Teuerung

AK über Strompreisbremse erfreut, Mattle will Kompensation für Westen

Die Regierung hat ein neues Entlastungspaket geschnürt. Die AK begrüßt die kolportierte Strompreisbremse, sieht aber Nachbesserungsbedarf.
© IMAGO/Rolf Kosecki

"Zu spät, zu wenig", hieß es aus der SPÖ. Kritik kam auch von NEOS, Global 2000 und Attac. Zustimmung zeigt Österreichs Energie. Vorarlberg fordert eine Anpassung, Mattle eine Kompensation für den Westen.

Wien – Das kolportierte Modell der Regierung für eine "Strompreisbremse" zur Abfederung der hohen Energiekosten wird von der Arbeiterkammer begrüßt. Wichtig wäre der AK aber eine zusätzliche Unterstützung für einkommensschwache Haushalte, hieß es am Montag. "Zu spät, zu wenig", beurteilte hingegen die SPÖ die "Strompreisbremse". Scharfe Kritik kommt auch von der FPÖ: Die Maßnahme sei "Betrug an den Österreichern", meinte FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer Aussendung.

Laut Informationen der Bundesregierung soll jeder Haushalt für jenen Anteil am Stromverbrauch, der 80 Prozent des durchschnittlichen Vorjahresverbrauchs eines österreichischen Haushaltes entspricht, einen geringeren Strompreis zahlen. Die Grenze soll damit bei 2.900 kWh liegen. Für alles darüber muss der aktuelle Marktpreis bezahlt werden. Details des Modells sollen am Mittwoch präsentiert werden.

AK fordert "Strompreisdeckel Plus"

Die AK begrüßte die angekündigte Strompreisbremse, die bereits veröffentlichten Eckpunkte würden grundsätzlich dem von AK und ÖGB geforderten Energie-Preisdeckel für Haushalte entsprechen, hieß es in einer Aussendung am Montag. Für rund 780.000 einkommensschwache Haushalte fordert die AK aber einen "Strompreisdeckel Plus", indem entweder eine Ausweitung der begünstigten Strommenge oder ein niedrigerer Strompreis vorgesehen wird. Außerdem will die AK eine Ausweitung der Strompreisbremse auch auf Erdgas und Fernwärme, um zu verhindern, dass im Winter Wohnungen kalt bleiben. "Für die Gegenfinanzierung dieser Maßnahmen müssen aber die Gewinne jener Unternehmen abgeschöpft werden, die von der Energiekrise enorm profitieren", bekräftigte Tobias Schweitzer, Bereichsleiter Wirtschaft der AK Wien.

"Mit der lange angekündigten und nun in Aussicht gestellten zu spät greifenden Strompreisbremse führt die türkis-grüne Bundesregierung die Fehler der Vergangenheit beim Kampf gegen die Teuerung nahtlos fort", kritisierte unterdessen SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. "Die Regierung ist weder fähig noch willens, den Menschen und unserem Land in dieser Krise wirksam und nachhaltig zu helfen." Die Strompreisbremse werde erst im Winter greifen und sei überdies "viel zu wenig". SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter bemängelte außerdem, dass es keine Entlastung für die Steigerungen bei Gas gebe. "Was noch schlimmer wiegt", meinten Leichtfried und Matznetter, "ist die Tatsache, dass sich die Menschen die Strompreisbremse selbst bezahlen" - notwendig sei ein direkter Eingriff in die Preisbildung bei Energie.

Mehrheit verbraucht weniger als 2900 kWh Strom

Wien – Rund die Hälfte der österreichischen Haushalte verbraucht weniger als 2.500 Kilowattstunden (kWh) im Jahr und dürfte demnach zur Gänze von der geplanten Strompreisbremse profitieren, so ein Vertreter der E-Control auf APA-Nachfrage hin. Der Anteil der Haushalte, die weniger als 2.900 kWh verbrauchen, dürfte demnach klar eine Mehrheit ausmachen. Für diese Verbrauchsmenge liegen der E-Control keine genauen Daten vor.

