Sieben Kandidaten fix: Stimmzettelrekord bei der Hofburgwahl
Trotz Rekordstimmzettels gehen die meisten Meinungsforscher davon aus, dass es nicht zur Stichwahl kommen wird. In den Umfragen liegt Van der Bellen konstant deutlich über 50 Prozent.
Wien – Die bisher größte Auswahl an Hofburg-Kandidaten haben die Österreicher bei der heurigen Bundespräsidentenwahl am 9. Oktober. Schon vor Einreichschluss haben sechs Bewerber gemeldet, die nötigen 6000 Unterschriften zu haben – macht insgesamt sieben mit dem Amtsinhaber Alexander Van der Bellen, der sich um eine zweite Amtszeit bewirbt. Auch er wird bis zum Einreichschluss Freitag 17 Uhr die nötigen 6000 Unterstützungserklärungen einreichen.
Zum Bundespräsidenten gewählt worden ist Van der Bellen 2016 ebenfalls in einem Bewerberfeld mit Rekordgröße, nämlich insgesamt sechs Kandidaten. Die hatte es bis dahin nur einmal, bei der ersten Direktwahl 1951, gegeben. Damals wie auch 2016 fiel die definitive Entscheidung erst in der Stichwahl. Je mehr Bewerber es gibt, umso unwahrscheinlicher ist es, dass einer von ihnen die für die Wahl nötigen mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinen kann.
Van der Bellen liegt in Umfragen deutlich über 50 Prozent
Heuer gehen die meisten Meinungsforscher allerdings trotz Rekordstimmzettels davon aus, dass es nicht zur Stichwahl kommen wird. In den Umfragen liegt Van der Bellen konstant deutlich über 50 Prozent. Und unter den Bewerbern findet sich (mit Walter Rosenkranz von der FPÖ) nur ein Kandidat, der von einer Parlamentspartei nominiert wurde – und somit auf deren österreichweite Mobilisierungskraft hoffen kann.
Eine so große Zurückhaltung der Parlamentsparteien ist für Bundespräsidentenwahlen relativ ungewöhnlich. Überhaupt noch nie war es bisher der Fall, dass kein Bewerber im Rennen ist, der aus den Reihen von SPÖ oder ÖVP stammt oder zumindest von einer der beiden Traditionsparteien nominiert wurde.
Keine Frauen auf dem Stimmzettel
Ebenfalls gar nicht vertreten sind auf dem Stimmzettel heuer die Frauen. Das war bei den sechs Wahlen seit 1986 zwar anders, 1998 gab es sogar zwei Bewerberinnen. Aber generell gab es wenige Hofburg-Anwärterinnen: Von den bisher (bis 2016) 36 Personen, die (teilweise auch zweimal) kandidiert haben, waren nur sieben weiblich. Gleich zum Start, 1951, trat zwar die Frauenrechtlerin Ludovica Hainisch an. Aber die nächsten sechs Urnengänge lang (von 1957 bis 1980) konnten die Österreicher jeweils nur unter zwei bis drei Männern wählen. 1986 änderte sich das: Die Grüne Galionsfrau Freda Meissner-Blau war die zweite Hofburg-Bewerberin, seither stand jedes Mal zumindest eine Frau am Stimmzettel.
Die Zahl der Bewerber und Bewerberinnen insgesamt war ziemlich wechselhaft: Gleich zu Beginn waren es sechs, dann über sechs Urnengänge nur zwei oder drei. 1986 stieg die Zahl auf vier, auch 1992 blieb es bei vier, 1998 wurden es fünf. 2004 und 2010 gab es einen Rückgang zwei bzw. drei, 2016 waren es sechs - und heuer wird es (so weit man bisher weiß) noch einer mehr sein.
