Das trügerische Glück schnell erfüllter Wünsche
In „Three Thousand Years of Longing“ erzählt George Miller ein intelligentes Fantasy-Märchen über das Geschichten-Erzählen selbst.
Von Marian Wilhelm
Innsbruck – Dr. Alithea Binnie ist so ungewöhnlich wie ihr Name. Die Protagonistin von „Three Thousand Years of Longing“ ist von Beruf Narratologin und kennt sich dementsprechend gut aus mit den Gschichtsdruckern der Literaturgeschichte. Das macht sie aber auch zur misstrauischsten Kundin, die der Djinn je hatte, der aus ihrer blauen Souvenir-Flasche schlüpft. Anstatt der Erfüllung der üblichen drei Wünsche will sie lieber seine Geschichte hören. Im Wissen um das trügerische und flüchtige Glück allzu einfacher Wunscherfüllung überlegt sie ganz genau, bevor sie etwas herbeiwünscht. Und passenderweise hat sie sich auf akademischer Dienstreise in just jenem Istanbuler Hotelzimmer einquartiert, in dem einst Agatha Christie ihren „Mord im Orient-Express“ schrieb.
Es handelt sich bei „Three Thousand Years of Longing“ also um Geschichten aus „1000 und einer Nacht“, basierend auf der Novelle „The Djinn in the Nightingale’s Eye“ von A.S. Byatt. Diesmal erzählt jedoch der Djinn von der Sinnlichkeit und die Frau ist die mythologisch-fachkundige Zuhörerin. Zuerst berichtet der Geist vom Fluch des Königs Salomon, der ihn aus Eifersucht in die Flasche gebannt hat. Natürlich ist die Liebe schuld an seinem Verhängnis. Zumindest erzählt der männliche Djinn die Geschichte so. Die Angebetete war die verführerische Königin von Saba (Aamito Lagum).
🎬 Trailer | „Three Thousand Years of Longing“
Vom Ursprung der Zivilisation im Orient führt die zweite Geschichte dann an den Istanbuler Hof von Sultan Suleiman dem Prächtigen, bevor seine Flasche in die Hände einer jungen Frau namens Zefir (Burcu Gölgedar) im Osmanischen Reich des 19. Jahrhunderts fällt. Die wissenschaftlich begabte Zefir wird von ihrem Vater eingesperrt und wünscht sich das Wissen der Welt.
Ausgerechnet in einem sinnlich-phantastischen Märchen spielen also die Themen Technologie, Wissenschaft und Rationalität eine gewichtige Rolle. Doch zerstören sie die wundersame Magie des Mythos nicht, sondern werden eins mit ihm – Mythen als Vorstufe der Erkenntnis, nicht als ihr Feind. „Three Thousand Years of Longing“ hat somit einen durchaus zeitgenössischen Zugang und holt seine Geschichten in die Gegenwart.
Alithea Binnie wird von Tilda Swinton verkörpert. Sie ist eine interessante Frauenfigur, die nicht über ihre Männer oder deren Abwesenheit definiert ist. Wunschlos glücklich sei sie, sagt sie – und entpuppt sich als Figur von bittersüß-existentieller Tiefe, wie sie sich sonst nur in realistischen Gesellschaftsdramen auf der Leinwand finden. Idris Elba als Djinn ist charismatisch, feurig und glücklicherweise weniger schlagfertig als Disney-Djinni Will Smith – dafür um einiges weiser und erwachsener.
Es wäre aber kein Film von George Miller, der zuletzt mit „Mad Max: Fury Road“ einen der besten Actionfilme seit Langem vorgelegt hat, wenn nicht in Rhythmus und Inszenierung auch viel Verrücktheit und ordentlich Opulenz stecken würde. Das tut der kleinen Geschichte mit ihren Rückblick-Gschichtln gut. Miller vergisst nicht auf das Herz und die Ruhe im richtigen Moment, wenn die Figuren ihre Emotionen zeigen. Die Beziehung zwischen ihr und dem Djinn ist der eigentliche Spannungsbogen des Films und läuft nicht eindeutig auf eine Romanze hinaus. Die Chemie der beiden Darstellenden ist jedoch durchaus magisch und man wünscht sich am Ende, noch mehr von dieser Rahmen-Geschichte zu hören.
Kino
Three Thousand Years Of Longing. Ab 12 Jahren. Ab Donnerstag in den Kinos.