Den Planungen der Regierung zufolge sollen den Haushalten bis zur Marke von etwa 2.900 kWh Stromverbrauch nur zehn Cent pro kWh verrechnet werden - erst für den darüber hinausgehenden Verbrauch soll der marktübliche Preis gezahlt werden. Die Idee dahinter ist, dass die Stromrechnung der Haushalte gesenkt wird, trotzdem aber ein Sparanreiz bestehen bleibt. Letzterer dürfte den Zahlen der E-Control zufolge aber für die Mehrheit der Haushalte zur Gänze wegfallen. (APA)

Vorarlberg verlangt Überarbeitung des Modells

Vorarlberg verlangt vom Bund eine Überarbeitung der Strompreisbremse. Die von der Bundesregierung angedachte Form helfe der Vorarlberger Bevölkerung in der aktuellen Situation nicht weiter. "Vorarlberger Kundinnen und Kunden werden praktisch nicht entlastet", kritisierte Statthalterin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP) in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Es könne nicht sein, dass die westlichen Bundesländer für ihre niedrigen Strompreise quasi bestraft werden.

Vorarlberg hat - wie auch Tirol - in den vergangenen Tagen mehrfach darauf gepocht, bei einer Strompreisbremse Erleichterungen auch für die Bürger des Landes zu wollen. Das Modell der Strompreisbremse müsse so ausgestaltet werden, "dass alle Bundesländer etwas davon haben", hat Schöbi-Fink mehrfach betont.

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Bei niedrigeren Preisen weniger Wirkung

Den Planungen der Regierung zufolge sollen den österreichischen Haushalten bis zur Marke von etwa 2900 Kilowattstunden nur zehn Cent pro Kilowattstunde verrechnet werden - erst für den darüber hinausgehenden Verbrauch soll der marktübliche Preis zu zahlen sein. Dafür will der Bund 2,5 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Dieses Geld käme aufgrund des vergleichsweise niedrigen Strompreises in Vorarlberg aber nur in sehr geringem Ausmaß Vorarlberger Haushalten zugute.

Denn laut Angaben von Christof Germann, Vorstand des Landes-Energieversorgers Illwerke/VKW, kostet eine Kilowattstunde Strom für einen Vorarlberger Durchschnittshaushalt aktuell 16 Cent (Gesamtpreis; Verbrauchspreis: 9,68 Cent netto), während es in Wien über 42 Cent sind. Die Gesamtstromrechnung für einen solchen Vorarlberger Haushalt wird sich im heurigen Jahr - auch ohne externe Stützung - auf 644 Euro belaufen - nach 670 Euro im Jahr 2021. Der Illwerke/VKW-Konzern hat den Strompreis bis Ende März garantiert.

"Grundsätzlich halten wir eine Strompreisbremse in der jetzigen Situation für wichtig und richtig", stellte Schöbi-Fink fest. Allerdings müsse das Modell überarbeitet werden - auch dahingehend, dass die Abstützung der Strompreise in jedem Bundesland für einen gleich langen Zeitraum wirke.

Mattle will Kompensation im Westen

Der wahlkämpfende Tiroler ÖVP-Obmann, Wirtschaftslandesrat und Landeshauptmannkandidat Mattle meinte zwar gegenüber der APA, dass das Modell der bundesweiten Strompreisbremse "in die richtige Richtung" führe, die Strompreisbremse gehe nach jetzigem Kenntnisstand aber auf Kosten des Westens. "Die Energieversorger im Osten, die die Preise ordentlich in die Höhe geschraubt haben, profitieren weitaus mehr, als das die Energieversorger in Tirol und Vorarlberg tun", so Mattle. Deshalb forderte er vom Bund erneut eine "Kompensation für den Westen." Mattle schloss sich Schöbi-Finks Argumentation an, dass alles andere einer Bestrafung der westlichen Bundesländer gleichkomme, "die in der Vergangenheit alles daran gesetzt haben, den Ausbau erneuerbarer Energie voranzutreiben und durch einen hohen Grad an Eigenversorgung einen möglichst niedrigen Strompreis zu garantieren."