Die Kurzbiografien der Kandidaten, die bei der Bundespräsidentenwahl am Stimmzettel stehen werden:
📍 ALEXANDER VAN DER BELLEN
Seit 2016 Bundespräsident, setzte sich im Wahl-Marathon mit 53,8 Prozent gegen Norbert Hofer (FPÖ) durch. Die Hofburg ist die dritte Wirkungsstätte des 78-Jährigen. Ursprünglich war der Volkswirt als Universitätsprofessor an den Unis Wien und Innsbruck tätig. Mit 50 ging er in die Politik und wurde Abgeordneter im Nationalrat (1994 bis 2012) – für die Grünen, die ihn 1997 zum Chef erkoren. Nach Verlusten bei der Wahl 2008 trat er als Bundessprecher zurück, 2012 wechselte er vom Nationalrat in den Gemeinderat der Stadt Wien, deren Universitätsbeauftragter er schon seit 2011 war. 2016 trat Van der Bellen als unabhängiger Kandidat – jedoch kräftig unterstützt von den Grünen – bei der Bundespräsidentenwahl an. Geboren wurde Van der Bellen am 18. Jänner 1944 in Wien, als Sohn russisch-estnischer Eltern. Aufgewachsen ist er im Tiroler Kaunertal, österreichischer Staatsbürger wurde er erst 1958. Van der Bellen ist Vater zweier Söhne aus erster Ehe und jetzt mit Doris Schmidauer verheiratet.
📍 WALTER ROSENKRANZ (FPÖ)
Seit 1. Juli 2019 Volksanwalt – ein Posten, für den er (wie für die Hofburgwahl auch) von der FPÖ nominiert wurde. Der 60-jährige Rechtsanwalt hat bereits eine lange Partei- und Politikkarriere hinter sich: Schon in der Freiheitlichen Studenteninitiative brachte er es zum Bundesobmann, dann kam er über den Kremser Gemeinderat und die Wiener FPÖ (als Hausjurist) in den Nationalrat. 2008 bis 2019 war Rosenkranz freiheitlicher Abgeordneter, von 2017 bis 2019 unter Heinz-Christian Strache auch geschäftsführender Klubobmann. Außerdem führte er von 2013 bis 2019 die niederösterreichische Landespartei. Studiert hat der am 29. Juli 1962 in Krems geborene Rosenkranz in Wien nicht nur die Rechtswissenschaften, sondern parallel auch zwei Jahre das Konzertfach Gitarre an der Hochschule. Der 60-Jährige ist verheiratet und Vater eines Sohnes.
📍 MICHAEL BRUNNER (MFG)
Der 61-jährige Jurist (geboren am 12. November 1960) kam über den Protest gegen die Corona-Maßnahmen in die Politik. In Erscheinung trat der Rechtsanwalt mit seiner Kanzlei in Wien mit zahlreichen Verfassungsbeschwerden gegen die Schutzmaßnahmen. Im Februar 2021 war Brunner dann einer der Mitbegründer und ist jetzt Bundesobmann der Partei MFG (Menschen – Freiheit – Grundrechte). Sie trat im Herbst 2021 erfolgreich bei der Oberösterreich-Wahl an: Auf Anhieb zogen die Impfskeptiker mit mehr als 50.000 Stimmen (6,2 Prozent) in den Landtag ein. Bei den Tiroler Kommunalwahlen im heurigen Februar gelang zwar weitgehend der Einzug in die Gemeinderäte, auf Bürgermeister-Ebene war allerdings kein MFG-Kandidat erfolgreich.
