Am falschen 65. ist Ai Weiwei nachdenklich
Laut Pass ist der Geburtstag des weltberühmten Künstlers am Sonntag. Er kritisiert das Unrechtssystem.
Lissabon – Es ist ein Geburtstag, der keiner ist. Der berühmteste chinesische Künstler der Gegenwart, Ai Weiwei, wird am Sonntag 65 Jahre alt – so steht es zumindest in seinem Pass. Aber eigentlich ist er längst 65, weil er in Wirklichkeit am 18. Mai 1957 geboren wurde. „Mein Geburtstag wurde am falschen Tag registriert, weil meine Eltern nicht ihre Heiratsurkunde bekommen hatten, als meine Mutter mit mir schwanger war“, erzählt Ai Weiwei. „Ich wäre sonst als uneheliches Kind angesehen worden und zur Zielscheibe von Diskriminierung geworden.“
Erfüllt blickt der 2015 aus China nach Berlin ausgereiste Ai Weiwei auf sein heutiges Leben in Portugal. Seit zwei Jahren besitzt er auf dem Land in Montemor-o-Novo – rund hundert Kilometer östlich von Lissabon – eine abgeschiedene, mehrere Hektar große Finca mit vielen Hunden, Katzen und Hühnern. „Mein Leben war in den 65 Jahren noch nie so zufriedenstellend wie in Portugal“, bilanziert Ai Weiwei. „Das portugiesische Leben ist langsam, und es gibt nicht viel Wettbewerb, Arroganz oder Diskriminierung, die gemeinhin in der modernen Gesellschaft zu sehen ist“, findet der Künstler.
Er vermisse China, habe es aber verlassen, weil er nicht wolle, dass sein Sohn „das Gleiche durchmachen muss wie ich“. Mit Sorge blickt er auf die verschärfte Verfolgung in seiner Heimat unter Staatschef Xi Jinping, sieht aber ein Muster: „Es erscheint absurd und ist an der Oberfläche schwer zu verstehen, aber es ist kein besonderes Phänomen in China“, sagt Ai Weiwei. Schon seit der Zeit vor Gründung der Volksrepublik habe es rund 50 politische Bewegungen und Kampagnen in der Kommunistischen Partei gegeben. „Jede politische Bewegung führte zu einer politischen Verhärtung der Gesellschaft.“ (dpa)