Experten begannen im AKW Saporischschja mit Auswertung
Der Vertreter der russischen Besatzer, Wladimir Rogow, sagte im russischen Staatsfernsehen, dass die Inspekteure mindestens bis Samstag bleiben sollten. Einige Experten verließen Interfax zufolge am Nachmittag nach etwa vier Stunden das Gelände wieder
Kiew/Moskau – In dem von Russland besetzten Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine hat ein Team von internationalen Experten seine Arbeit aufgenommen. "Wir haben uns heute eine ganze Menge angesehen und mit der ersten Bewertung begonnen", sagte der Chef der in Wien ansässigen Internationalen Atombehörde IAEA, Rafael Grossi, der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge am Donnerstag vor Journalisten. "Für mich beginnt die Arbeit jetzt."
Auch die Experten wollen in dem AKW nun weiterarbeiten. Der Vertreter der russischen Besatzer, Wladimir Rogow, sagte im russischen Staatsfernsehen, dass die Inspekteure mindestens bis Samstag bleiben sollten. Einige Experten verließen Interfax zufolge am Nachmittag nach etwa vier Stunden das Gelände wieder, ebenso wie Grossi selbst.
Das Atomkraftwerk ist mit sechs Reaktoren und einer Kapazität von 5.700 Megawatt die leistungsstärkste Nuklearanlage in Europa. Das Gelände und die dazugehörige Stadt Enerhodar wurden bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs von den Besatzungstruppen erobert. Seither werden sie von einer moskauhörigen Militärverwaltung kontrolliert. Das Kraftwerk selbst wird jedoch weiterhin von ukrainischem Fachpersonal betrieben.
Erneut Kämpfe ausgebrochen
Kurz vor dem Eintreffen der Experten am Donnerstag in der Anlage, das unter massiver Präsenz russischer Truppen erfolgte, waren in der Umgebung erneut Kämpfe ausgebrochen. Ukrainer und Russen gaben sich gegenseitig die Schuld. Einer von zwei noch betriebenen Reaktoren des AKW wurde nach Angaben des ukrainischen Betreibers Enerhoatom nach russischem Beschuss heruntergefahren.
Die Atom-Experten mit IAEA-Chef Grossi an der Spitze sollen überprüfen, in welchem Zustand die Anlage mit ihren sechs Reaktoren ist, unter welchen Bedingungen die ukrainische Bedienungsmannschaft arbeitet, ob alles Nuklearmaterial noch vorhanden ist. Die Anlage und ihre Umgebung sind in den vergangenen Wochen immer wieder beschossen worden, wobei Russen und Ukrainer sich gegenseitig die Schuld zuschieben. International gab es große Sorge vor Schäden am Werk und einem Austritt von Radioaktivität.
Kritische Mitarbeiter sollen verschwunden sein
Der ukrainische AKW-Betreiber Enerhoatom teilte mit, die Mitarbeiter seien Repressionen durch die russischen Besatzer ausgesetzt. Mehrere Mitarbeiter, die den Russen gegenüber nicht wohlgesonnen seien, seien verschwunden.
Das Internationale Rote Kreuz hat Russland und die Ukraine zu einem Ende der Kämpfe in der Nähe des Atomkraftwerks aufgefordert. "Es darf keine Kämpfe in, um, in Richtung und aus derartigen Einrichtungen wie dem AKW heraus geben", sagte der Leiter der Organisation, Robert Mardini, Journalisten am Donnerstag in Kiew. Bei einem "massiven Zwischenfall" in Europas größtem Kraftwerk im Süden der Ukraine gäbe es "nur noch wenig, was irgendjemand tun kann".
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