📍 DOMINIK WLAZNY
Strebt unter bürgerlichem Namen die Hofburg-Kandidatur an, ist aber besser bekannt als „Marco Pogo", Sänger und Komponist der Punkrock-Band Turbobier. Für die Musik entschied er sich während seiner Zeit als Turnusarzt. Über die Musik kam er zur Politik. 2015 gründete er – wegen eines gleichnamigen Songs – die Bierpartei, zum Spaß. 2019 machte er Ernst damit: Bei der Nationalratswahl 2019 schaffte Wlazny die Kandidatur in Wien und holte fast 5000 Stimmen. Bei der Wiener Gemeinderatswahl 2020 waren es schon rund 13.100, aber nicht genug für den Landtagseinzug. Den Einzug in einige Bezirksvertretungen schaffte die Bierpartei aber, Pogo ist Bezirksrat in Simmering. Und alles andere als Impfskeptiker: Der (nicht praktizierende) Arzt impfte in Wiener Impfstraßen und auch vor seinem Konzert in der Arena gegen Corona. Das Medizinstudium in Wien hat er 2012 abgeschlossen. Wlazny ist mit 35 Jahren (geboren am 27. Dezember 1986) der jüngste jemals angetretene Bundespräsidentschaftskandidat.
📍 TASSILO WALLENTIN
Der Wiener Rechtsanwalt tritt als unabhängiger Kandidat (mit einer Anstoßfinanzierung von Frank Stronach) an – und nicht, wie im Vorfeld erwartet worden war, als Kandidat der FPÖ. Diese wollte den Rechtsanwalt 2018 zum Verfassungsrichter machen, aber angesichts großer Vorbehalte des Koalitionspartners ÖVP und des Bundespräsidenten verzichtete Wallentin. Grund für die Skepsis waren seine sonntäglichen Kolumnen in der Kronen Zeitung, in denen er immer wieder mit Angriffen auf die EU auffiel. Die Kolumnen in der Krone – deren Gründer Hans Dichand der Anwalt über Jahre vertreten hat – wurden nun eingestellt. Wallentin wurde am 25. Dezember 1973 geboren, studierte (nach dem Schulbesuch in Wien) in Salzburg Rechtswissenschaften. Dort war er zunächst Universitätsassistent, nach Mitarbeit in einer Anwaltskanzlei in den USA gründete er 2004 seine Kanzlei in der Wiener Innenstadt.
📍 GERALD GROSZ
Der 45-jährige Steirer ist mittlerweile Blogger, hat aber eine lange Karriere in der Politik hinter sich – erst bei der FPÖ und dann bei Jörg Haiders BZÖ. Zur FPÖ kam er schon 1992, über den Ring Freiheitlicher Jugend. Nach der Schule absolvierte Grosz eine kaufmännische Lehre in einer Grazer Werbefirma, 1999 wurde er parlamentarischer Mitarbeiter im FPÖ-Klub. Von 2000 bis 2005 war er Pressesprecher von FPÖ-Regierungsmitgliedern (Herbert Haupt und Sigisbert Dolinschek). 2005 wechselte er zum neuen BZÖ, wo er in zahlreichen Funktionen tätig war, u.a. als Steiermark-Chef, Generalsekretär, Grazer Gemeinderat, Nationalratsabgeordneter (2008 bis 2013) – und nach dem verpassten Wiedereinzug 2013 als Parteichef. 2015 zog er sich aus der Partei zurück und wurde Unternehmer und Blogger. Grozs – geboren am 15. Februar 1977 in Graz – ist seit 2013 mit seinem Lebensgefährten verpartnert.
📍 HEINRICH STAUDINGER
Geboren am 5. April 1953 und aufgewachsen in Oberösterreich, ist Staudinger mit den „Waldviertler Schuhen" bekannt geworden. Studien hat er mehrere (u.a. Medizin) begonnen, aber keines abgeschlossen. Stattdessen gründete er 1980 in der Lange Gasse in Wien-Josefstadt ein Schuhgeschäft, beteiligte sich an der Schremser Waldviertler Schuhwerkstatt – und legte damit den Grundstein zum Unternehmen GEA mit mittlerweile mehr als 50 Filialen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Bekannt geworden ist der 69-Jährige nicht nur mit Schuhen, Möbeln und Naturmatratzen, sondern auch als „Schuhrebell" durch seinen öffentlichen Konflikt mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) über sein alternatives Finanzierungsmodell – der auch den Anstoß gab für das 2015 in Kraft getretene Crowfundinggesetz. (APA, TT.com)
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