Regierung verkündet Aus für die Quarantäne: „Wer krank ist, bleibt zuhause”
Wer positiv auf Covid-19 getestet wurde, sich aber nicht krank fühlt, muss künftig nicht mehr in Quarantäne. Dann gelten Verkehrsbeschränkungen wie etwa die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske.
Wien – Die Corona-Quarantäne fällt mit August. Das gab Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) nach einem Treffen mit den Landesgesundheitsreferenten in einer Pressekonferenz bekannt. Wer sich nicht krank fühlt, kann demnach auch nach einem positiven Corona-Test das Haus verlassen, ist allerdings Verkehrsbeschränkungen unterworfen. Dies bedeutet, dass FFP2-Maske getragen werden muss, außer man ist im Freien und es sind in zwei Metern Abstand keine anderen Personen unterwegs.
Rauch sprach von einer neuen Phase der Pandemie, in der man mit Impfung und Medikamenten Werkzeuge zur Bekämpfung der Krankheit in der Hand habe. Zu beachten gebe es auch psychische Auswirkungen durch die Krise. Chief Medical Officer Katharina Reich ergänzte, dass Corona in absehbarer Zeit bleiben werde und man sich darauf einstellen müsse Es werde nun ein erster "Step down" vom Krisen- zum Akzeptanz-Modus gesetzt. Sie wies auch darauf hin, dass nur 50 Prozent der Hospitalisierten mit Corona tatsächlich wegen Covid im Krankenhaus seien.
📽️ Video | Statement von Gesundheitsminister Rauch
Rauch mahnte jedoch zur Vorsicht. Klar sei auch angesichts der Lockerung: "Wer krank ist, bleibt zu Hause." Hier gibt es Erleichterungen, denn die elektronische Krankmeldung wird wieder eingeführt.
Leja: "Eigenverantwortung wichtiger denn je"
Tirol trägt die neuen Maßnahmen der Bundesregierung mit. Das betonte Gesundheitslandesrätin Annette Leja in einer Stellungnahme gegenüber der TT: "Die gegenwärtigen milden Varianten lassen die jüngsten Entscheidungen zu. Tirol trägt die Maßnahmen und die fachliche Einschätzung der Expertinnen und Experten mit. Künftig gilt umso mehr: wer krank ist bleibt zu Hause. Fakt ist, dass jetzt auch die Bevölkerung gefordert ist, denn damit wird Eigenverantwortung wichtiger denn je. Vor allem ältere Menschen und Risikogruppen müssen geschützt werden, dafür ist ein aufrechter Impfschutz unverzichtbar."
Ärztekammer-Präsidet Johannes Steinhart nahm das Aus für die Quarantäne zur Kenntnis, forderte aber begleitende Maßnahmen. Sollten restriktivere Maßnahmen aufgrund der Datenlage nötig sein, müsse die Politik rasch reagieren. Jedenfalls brauche es aber "sofort zur Überwachung der Situation ein Wiederhochfahren des Testregimes in Ordinationen bei asymptomatischen Patientinnen und Patienten", meinte Steinhart in einer Aussendung. Über Krankenstand und Bewegungseinschränkungen sollten niedergelassene Ärztinnen und Ärzte entscheiden, forderte der Kammer-Präsident.
Die SPÖ-geführten Bundesländer haben am Dienstag ihre Kritik an dem von der Regierung verkündete Aus für die Corona-Quarantäne bekräftigt. Sowohl Wien als auch das Burgenland und Kärnten sind damit nicht einverstanden.
Bestimmte Bereiche dürfen nicht betreten werden
Ganz ohne Einschränkungen geht es freilich auch künftig weiter nicht. In der der Verordnung werden Betretungsverbote definiert. Das betrifft Krankenanstalten ebenso wie Pflege-, Behinderten- und Kuranstalten, Kinderbetreuungseinrichtungen, Volksschulen und Horte. Allerdings dürfen Mitarbeiter diese Arbeitsorte betreten, klarerweise mit Maske, wenn sie infiziert sind
Ohnehin ist Arbeiten mit positivem Test künftig - konkret ab Inkrafttreten der Verordnung mit 1. August - wieder möglich, wenn Maske angelegt ist. Dies gilt allerdings nicht in Berufen, wo das Tragen einer Maske die Job-Ausübung defacto verunmöglicht wie Logopäden und Musiker.
Auch wird die Risikogruppen-Verordnung wieder in Kraft gesetzt, wie Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) bekannt gab. So können Personen freigestellt werden, die trotz Impfung schwere Verläufe zu befürchten haben oder aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Den Arbeitgebern werden die Kosten voll ersetzt. Die Regel ist vorerst bis Ende Oktober befristet.
