Innsbruck

Kunsthalle Tirol im Taxispalais: Nicht-linear erzählte Zeitgeschichten

Still aus Mónica de Mirandas 2021 entstandenem Film „The Island“, in dem unterschiedliche Zeitebenen bildgewaltig verwoben sind.
© M. de Miranda

In der Kunsthalle Tirol im Innsbrucker Taxispalais wirbeln vier konträre künstlerische Positionen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, das Zeitige und das Zeitlose bildgewaltig durcheinander.

Von Edith Schlocker

Innsbruck – Mit dem Vorsatz, die Krise westlicher Paradigmen mit Objekten der Kunst spannend zu verhandeln, hat sich Nina Tabassomi, die Leiterin der Kunsthalle Tirol im Taxispalais, allerhand vorgenommen. Zu viel, jedenfalls in den ersten zwei Teilen der Ausstellungs-Trilogie, um an an sich so spannenden Themen wie „Hexen“ bzw. „Göttinnen“ gründlich zu scheitern. Weil auf weite Strecken den Eindruck hinterlassend, dass hier schlicht und einfach das Thema verfehlt worden ist.

Bei den „Zeitgeschichten“ hat Tabassomi dagegen ein glücklicheres Händchen. Um anhand von vier künstlerischen Positionen die dem westlichen Denken innewohnende Idee von zeitlicher Linearität und kontinuierlichem Fortschritt in Frage zu stellen. Was reizvolle Denkmodelle in Sachen alternativer Zeiterfahrung provoziert, die komplexe Verflechtung unterschiedlichster Ebenen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wobei eine erweiterte Gegenwart von mehr als nur den trägen Trümmern der Vergangenheit angereichert sei, so Tabassomi, das vorangegangene Wissen stattdessen in Adaptionen und Verkörperungen darin fortlebe.

Was höchst intellektuell versponnen daherkommen mag, lösen die vier Künstler, die die Taxisgalerie mit ihren Installationen bzw. Filmen bespielen, teilweise bildgewaltig auf. Etwa die Portugiesin Mónica de Miranda in ihrer 37-minütigen filmischen Meditation „The Island“, in der diverse Zeit- und Erfahrungsebenen sanft durcheinandergewirbelt werden. Die Natur scheint ewig zu sein, die Architekturen sind Ruinen, Zeugen eines kolonialen Gestern. An den Kleidern, die die Menschen tragen, die diese metaphorisch besetzte Insel durchstreifen, sind ihre jeweiligen Rollen festgemacht, um als obsolet gewordene Hüllen als versöhnliches Ende in einem fast kultischen Ritual verbrannt zu werden.

Viel Zeit sollte man für die zwei Vier-Kanal-Filminstallationen des Filmemachers Azin Feizabadi mitbringen. Der in „Uchronia“ in drei Varianten die nahöstliche tragische Liebesgeschichte von Leyla und Majnun auf seine Weise nacherzählt. Seine Settings siedelt der in Berlin lebende Iraner im reizvollen Bereich zwischen Wirklichkeit und Fiktion an. Laienschauspieler erzählen in raffiniert zelebrierter Nicht-Linearität Geschichten, in denen es um das Finden von Identität unter schwierigen sozialen Bedingungen geht. Spielort ist das sehr reale genauso wie märchenhaft verzauberte Berlin, in das eines Morgens zwei Strahlen einschlagen. Zwei Außerirdische, die nichts anderes als dunkle Materie sind.

In einer anderen bringt Feizabadi das Phänomen Zeit auf den Punkt. Indem er im Sekundentakt das Wort „NOW“ auf einen Stein projiziert, die Metapher für das Ewige, sozusagen Zeitlose. Um die Rettung des Vergangenen in der Gegenwart für die Zukunft geht es in dem Patchwork-Wandteppich der polnischen Romni Malgorzata Mirga-Tas. Genäht aus Stoffen, die mit der Geschichte der zwei porträtierten Frauen zu tun haben. Ein in Corona-Zeiten höchst aktuelles Thema bereitet der ehemalige Büchsenhausener Fellow Vladislav Shapovalov in seiner vielteiligen Installation „Foresight Council“ auf, in der es um die in den 1970er-Jahren von der WHO initiierte Kampagne zur Ausrottung der Pocken geht. U. a. durch Briefmarken, durch die Menschen in aller Welt von der Sinnhaftigkeit einer Impfung überzeugt werden sollten. Mit Erfolg, wie man weiß.

📍 Taxispalais. Kunsthalle Tirol. Maria-Theresien-Straße 45, Innsbruck; bis 6. November, Di–So 11–18, Do bis 20 Uhr. Eröffnung heute 19 Uhr.

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