Wohl doch kein Erdrutschsieg für Republikaner bei Kongresswahlen
Im amerikanischen Kongresswahlkampf hat sich die Stimmung gedreht. Die Wahl könnte viel knapper ausgehen als erwartet.
Von Floo Weißmann
Washington – Zu Beginn dieses Jahres schien die amerikanische Kongresswahl, die im November stattfindet, schon so gut wie gelaufen. Die Republikaner stellten sich auf einen Erdrutschsieg ein. Doch gut zwei Monate vor dem Wahltag gibt es nun Anzeichen dafür, dass sich die Stimmung dreht. Die Wahl könnte viel knapper werden, als alle erwartet hatten. Die Demokraten frohlocken schon und mobilisieren Reserven, und viele Experten wollen nicht mehr ausschließen, dass sie am Ende vielleicht sogar die Kontrolle über den Kongress behalten.
Der Vorteil der Republikaner: Bei Kongresswahlen verzeichnet fast immer jene Partei Zuwächse, die gerade nicht den Präsidenten stellt. Dieses Jahr wurde erwartet, dass das Pendel noch stärker in die Gegenrichtung ausschlägt als sonst, weil die Amerikaner unzufrieden sind mit dem demokratischen Präsidenten Joe Biden, mit der Inflation und den Benzinpreisen und dem politischen Stillstand in Washington.
Vor allem zwei Faktoren haben die Prognosen nun durcheinandergebracht. Erstens hat die konservative Mehrheit am Supreme Court das Verfassungsrecht auf Abtreibung gekippt – unter lautem Beifall der Republikaner. Nun zeigt sich eine massive Gegenbewegung. Vielerorts lassen sich mehr Frauen für die Wahl registrieren als sonst, und einzelne Nachwahlen haben die Zugkraft des Themas unter Beweis gestellt. Schon beginnen erste Republikaner ihre früheren Aussagen zur Abtreibung von ihren Webseiten zu streichen.
Zweitens sorgt der republikanische Ex-Präsident Donald Trump laufend für Schlagzeilen. Gegen ihn laufen Ermittlungen (siehe oben), und die Vorwahlen haben bewiesen, dass er bei den Republikanern weiterhin den Ton angibt. In etlichen Fällen soll er auch radikale, weniger mehrheitsfähige Kandidaten durchgeboxt haben. Die Kongresswahlen, die eigentlich ein indirektes Referendum über Biden hätten sein sollen, mutieren damit zur Neuauflage einer Richtungswahl zwischen Biden und Trump.
Plus
Rächer im Namen von Trump: US-Demokratie am Abgrund
Nebenbei schauen auch die Wirtschaftsdaten und die politische Zwischenbilanz für die Demokraten wieder besser aus als noch vor wenigen Wochen. Die Bezinpreise sinken und der Arbeitsmarkt brummt, während Bidens Umfragewerte die Talsohle offenbar durchschritten haben. Und es gibt nach monatelangen parteiinternen Blockaden nun doch auch gesetzgeberische Erfolge, zuletzt ein umfangreiches Sozial- und Klimaschutzpaket.
Meinungsforscher und Medien haben ihre Prognosen für die Wahl bereits angepasst. Im Senat, wo das Rennen von Anfang an knapper war, könnten die Demokraten nun sogar leicht im Vorteil sein. Und im Repräsentantenhaus hat etwa der Cook Political Report die erwarteten Zuwächse für die Republikaner halbiert. Damit würde die Mehrheit nur an einer Handvoll Mandaten hängen, was die Demokraten im Finale des Wahlkampfs zumindest wieder in Schlagweite bringt. Damit hat sich ihre Ausgangslage im Vergleich zum Frühjahr deutlich verbessert.