Krieg in Ukraine

EU kündigt Abkommen zu Visa-Erleichterungen mit Russland auf

EU-Außenbeauftragter Josep Borrell im Gespräch mit der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock.
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Deutschland hat sich im EU-Streit über die Vergabe von Visa an Russen durchgesetzt. Ein weitreichendes Einreiseverbot wird es vorerst nicht geben – dafür aber deutlich mehr Flexibilität bei der Bearbeitung von Anträgen. Auch das dürfte für viele Russen zum Nachteil sein.

Prag – Die EU wird ein mit Russland geschlossenes Abkommen zur Erleichterung der Visa-Vergabe für Reisende vollständig aussetzen. Das kündigte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch nach Beratungen der Außenminister in Prag an. Der Schritt ist eine weitere Strafmaßnahme in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der seit mehr als einem halben Jahr andauert.

Er zielt darauf ab, den Mitgliedstaaten unkompliziert Einreisebeschränkungen für Russinnen und Russen zu ermöglichen und die Kosten und den Aufwand für Antragsteller zu erhöhen. So wird zum Beispiel die grundsätzliche Festschreibung der Visumgebühr auf 35 Euro wegfallen und auch die Regelbearbeitungszeit von zehn Kalendertagen nach Antragseingang soll nicht mehr gelten. Borrell sagte, das Aussetzen des Visa-Abkommens werde die Zahl der neu ausgestellten Visa signifikant reduzieren.

Antragstellung für Russen könnte zwei Monate dauern

Die deutsche Außenminister Annalena Baerbock sagte, dass die Antragstellung für Russen künftig im Zweifel Monate dauern könne. Gleichzeitig wird es nach ihren Angaben weiterhin möglich sein, zum Beispiel Studenten und Journalisten die Einreise zu ermöglichen. Ziel sei es auch zu verhindern, dass sich die Menschen aus Frust über westliche Sanktionen eher gegen die EU wenden als gegen ihren eigenen Präsidenten.

Auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hatte sich gegen eine vollständige Visasperre für Russen ausgesprochen. "Wir können nicht ein ganzes Land canceln. Das wäre nicht klug", so Schallenberg am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal. Die Sanktionen sollten sich gegen das System von Kreml-Chef Wladimir Putin richten und nicht gegen das russische Volk.

Bisher war das 2007 in Kraft getretene Visaerleichterungsabkommen nur für Geschäftsleute, Regierungsvertreter und Diplomaten außer Kraft gesetzt. Diese Entscheidung war am 25. Februar kurz nach dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine getroffen worden.

Am Rande der Beratungen in Prag schlugen Deutschland und Frankreich zudem eine Neuausrichtung der Russland-Politik der Europäischen Union vor. "Die harte Wahrheit ist: (Präsident Wladimir) Putins Russland wird absehbar eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit bleiben", schrieb die deutsche Außenministerin Baerbock auf Twitter. "Daher werbe ich mit Frankreich für eine Neuausrichtung der EU-Russland-Politik."

"Konsequenzen für Brutalität und Regelbruch"

Konkret nannte Baerbock vier Punkte: Erstens dürfe es kein Nachlassen in der Reaktion auf den russischen Angriffskrieg geben, "weder bei der Unterstützung der Ukraine noch bei Sanktionen". Dies sei "kein Selbstzweck, sondern Ausdruck dafür, dass Brutalität und Regelbruch Konsequenzen haben". Zweitens müsse die europäische Wehrhaftigkeit gestärkt werden. "Putin hat es auf unseren gesellschaftlichen Frieden abgesehen", mahnte Baerbock. Gebraucht würden neue Technologien und Ausrüstung. Aber auch die Gesellschaft müsse "auf allen Ebenen resilienter werden".

Drittens müsse die EU ihre Partnerschaften weltweit stärken, vor allem im globalen Süden. "Auf sie zielt Putins Propaganda - hier will er seinen Einfluss ausdehnen", erklärte Baerbock. "Wir hören ihnen zu, bieten verlässliche Partnerschaften und faire Investitionen." Viertens dürfe sich Europa nicht abwenden von der russischen Zivilgesellschaft, die nicht "Putins Würgegriff" überlassen werden dürfe. "Mut findet oft im Kleinen statt: am Küchentisch, dem Arbeitsplatz, im Bus", betonte Baerbock. "Wir unterstützen die, die sich gegen das Regime stellen."

All dies werde Putins Weltbild nicht ändern. "Aber im Falle des größten Bruchs mit internationalen Regeln muss die EU Farbe bekennen", forderte Baerbock. "Europa ist ein Riese, wenn wir solidarisch zusammenstehen." (APA/dpa)