Innsbruck

„Orfeo 2.0“ bei den Festwochen: Tollkühner Spagat über 400 Jahre

Hier ist ordentlich was los. Klassik matcht sich mit Rock bei „Orfeo 2.0“.
© Felix Pirker

Claudio Monteverdis barocke Ur-Oper „L’Orfeo“ wird bei den Festwochen als Rockspektakel serviert.

Von Markus Schramek

Innsbruck – Claudio Monteverdi hat mit „L’Orfeo“ anno 1607 die Mutter aller Opern komponiert und das Genre des Musiktheaters mitbegründet. Der Stoff, entlehnt aus der griechischen Mythologie, ist aber auch so was von bühnentauglich: Orpheus taucht tief hinab in die Unterwelt, um sein per giftigem Schlangenbiss dahingerafftes Herzblatt Eurydike wieder ans Tageslicht zu befördern. Noch heute wird Monteverdis 400 Jahre alte Vorlage selbst in Häusern mit hohem Anspruch gespielt, so zuletzt an der Wiener Staatsoper.

Die Oper „L’Orfeo“ ist also nicht kaputt zu kriegen. Ist sie das wirklich nicht?

Den Elchtest in dieser Frage wagten vorgestern die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik. Unter deren Programmverantwortung stieg im Landestheater „Orfeo 2.0“. Von Barock zu Rock lautet hier, nachvollziehbar wortspielerisch, die Devise.

Monteverdi wird ins Heute übersetzt und das mit großem Aufgebot. Altes Instrumentarium, bespielt vom Barockensemble l’arte del mondo, matcht und mixt sich mit der Rockband La Terza Prattica. Sieben SängerInnen arbeiten sich am Libretto von „L’Orfeo“ ab. Massimiliano Toni hat, selbst an Cembalo und Keyboards zugange, die musikalische Leitung über.

Orpheus scheitert bekanntlich an seinem Vorhaben, Eurydike ins Jetzt zurückzuholen. „Orfeo 2.0“ schafft dagegen den tollkühnen Spagat über vier Jahrhunderte.

Es erklingt, mitunter in einer Lautstärke zwischen herzhaft und schmerzhaft, eine Fusion der Stile: klassisch barock, jazzig bis rockig, mit ziemlich forscher E-Gitarre und hämmernden Drums.

Die beiden Ensembles beleben und befeuern einander. Besonders erfrischend kommt dies bei einem ausgelassenen Duett aus Geige und Saxofon zum Ausdruck.

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So fetzig geht es bei den ehrwürdigen Festwochen selten zu: so viele mitshakende Beine und, man wagt es kaum zu schreiben, sogar der gelegentliche leichte Ansatz von Headbanging im Saal.

Der Kummer von Herrn Orpheus, der Sage nach selbst ein begnadeter Sänger und Musiker, wird greifbar. Enea Sorini verleiht dem Herzschmerz des Unterwelterforschers mit weicher, eleganter Stimme Ausdruck und Form. Selbst ellenlange, reichlich verzierte Arien (was, noch eine Strophe?) bringen ihn nicht aus dem Gleichgewicht.

Das Publikum ist ganz aus dem großen Häuschen. Elchtest bestanden.

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