Kino

Hanna Berholms „Hatching" im Kino: Zuckerlrosa und Blutrot

Das Grauen aus einem riesigen Vogelei: Für Teenagerin Tinja wird das geschlüpfte Vogelwesen zum Alter Ego.
© Polyfilm

In „Hatching“ von Regisseurin Hanna Berholm brütet eine Teenagerin ein düsteres Alter Ego aus.

Von Marian Wilhelm

Innsbruck – Ein schwarzer Rabe hat noch selten etwas Gutes bedeutet. Als er in bester Hitchcock- und Poe-Manier im Wohnzimmer einer finnischen Vorzeigefamilie Chaos anrichtet, beginnt der sanfte Horror von „Hatching“. Tochter Tinja fängt ihn ein, doch die Mutter dreht ihm kurzerhand den Hals um. „Wirf ihn zum Müll, aber zum Biomüll!“ Ein toter Vogel passt schließlich so gar nicht in ihren Videoblog „Lovely Everyday Life“ über die zuckerlrosa Vorstadt-Idylle.

Überhaupt werden hier alle dunklen Konflikte und Traumata einfach weggelächelt. Beim anstehenden Kunstturn-Wettbewerb der Tochter macht die Helikopter-Mutter ordentlich Druck. Sie will die schüchterne, zarte Tinja auf dem Gewinnerpodest stehen sehen. Der picksüße Horror in dieser Familie ist also bereits Realität – lange bevor Teenagerin Tinja das Ei eines Eindringlings findet. Versteckt im Inneren ihres rosa Riesen-Teddys brütet sie ein dunkles Wesen aus, das Tinja irgendwann als Alter Ego in dieser schrecklich-perfekten Hölle zur Seite stehen wird.

Das geschlüpfte Vogelwesen setzt sich nämlich gegen Bedrohungen seiner Herrin brutal zur Wehr. Die nette Turn-Konkurrentin oder der süße Nachbarhund sind nur einige seiner Opfer. Nichtsdestotrotz bleibt die Frage: Wer ist in dieser Geschichte das eigentliche Monster?

Hatching

Ab 16 Jahren. Ab Donnerstag im Kino. In Innsbruck: Leokino.

Regisseurin Hanna Bergholm präsentierte ihr Debüt „Hatching“ Anfang des Jahres in der Mitternachtssektion des Sundance Festivals. Darin baut sie eine simple Symbolik zur Parabel über Familien-Konflikte und Selbstbehauptung einer Jugendlichen aus. Dabei inszeniert sie eine sonnige Hochglanz-Fassade aus dem IKEA-Katalog. Das dunkle Unterbewusste wird im Lauf der gut 80 Filmminuten immer menschlicher, während das pastellfarbene Familien-Idyll langsam, aber sicher zerfällt. Wunderbar analog zum Leben erweckt wird das Grauen von Gustav Hoegen, der schon für die Kreatur-Effekte in mehreren Star-Wars-Filmen und einem Jurassic Park verantwortlich war. Er war im April auch beim Crossing Europe Festival in Linz zu Gast, um „Hatching“ zu präsentieren.

Auch wenn Bergholms zusammen mit Ilja Rautsi geschriebene Märchen-Geschichte recht schematisch und somit wenig überraschend abläuft, entfaltet die konsequente filmische Umsetzung dann doch ordentlich Wirkung. Freud hätte seine Freude!

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