📽️ Video | Statement von Arbeitsminister Kocher
Keine Beschränkungen gibt es, wenn am Arbeitsplatz nur aktuell infizierte Personen zusammentreffen. Doch auch hier gibt es eine Ausnahme. In vulnerablen Settings wie Krankenhäusern ist eine Maske zu tragen.
Selbst Gasthäuser und Schwimmbäder mit Maske erlaubt
Daheim ist auch für Infizierte keine Maske anzulegen, solange nur Personen des selben Haushalts anwesend sind, das gilt auch für Privat-Pkw. Dafür darf man selbst in Gasthäuser oder Schwimmbäder gehen trotz positiven Tests, allerdings nur mit Maske. Das heißt, im Lokal sitzen und plaudern geht, dort etwas konsumieren ist ausdrücklich nicht gestattet.
Zu beachten ist, dass die Verkehrsbeschränkungen nicht erst nach einem positiven PCR-Test laufen sondern bereits nach einem Antigen-Test, der eine Infektion mit Covid anzeigt. Wird dieser durch einen PCR-Test nicht bestätigt, fallen die Vorgaben. Ohnehin gelten die Verkehrsbeschränkungen maximal zehn Tage, nach fünf kann man sich freitesten.
Aktuell sehen die Regeln ja Quarantäne für mindestens fünf Tage vor, nach denen man sich mit einem CT-Wert von über 30 freitesten lassen kann. Außer in Wien gelten schon jetzt nach fünf Tagen bis zum zehnten Verkehrsbeschränkungen, wenn man noch positiv ist. (TT.com, APA)
Hacker warnt vor Lockdown im Herbst und Winter
Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker übte heftige Kritik an der Vorgangsweise des Bundes und äußerte die Befürchtung, dass im Herbst ein neuer Lockdown drohen könnte. "Das Theater für Herbst und Winter ist vorprogrammiert", meinte Hacker: "Spätestens im September fliegen uns die Zahlen um die Ohren." Er befürchtet, dass man spätestens im November dann wieder über einen Lockdown diskutieren werde, weil im Herbst in einigen Bundesländern die Spitäler überlastet sein werden. Zum Teil seien sie jetzt schon überlastet.
Der Wiener Stadtrat verwies darauf, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO die Situation als besorgniserregend eingestuft und die Regierungen zu Maßnahmen aufgefordert habe. Und auch der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe vor Lockerungen gewarnt. "Nur wir bilden uns ein, es besser zu wissen", verwies Hacker auf die von der Regierung schon in den letzten Wochen vorgenommenen Lockerungen und kritisierte, dass der Bund die Pandemie für beendet erkläre.
Hacker beklagte auch, dass die drei SPÖ-geführten Bundesländer die Unterlagen erst während der gestrigen Sitzung der Landeshauptleute mit der Regierung erhalten haben, während die anderen Länder diese schon früher übermittelt bekommen hätten. "Zusammenarbeit ist keine Einbahnstraße". Deshalb stelle sich für ihn auch die Frage, wer die Verantwortung übernehme. Und das könne nur der Gesundheitsminister sein, sagte Hacker.
Ob Wien nun eigene, strengere Maßnahmen treffe, konnte Hacker deshalb auch noch nicht sagen. Es werde noch zwei bis drei Tag dauern, bis man die Unterlagen durchgearbeitet habe. Dass Wien aber bei Quarantäne-Bestimmungen bleibe, wenn sie der Bund abschafft, schloss Hacker wie schon am Vortag auch Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) aus. Das mach angesichts der rund 300.000 Menschen, die täglich nach Wien pendeln auch keinen Sinn.
Aus dem Büro von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) hieß es am Dienstag nur, seine Position sei bereits hinlänglich kommuniziert worden. Doskozil hatte sich gegen eine "abrupte Abkehr" von der Quarantäne-Regelung ausgesprochen. Dafür würden Entscheidungsgrundlagen und Expertenempfehlungen fehlen, unter anderem in Hinblick auf den Schutz besonders vulnerabler Bevölkerungsgruppen. Einen stufenweisen Strategiewechsel hätte sich der Landeshauptmann hingegen vorstellen können.
Kärntens Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) zeigte sich nach einer Videokonferenz der Landesgesundheitsreferenten mit dem Gesundheitsminister enttäuscht. "Wir hätten uns zumindest heute erwartet, die 180-Grad-Kehrtwende im Umgang mit Corona, nämlich das geplante Aus für die Quarantäne, zu diskutieren." Tatsächlich sei das Thema in 20 Minuten abgehandelt worden, offene Fragen würden bleiben. Dabei gehe es um die Aufgabe "des letzten Instrumentariums zur Einbremsung von Corona".