Sachlicher Startschuss mit Seitenhieben bei Liste Fritz
Spitzenkandidatin Andrea Haselwanter-Schneider schwor Unterstützerinnen und Unterstützer beim Wahlkampfauftakt in Arzl auf zu „rennen“, um „das zweitbeste Ergebnis der Geschichte einzufahren. Seitenhiebe gab es vor allem gegen die schwarz-grüne Koalition.
Innsbruck – Hoch über Innsbruck, bei Ziehharmonikaklängen und im Kreise von rund 150 Unterstützerinnen und Unterstützern, hat die oppositionelle Liste Fritz am Samstagvormittag am Maxnhof in Arzl betont sachlich ihren Wahlkampfauftakt begangen. Spitzenkandidatin Andrea Haselwanter-Schneider schwor die Versammelten auf zu "rennen", um "das zweitbeste Ergebnis der Geschichte" einzufahren. Und sie gab ein Versprechen ab: Die Liste werde keinesfalls ein "Beiwagerl der Regierung" werden.
Auf konkrete Wahlziele oder Wunschkonstellationen legte sich Frontfrau Haselwanter-Schneider im Rahmen des Bürgertags – der im Vorfeld der Landtagswahl am 25. September durch den Wahlkampfauftakt erweitert wurde – davon abgesehen ganz bewusst nicht fest. "Die Wählerinnen und Wähler sind am Wort", grenzte sich die 54-Jährige von den politischen Mitbewerbern ab, während sich andere Spitzenkandidaten "überheblich" als künftiger "Landeshauptmann, Landeshauptmann-Stellvertreter oder Soziallandesrat" positionieren würden. In diesem Wahlkampf drehe sich alles um "Koalitionsspiele", für Themen sei zu wenig Platz, monierte die Parteiobfrau.
Und setzte in einer rund halbstündigen Rede vor einem bis auf den letzten Platz besetzten Festzelt im Garten des Bauernhofs sogleich auf Sachthemen. Sie pochte auf adäquate Kinderbetreuung, um die Teilzeitquote unter Tirolerinnen zu senken und Altersarmut vorzubeugen, brachte erneut einen von der Liste bereits vor geraumer Zeit geforderten Sozialtarif auf Strom und Gas aufs Tapet und sprach sich für eine Photovoltaik-Offensive aus. Zudem brauche es einen "Kraftakt beim Thema Pflege", inklusive einem Rechtsanspruch, Arbeitszeitverkürzung und Anstellung beim Land und eine Eine-Million-Lkw-Grenze.
"Es ist Zeit für neue Rezepte, neue Wege und neue Ideen", zeigte sich die Listenerste kämpferisch und optimistisch: "Ich glaube, es schaut gut aus für die Liste Fritz". Das "zweitbeste Ergebnis der Geschichte" könne man einfahren, weil man "hartnäckig geblieben" sei, sich "vor niemanden gefürchtet" habe und als einzige Partei "allein den Wählerinnen und Wählern in diesem Land verpflichtet" sei, führte sie, deren Rede mit Standing Ovations belohnt wurde, aus.
Bei der letzten Wahl 2018 konnte die Gruppierung, die heuer unter dem Motto "Neue Wege, neue Ideen" in allen Bezirken um die Wählergunst buhlt, 5,46 Prozent aller Wählerinnen und Wähler überzeugen und zwei Mandate einfahren. Die jüngste Umfrage für die Tiroler Tageszeitung attestierte der Liste Aufwind und ein Ergebnis von neun Prozent. Das bisher beste Ergebnis erzielte die Gruppierung – mit ihrem charismatischen Listengründer Ex-Tiroler-AK-Präsident Fritz Dinkhauser an der Spitze – bei ihrem ersten Antreten im Jahr 2008 mit 18,35 Prozent.
Plus
Tiroler ÖVP im Umfragetief, Mattle liegt schlechter als die Partei
"Wir haben schöne Umfragen", gleichzeitig müsse man aber "höllisch aufpassen", nicht zu glauben, die Wahl sei "schon gelaufen", mahnte Listenzweiter Klubobmann Markus Sint in seiner Rede und schlug damit in dieselbe Kerbe wie seine Vorrednerin. Nachdem Haselwanter-Schneider mehr die Sachebene bedient hatte, holte ihr Parteikollege zum Rundumschlag gegen die politische Konkurrenz aus: So sprach er – sich auf den sich vor dem Rückzug befindlichen Landeshauptmann Günther Platter und seinen designierten Nachfolger und ÖVP-Spitzenkandidaten Anton Mattle beziehend – etwa von einem "LH a.D und einem LH oje" und scherzte über den grünen Spitzenkandidaten Gebi Mair, der sich vom "Umweltfighter" zum "Feuerwehrmann" gemausert habe und nun endlich dorthin schaue, wo es brenne (wie auf den grünen Wahlplakaten affichiert, Anm.).
Auch Sint gab ein Versprechen ab: Die Liste Fritz werde sich "immer bemühen", sich alle Themen anschauen und versuchen, diese zu lösen. "Jedes Problem lasst sich lösen, wenn der politische Wille da ist", war Klubobmann Sint der Meinung. Ebenjenen ließ er bei der schwarz-grünen Koalition vermissen. Die ÖVP habe lediglich einen "Partner gebraucht, mit dem sie ungeschoren regieren kann", die Grünen hätten sich ohnehin "schon nach dem ersten Jahr selbst aufgegeben". Dies zeige sich etwa beim "absoluten Gletscherschutz", für den seine Partei 2019 und 2022 Anträge in den Landtag einbrachten, denen die Grünen – trotz entsprechendem Wahlversprechen 2018 – nicht zustimmten.
Nach Reden des Spitzenduos betrat Listengründer Dinkhauser unter großem Applaus die Bühne. Er mahnte mehr Zusammenhalt in der Politik ein, unterstrich aber gleichzeitig, wie wichtig es aktuell sei, zu "sagen, was Sache ist". Es brauche "Schneid und Mut" in der heutigen herausfordernden Zeit. "Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt", reimte der Listengründer, der seine Partei in einer markigen und humorigen Rede als "fleißig" und "ungeheuerlich geradlinig" lobte. Während ÖVP-(Alt-)Landeshauptmänner als "Bettvorleger für die Speck-und Adlerrunde" fungierten, habe seine Gruppierung "nichts genommen, von niemanden", betonte Dinkhauser. Wie Haselwanter-Schneider führte er die hohen Lebenskosten im Bundesland ins Treffen. Für das Geld, für das man im Burgenland ein Schnitzel und ein Haus kaufen könne, bekäme man in Tirol lediglich eine "Schaumrolle" bzw. einen "Hasenstall". Der 82-Jährige kandidiert solidarisch auf dem letzten Listenplatz. (APA)
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