Ukrainische Gegenoffensive an mehreren Fronten: Russen zurückgedrängt
Das britische Verteidigungsministerium erklärte, dass ukrainische Panzerverbände an mehreren Frontverläufen Angriffe gestartet hätten. Selenskyi spricht von einer Gegenoffensive im gesamten Osten und Süden.
Kiew – Die Ukraine treibt offenbar ihre Gegenoffensive gegen die russischen Invasionstruppen im Süden des Landes voran. Ukrainische Panzerverbände hätten seit Montag an mehreren Frontverläufen Angriffe gestartet, teilte das britische Verteidigungsministerium am Mittwoch auf Basis eines geheimdienstlichen Lageberichts mit. Russland betrachtet die Gegenoffensive der Ukraine im Süden des Landes demgegenüber als gescheitert.
Die ukrainischen Truppen hätten die russischen Streitkräfte stellenweise etwas zurückgedrängt und dabei Schwachpunkte der russischen Verteidigungslinien ausgenutzt, so der Londoner Lagebericht. Auch eine ukrainische Regionalbehörde sieht Erfolge des ukrainischen Militärs in von Russland besetzten Gebieten bei der südlichen Stadt Cherson. Dasselbe gelte auch für die Städte Beryslaw und Kachowka, sagt der Vizechef des Regionalrats von Cherson, Jurik Sobolewskji, dem ukrainischen Fernsehen. Einzelheiten wollte er nicht nennen.
Cherson liegt im Schwarzmeer-Mündungsdelta des Dnepr, Beryslaw und Kachowka nordöstlich davon am Flusslauf im Landesinneren. Die ukrainischen Streitkräfte gehen nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im gesamten Osten und Süden in die Offensive. "Aktives militärisches Vorgehen findet jetzt entlang der gesamten Frontlinie statt: im Süden, in der Region Charkiw, im Donbass", sagte er in seiner täglichen Ansprache in der Nacht auf Mittwoch.
Russland behauptet das Gegenteil
Das russische Verteidigungsministerium erklärte im Gegensatz zu den Berichten seitens London und der Ukraine, seine Truppen hätten die ukrainischen Streitkräfte zurückgedrängt. Der Versuch einer Gegenoffensive sei fehlgeschlagen, und die Ukraine habe schwere Verluste hinnehmen müssen, hieß es in Moskau. So seien drei ukrainische Hubschrauber abgeschossen worden. Zudem habe die Ukraine während der zweitägigen Kämpfe im Süden vier Kampfjets verloren. Das Ministerium spricht vor allem von Zusammenstößen im Frontverlauf zwischen Mykolajiw im Küstengebiet des Schwarzen Meeres und der nordöstlich davon gelegenen Stadt Krywyj Rih.
Berichte aus dem Kampfgebiet können unabhängig nicht überprüft werden.
Die russischen Streitkräfte wären nach Einschätzung eines Generals der deutschen Bundeswehr in der Lage, eine zweite Front zu eröffnen. "Die Masse der russischen Landstreitkräfte ist derzeit zwar im Krieg gegen die Ukraine gebunden", sagte Generalinspekteur Eberhard Zorn in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Dennoch sollten wir das Potenzial der russischen Landstreitkräfte, einen weiteren Kriegsschauplatz zu bedienen, nicht unterschätzen."
So sei das Gros der russischen Marine im Krieg gegen die Ukraine bisher gar nicht zum Einsatz gekommen, sagte Zorn. "Auch die russische Luftwaffe verfügt nach wie vor über erhebliches Potenzial, das auch für die NATO bedrohlich ist." Damit verfüge Russland weiterhin über "erhebliche Reserven und wäre rein militärisch gesehen durchaus in der Lage, den Konflikt regional weiter auszudehnen". Allerdings wäre ein solches Vorgehen Russlands "sehr unvernünftig".
Zum aktuellen Kriegsgeschehen in der Ukraine sagte Zorn: "Der russische Angriffsschwung ist langsamer geworden, aber er ist stetig." Die Russen trieben ihren Vormarsch "ohne Rücksicht auf zivile ukrainische Opfer voran". Russland verfüge über enorme Munitionsvorräte. "Diese Munition ist zwar alt und sehr unpräzise, aber gerade das führt zu großen Zerstörungen an der zivilen Infrastruktur." Die russischen Streitkräfte verfeuern laut Zorn täglich 40.000 bis 60.000 Schuss. "Gleichwohl rechne ich derzeit nicht mit weitreichenden Offensiven ins ukrainische Landesinnere." Die russischen Streitkräfte konzentrierten sich auf die Eroberung des Donbass. "Eine militärische Entscheidung ist allerdings nicht in Sicht." (APA/Reuters)
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