Ukraine-Krieg

IAEA-Experten auf dem Weg zum ukrainischen AKW Saporischschja

En Satellitenbild zeigt das AKW Saporischschja am 19. August.
© Satellite image ©2022 Maxar Technologies / AFP

Experten der Internationalen Atomenergiebehörde sollen in dieser Woche das russisch besetzte Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine inspizieren. Die ukrainische Stadt Enerhodar in der Nähe des AKW ist am Sonntagabend von mehreren Geschossen getroffen worden. Wie in den Tagen zuvor machten einander Russen und Ukrainer für den Artilleriebeschuss gegenseitig verantwortlich.

Kiew, Wien, Moskau – Nach wochenlangem Gezerre um eine unabhängige Inspektion des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja ist ein internationales Experten-Team auf dem Weg zu der wiederholt beschossenen Anlage. „Wir müssen die Sicherheit der größten ukrainischen und europäischen Nuklearanlage gewährleisten", schrieb der Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA), Rafael Grossi, am Montag auf Twitter.

Die von Russland eingesetzten Behörden im Osten der Ukraine erklären einem Agenturbericht zufolge, sie würden für die Sicherheit der internationalen Experten-Delegation bei deren geplanten Inspektion des Atomkraftwerks Saporischschja sorgen. Die Verwaltung in der Region teilt mit, sie sei über Einzelheiten der Visite nicht informiert, berichtet die russische Nachrichtenagentur Tass weiter.

IAEA-Chef Grossi veröffentlichte auf Twitter ein Foto, das ihn mit gut einem Dutzend Vertretern der Behörde offenbar auf dem Flughafen von Wien zeigte. Die in der Bundeshauptstadt ansässige UNO-Atomaufsicht erklärte ebenfalls auf Twitter, Grossis Team werde Schäden am AKW sichten und die Funktionalität von Sicherungssystemen checken. Auch würden „dringende Sicherheitsüberprüfungen" vorgenommen, womit auf die Bestandsaufnahme von radioaktivem Material angespielt wurde.

Die Mission soll Moskau zufolge mehr als ein Dutzend Experten umfassen. Diese sollen dort länger stationiert werden. „So wie wir es verstehen, ist es die Absicht des Generaldirektors (der IAEA), ein paar Leute auf ständiger Basis im Kraftwerk zu belassen", sagte Russlands Vertreter bei den internationalen Organisationen in Wien, Michail Uljanow, am Montag der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti zufolge.

Die sieben führenden westlichen Industriestaaten (G7) begrüßten den angekündigten Inspektionsbesuch. Zugleich bekräftigen die Direktoren der G7-Staaten für die Nichtverbreitung von Kernwaffen, ihre Besorgnis über die Sicherheit der Anlage, die von russischen Streitkräften besetzt ist, aber weiter von ukrainischen Technikern betrieben wird. Versuche Russlands, das Kraftwerk vom ukrainischen Stromnetz abzukoppeln, wären inakzeptabel. Das AKW Saporischschja und die von ihm erzeugte Elektrizität gehörten rechtmäßig der Ukraine, heißt es in einer Erklärung.

Besonders besorgt sind Experten in und außerhalb der IAEA über die Stromversorgung des AKW, mit dem die Kühlung des Nuklearmaterials betrieben wird. Von vier Stromleitungen war zuletzt nur noch eine intakt. Bisher ist in Saporischschja keine Radioaktivität ausgetreten. Laut IAEA sind in den vergangenen Monaten jedoch alle Prinzipien der Anlagen-Sicherheit verletzt worden.

Widersprüchliche Angaben: Experten wollen sich selbst Bild machen

IAEA-Experten wollen nun selbst die Sicherheitssysteme und die Schäden am AKW untersuchen, weil die Angaben aus Kiew und Moskau dazu oft widersprüchlich waren. Außerdem möchte sich die IAEA ein Bild von den Arbeitsbedingungen der ukrainischen AKW-Mitarbeiter machen, die seit Monaten unter der Kontrolle russischer Besatzer ihren Aufgaben nachgehen. Obendrein wollen IAEA-Inspekteure sicherstellen, dass alles Nuklearmaterial noch an Ort und Stelle ist.

Das russische Präsidialamt forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Ukraine zum Abbau militärischer Spannungen rund um das Atomkraftwerk zu bringen. Die Regierung in Kiew bringe ganz Europa in Gefahr, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow im Vorfeld der Inspektion. Eine von den USA geforderte entmilitarisierte Zone rund um das Kraftwerk, das von russischen Truppen besetzt ist, sei nicht im Gespräch, ergänzte Peskow. Der anhaltende Beschuss schürt Sorgen, dass es 36 Jahre nach Tschernobyl wieder zu einer Atomkatastrophe in der Ukraine kommt.

Russland warf der Ukraine vor, die Anlage am Wochenende erneut unter Beschuss genommen zu haben. Die ukrainische Regierung erklärte ihrerseits, russische Truppen setzen ihre Angriffe auf die Stadt Enerhodar fort, in der das AKW liegt. „Sie provozieren und versuchen, die Welt zu erpressen", schrieb der Generalstabschef von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Andrij Jermak, auf Twitter. Die Berichte lassen sich unabhängig nicht überprüfen. (APA/Reuters/dpa)