Musik

Nicht jeder Abschied ist ein Verlust: „Oehl“ funktioniert auch solo

Ariel Oehl ist erstmals solo unterwegs: Für seine Platte „Keine Blumen“ holt er sich dennoch musikalische Unterstützung.
© Tim Cavadini

Duo war einmal: Mit „Keine Blumen“ beweist der Wiener Musiker Ariel Oehl, dass „Oehl“ auch solo funktioniert.

Von Barbara Unterthurner

Innsbruck – „Gib mir mein Herz zurück“, verlangte Herbert Grönemeyer schon 1984. Richtig, er hatte damals „Flugzeuge in meinem Bauch“. Sein Herz zurück will jetzt auch Ariel Oehl – formuliert hat der Musiker die Bitte auf dem neuen Album seines Bandprojekts Oehl. Und auch an vielen anderen Stellen der LP „Keine Blumen“ wird es irgendwie ergreifend. „Wann wird’s wieder mal so schön, so schön wie’s damals war?“, heißt es in „Schönland“ quasi nebenbei. Singt da ein neuer Grönemeyer vom Zustand unserer kaputten Welt? Na, so weit ist Oehl noch nicht. Aber der Entdecker färbt ab. War es doch Grönemeyer, den Oehl mit seinem ehrlichen Indiepop so verzaubert hatte, dass er das Duo zum Einstand gleich mit auf Stadiontour – und auch sonst unter die musikalischen Fittiche – nahm. Wie schon „Über Nacht“ (2019) erscheint die neue Platte beim Label des deutschen Superstars.

Aber seit „Über Nacht“ hat sich einiges getan. Mit der EP „100 Prozent Hoffnung“ wurde Oehl zunächst ungeahnt politisch. Plötzlich ging es nicht mehr nur ums Ver- und Entlieben, sondern auch um eine Familie, die durch eine Bankenpleite ihr Erspartes verliert. Später ist Oehl vom Duo- zum Solo-Projekt geworden. Ariel Oehl und der Multiinstrumentalist Hjörtur Hjörleifsson gehen heute musikalisch getrennte Wege. Wie man inzwischen weiß, kein Grund zur Sorge. Oehl bleibt Oehl. Die Unterstützung kommt jetzt etwa von Sängerin Mola (in „Satt werden“) oder Produzentin Sophie Lindinger (Leyya).

📽️ Video | Oehl – Satt werden ft. Mola

Die Grundformel jedenfalls bleibt: Catchy Pop-Melodien werden von federnden Bassläufen angetrieben. Über allem schweben „Aris“ poetische Texte. Wieder heißt es genau hinhören. „Solang bis einer weint/ Solang bis einer schreit /Doch das bist niemals du/ Man(n) wär so gern wie du“, nuschelt der 34-jährige Sänger in „Bis einer weint“ – und ruft damit eigentlich den Alphamännchen zu: 2022 dürft auch ihr Gefühle zeigen!

Verabschiedet wird in 14 Songs also nicht nur so manches veraltete Männlichkeitsbild, sondern generell Rollenklischees und ausgetretene Verhaltensmuster. Im titelgebenden „Keine Blumen“ will ein sterbender Mensch keine Blumen überreicht (und vielleicht auch gestreut) bekommen. Es reicht ein ehrliches Goodbye.

Das trifft. Aber es ist nicht jeder Abschied ein Verlust. Das gilt auch für Oehl 2.0. Das Beste an diesem Electropop: So richtig kitschig wird’s nie. „Keine Blumen“ geht auch nebenbei. Ausprobieren empfohlen!

Electropop

Oehl: Keine Blumen. Grönland Records/Rough Trade.

Live: 14. Oktober im Treibhaus Innsbruck.