Der Landesrat betonte zwar, dass er sich ein Volumen von 80 Prozent des individuellen Vorjahresverbrauches gewünscht hätte, damit ein Anreiz zum Energiesparen bestehe. "Damit die Strompreisbremse aber zu keinem Bürokratiemonster wird, gehen wir bei 80 Prozent des Durchschnittsverbrauchs eines Haushaltes mit", ließ Mattle wissen. Klar sei aber, dass Mehrpersonenhaushalte und Familien auch mehr Unterstützung brauchen.

FPÖ will Ausstieg aus Sanktionen

Zu spät und zu kompliziert kommt die Strompreisbremse auch für FPÖ-Chef Kickl daher, der einmal mehr einen Ausstieg aus den Sanktionen gegen Russland forderte, die wegen des Angriffs auf die Ukraine verhängt worden sind. "Mit den Sanktionen haben ÖVP, Grüne, SPÖ und NEOS den Keller geflutet, sie lassen immer noch Wasser hineinlaufen und die Regierung drückt der Bevölkerung zum Ausschöpfen ein Sieb in die Hand, das sie auch noch selbst bezahlen muss. Das ist das System Strompreisbremse und erinnert durch die Kontingentierung eher an die Mangelwirtschaft zu DDR-Zeiten", polterte Kickl. Die FPÖ will im Nationalrat den Ausstieg aus den Sanktionen beziehungsweise eine Volksbefragung dazu beantragen - sei man nicht erfolgreich, fasse man auch ein Volksbegehren ins Auge.

Der Regierung falle nichts anderes ein, "als teure Einmalzahlungen mit der Gießkanne zu verteilen", zeigte sich auch NEOS-Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker per Aussendung unzufrieden. Er vermisst nachhaltige Entlastungsmaßnahmen und im Gegenzug Einsparungen. "Die hohen Preise werden uns leider noch lange begleiten, aber der Staat kann nicht jahrelang allen die Rechnungen deckeln und bezahlen - und gleichzeitig im System nichts ändern und keinen Cent weniger ausgeben."

Keine Anreize für kleine Haushalte zum Sparen

Deutlichen Verbesserungsbedarf ortete "GLOBAL 2000", der Umweltschutzorganisation fehlt beim aktuellen Vorschlag die Treffsicherheit. Nach einer ersten Einschätzung der NGO würden vor allem Haushalte profitieren, in denen wenige Personen mit einem relativ hohen Energieverbrauch leben. Als "unsozial und klimaschädlich" beurteilte auch die NGO "Attac" die "Strompreisbremse". Der Vorschlag berücksichtige die Haushaltsgrößen nicht, außerdem beinhalte er keine progressiven Tarife für "verschwenderischen Luxusverbrauch". Zudem gebe es für die große Anzahl von kleinen Haushalten keine Anreize, Energie zu sparen.

Österreichs Energie, die Interessensvertretung der E-Wirtschaft, bezeichnete die bisher bekannten Eckpunkte hingegen als "unbürokratische und kundenfreundliche Lösung". Lob gibt es dafür, dass kein eigener Antrag nötig ist. Nun müssten auch bei der Umsetzung "praktikable Lösungen" gefunden werden. Der Start mit 1. Dezember sei "durchaus ambitioniert".

IHS-Chef: "Gar nicht so schlecht"

Die geplante Strompreisbremse, die allen Haushalten eine gewisse Strommenge zu einem niedrigen Preis garantiert, ist aus Sicht von IHS-Direktor Klaus Neusser "gar nicht so schlecht" aufgesetzt. Grundsätzlich sei so eine Maßnahme eine Gratwanderung zwischen rascher, einfacher Auszahlung und sozialer Treffsicherheit. "Eine treffsichere Variante wäre langsam und sehr kompliziert gewesen", so Neusser im "ORF-Mittagsjournal".

