Krieg in Ukraine

Russland wechselt nach Krim-Explosionen Flottenchef aus

Von einem Munitionslager der Russen auf der Krim steigt Rauch auf.
© IMAGO/Sergei Malgavko

Der Kreml tauscht in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine nach Explosionen auf der besetzten ukrainischen Halbinsel Krim Personal aus. Der Flottenchef muss gehen. Indes will Moskau eine Islamisten-Zelle zerschlagen haben.

Kiew, Moskau – Nach Explosionen auf russischen Militärstützpunkten auf der Krim wechselt Russland den Chef der Schwarzmeer-Flotte aus. Zum neuen Kommandanten sei Viktor Sokolow ernannt worden, berichtete die Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf Insider. Vor über einer Woche waren mehrere Flugzeuge bei einer Explosion auf einem Luftwaffenstützpunkt auf der 2014 annektierten Halbinsel zerstört worden. Am Dienstag kam es nach russischen Angaben zu einer Explosion in einem Munitionsdepot.

Einen Tag nach neuen Explosionen auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim meldeten die dortigen Behörden zudem die Zerschlagung einer mutmaßlichen Islamisten-Zelle. Sechs Personen, die der verbotenen Gruppe Hizb ut-Tahrir angehörten, seien festgenommen worden, erklärte der russische Krim-Gouverneur, Sergej Aksjonow, am Mittwoch auf dem Nachrichtendienst Telegram. Dem russischen Geheimdienst FSB sei der Schlag gegen die Islamisten gelungen.

Die Aktivitäten der Gruppe seien vom Territorium der Ukraine aus koordiniert worden, so Aksjonow. Von der Regierung in Kiew, die die Kontrolle über die 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel zurückgewinnen will, gab es zunächst keine Stellungnahme.

Zusammenhang mit Explosionen unklar

Aus einer Erklärung des FSB ging nicht hervor, ob die Festgenommenen mit den jüngsten Explosionen auf russischen Militärstützpunkten auf der Krim in Verbindung gebracht werden. Allerdings wurde neben der Stadt Jalta auch Dschankoj als ein Ort genannt, in dem die Islamisten-Zelle ausgehoben worden sein soll. Das russische Verteidigungsministeriums hatte am Dienstag erklärt, bei Dschankoj sei durch einen Sabotage-Akt unter anderem ein Militärdepot beschädigt worden.

Die Ukraine hat bisher nicht erklärt, ob sie für Angriffe auf der Krim verantwortlich ist. Bereits in der vergangenen Woche war ein Stützpunkt schwer beschädigt worden. Militärexperten halten es für möglich, dass ukrainische Partisanen oder Sondereinsatzkommandos weit hinter den Frontlinien des Ukraine-Kriegs aktiv sein könnten. Russland war am 24. Februar in die benachbarte Ex-Sowjetrepublik einmarschiert.

Kleine Geländegewinne der Russen um Donezk

Im Ukraine-Krieg haben die russischen Truppen indes im ostukrainischen Gebiet Donezk kleinere Geländegewinne gemacht. Dem Bericht des ukrainischen Generalstabs vom Mittwoch zufolge verzeichneten die Russen Erfolge bei Opytne im Norden von Donezk und bei Nowomychajliwka im Südwesten.

An anderen Abschnitten wiederum seien russische Angriffe abgewehrt worden. Genannt wurden Ortschaften nördlich von Slowjansk und im Osten und Süden der Städte Soledar und Bachmut. Auch südwestlich von Wuhledar seien russische Attacken zurückgeschlagen worden. In den Gebieten Charkiw und Cherson seien Vorstöße der Russen ebenfalls gescheitert.

Entlang der gesamten Frontlinie wurden demnach bei mehreren Dutzend Ortschaften ukrainische Positionen mit Artillerie beschossen. Knapp ein Dutzend russische Luftangriffe habe es gegeben. Der Oberkommandierende der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj, hatte am Vortag eine Zahl von 40.000 bis 60.000 Geschossen genannt, die täglich auf ukrainische Stellungen niedergehen würden. Diese Angaben können nicht unabhängig geprüft werden.

Ukrainer auf Krim sollen vorsichtig sein

Nach einer Reihe von schweren Explosionen in russischen Militäranlagen auf der Krim rief der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Ukrainer in besetzten Gebieten zu Vorsicht auf. "Bitte gehen Sie nicht in die Nähe der militärischen Einrichtungen der russischen Armee und all jener Orte, an denen sie Munition und Ausrüstung lagern, wo sie ihre Hauptquartiere unterhalten!", sagte Selenskyj Dienstagabend.

Selenskyj richtete den Appell in seiner Videoansprache an "alle unsere Leute auf der Krim, in anderen Regionen im Süden der Ukraine, in den besetzten Gebieten des Donbass und in der Region Charkiw". Selenskyj reklamierte die Detonationen nicht als erfolgreiche Angriffe für die Ukraine. Die Auslöser seien "sehr verschieden", die Russen könnten auch selbst schuld sein. Trotzdem gelte: "Je weniger Möglichkeiten die Besatzer haben, Böses zu tun und Ukrainer zu töten, desto eher können wir diesen Krieg beenden, indem wir unser Land befreien."

Die Warteschlange an der Brücke aufs russische Festland beweise, "dass die absolute Mehrheit der Bürger des Terrorstaates bereits versteht oder zumindest das Gefühl hat, dass die Krim kein Ort für sie ist", sagte Selenskyj. Videos in sozialen Netzwerken zeigen, dass seit Tagen viele russische Feriengäste die Halbinsel verlassen und es Staus vor der Brücke von Kertsch gibt. Die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti meldete am Montag einen Rekord von 38.300 Fahrzeugen auf der Brücke – allerdings in beide Richtungen. Am Bahnhof der Krim-Hauptstadt Simferopol versuchten am Dienstag viele Touristen, eine Zugfahrkarte zu ergattern. Russland hatte die Krim 2014 der Ukraine weggenommen.

Stoltenberg warnt vor Atomunfall

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte angesichts der russischen Besetzung des Atomkraftwerks Saporischschja vor einem Atomunfall und forderte Moskau dazu auf einer Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde zuzustimmen. Die Inbesitznahme des ukrainischen Kraftwerks durch die russischen Streitkräfte sei eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit der Anlage, sagte Stoltenberg am Mittwoch in Brüssel.

Sie erhöhe das Risiko eines nuklearen Unfalls oder Zwischenfalls und gefährde die Bevölkerung der Ukraine, der Nachbarländer sowie der internationalen Gemeinschaft. "Es ist dringend erforderlich, die Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde zu gewähren und den Abzug aller russischen Streitkräfte sicherzustellen." (APA, Reuters)

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