte Gemeindestraße bei der Fulpmeser Industriezone dürfte nach Angaben der Polizei voraussichtlich noch am Sonntag wieder beidseitig befahrbar werden. Die Stubaitalstraße B 183 ist weiterhin einspurig befahrbar, es gibt eine Ampelregelung. Laut Polizei gibt es keine nennenswerten Verzögerungen.

Felsabbruch am Großvolderberg.
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Hilfe für Geschädigte im Stubai­tal

65 Feuerwehren standen seit Freitag in Tirol im Einsatz. LH Günther Platter und LR Anton Mattle bedankten sich gestern Abend bei allen Helfern und Rettungskräften. „Dass bei diesem Naturereignis auch Personen zu Schaden gekommen sind, bedauern wir zutiefst“, sagte Platter, „die Menschen im Stubaital können sich nach dem Unwetter aber auf Unterstützung verlassen.“

Mattle machte sich am Samstag ein Bild in den schwer getroffenen Gemeinden. „Man kann die Macht der Natur nicht beherrschen, als Land können wir betroffenen Bürgerinnen und Bürgern aber mit schneller und unbürokratischer Hilfe zur Seite stehen.“ Anfang der Woche soll Unterstützung aus dem Landeskatastrophenfonds in die Wege geleitet werden.

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