Immerhin würden alle Haushalte Strom beziehen, damit würden auch alle profitieren. Und wenn es einen Zusatzbetrag für jene gebe, die von der ORF-Gebühr (GIS) befreit sind, sei dies eine "relativ unbürokratische" Differenzierung. Aber es sei "faktisch unmöglich" die komplexen Lebenssituationen aller Menschen in Österreich auf einen Tarif zu übertragen. An sich würde er Direktzahlungen an Bedürftige bevorzugen, das sei einfacher und mit weniger Diskussionen verbunden, so Neusser.

Es werde zwar Haushalte geben, die weniger als 2900 kWh Strom verbrauchen, aber der überwiegenden Teil der Haushalte werde durch die Ausgestaltung der Strompreisbremse Anreize haben, Strom zu sparen.

Schutz der Wirtschaft kompliziert

Ein Schutz der Wirtschaft vor hohen Energiepreisen werde kompliziert, da jede Branche andere Bedürfnisse habe, so Neusser. Ein Abdeckung von Verlusten im Nachhinein wäre zwar einfach, würde aber für viele zu spät kommen. Wichtig sei es aber, die Förderung nicht zu lange aufrecht zu halten - sie sollte nur über diesem Winter oder maximal ein Jahr gewährt werden. Dann sollte es darum gehen, die Produktionsmethoden zu überdenken. Das gilt auch für eine Übernahme der Kosten für CO2-Zertifikate, die sich die Industrie wünscht.

Energiekosten-Hilfen für Unternehmen: Wifo warnt vor Überförderung

Wien – Die geplanten Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen zur Abfederung der hohen Energiepreise müssen so gestaltet werden, dass Unternehmen weiterhin Anreize haben, Energie zu sparen. Das sagte Michael Böheim vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo am Montag im "Ö1-Mittagsjournal". Die Industriellenvereinigung (IV) fordert neue Milliardenhilfen für energieintensive Unternehmen. Die Bundesregierung hat weitere Hilfen angekündigt, vorerst aber noch nicht präsentiert.

"Das Energie-Einsparen ist die wichtigste Maßnahme von allen", so der Wifo-Experte. Deshalb müssten Unterstützungsmaßnahmen sicherstellen, dass Anreize zum Energiesparen aufrecht bleiben. Anstatt der von der IV geforderten Erhöhung und Verlängerung des Energiekostenzuschusses für Unternehmen (auf 2,5 Mrd. Euro, jedenfalls bis zum nächsten Jahr), schlug Böheim vor, Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, Verluste mit vergangenen Gewinnen gegenzurechnen, und so "entsprechende Steuergutschriften zu lukrieren". So würde man auch Unternehmen, die noch nie Gewinne eingefahren hätten, signalisieren, dass das Geschäftsmodell unter Umständen nicht passe.

Auch laut Monika Köppl-Turyna vom industrienahen Think Tank EcoAustria dürfen die Förderungen für Unternehmen nicht überschießend gestaltet sein. Sie empfiehlt, die Unterstützungen an Bedingungen zu knüpfen, etwa indem keine Hilfen an Unternehmen ausbezahlt werden, die riskante Termingeschäfte am Energiemarkt machen. (APA)

Insgesamt seien die Förderungen in Österreich auch im Vergleich zu Deutschland "an der Obergrenze wenn nicht darüber". Daher sei es das Gebot der Stunde, zu sparen. "Da führt kein Weg vorbei".

Die Finanzierung sieht Neusser hingegen gelassen. Wegen der hohen Inflation verdiene der Staat bei der Mehrwertsteuer gut. Außerdem könne man davon ausgehen, dass die nötigen Mittel über künftige Einnahmen hereinkommen werden. Von einer Abschöpfung der "Übergewinne", also krisenbedingter höherer Gewinne von Energieunternehmen, hält Neusser wenig. Das schade dem Standort und es sei "völlige Willkür", was ein Übergewinn ist. (TT.com APA)

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