Krieg in Ukraine

Erneut Notabschaltung im AKW Saporischschja nach Beschuss

Ein ukrainischer Soldat vor einem durch Russland zerstörten Gebäude in Kharkiv.
© IMAGO/David Ryder

Im AKW Saporischschja – Europas größtem Atomkraftwerk – mussten am Montag infolge von Beschuss erneut alle Reaktoren heruntergefahren werden. Die Ukraine eroberte unterdessen nach eigenen Angaben bei ihrer Gegenoffensive im Süden des Landes mehrere Ortschaften zurück.

Kiew, Moskau – Im von Russland besetzten südukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja sind infolge von Beschuss erneut alle Reaktoren heruntergefahren worden. Eine Hochspannungsleitung sei wegen eines Brandes abgeschaltet worden, teilte der ukrainische Atomkraftwerksbetreiber Enerhoatom am Montag auf seinem Telegram-Kanal mit. Dies habe zur Notabschaltung des letzten in Betrieb befindlichen Blocks sechs geführt.

Auch nach der Trennung des letzten Reaktorblocks vom Netz läuft die Kühlung nach Darstellung des Betreibers ohne Notstromgeneratoren weiter. Block 6, der den Eigenbedarf von Europas größtem Atomkraftwerk deckt, sei in Betrieb, sagt ein Sprecher von Enerhoatom der Nachrichtenagentur Reuters. Die Dieselgeneratoren für Notstrom seien nicht angeschaltet worden.

Block fünf war bereits am Samstag abgeschaltet worden. Innerhalb der vergangenen drei Tage seien alle fünf Hochspannungsleitungen zum AKW und dem nahen Wärmekraftwerk durch Artilleriebeschuss beschädigt worden, hieß es. Es bestehe keine Verbindung mehr zum ukrainischen Stromnetz.

Vor eineinhalb Wochen, am 25. August, hatte es ebenfalls eine Notabschaltung der zwei in Betrieb befindlichen Reaktoren mit anschließendem Stromausfall in den besetzten südukrainischen Gebieten gegeben.

Das AKW war kurz nach dem Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine Anfang März erobert worden. Zur Beobachtung der Sicherheitslage befinden sich aktuell zwei Experten der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) im Kraftwerk. Das sich seit Wochen häufende Artilleriefeuer auf das Kraftwerksgelände hatte international die Angst vor einer Atomkatastrophe steigen lassen. Moskau und Kiew werfen sich gegenseitig den Beschuss des Kraftwerksgeländes und der Umgebung vor.

Der französische Präsident Emmanuel Macron machte sich unterdessen für den Rückzug russischer Truppen aus dem ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja stark. Das teilte der Élysée-Palast am Montag nach einem Telefonat Macrons mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj mit. Die ukrainische Souveränität über das Kraftwerk müsse respektiert werden, betonte Macron demnach. Nur wenn die russischen Truppen abzögen, könne für die Sicherheit des Kraftwerks gesorgt werden.

Macron erkundigte sich laut Angaben des Palasts nach den militärischen und wirtschaftlichen Bedürfnissen der Ukraine und sagte dem kriegsgebeutelten Land weiter die volle Unterstützung Frankreichs zu.

Mehrere Ortschaften zurückerobert

Die Ukraine eroberte unterdessen nach eigenen Angaben bei ihrer Gegenoffensive im Süden des Landes mehrere Ortschaften zurück. Zudem seien in der Nähe der von Russen besetzten Stadt Cherson ein Munitionsdepot, eine Pontonbrücke und Kontrollzentrum der russischen Armee zerstört worden, teilte das Südkommando der ukrainischen Armee in der Nacht auf Montag auf Facebook mit.

Das Land macht bei ihrer Gegenoffensive nach Aussage des britischen Verteidigungsministers Ben Wallace echte Fortschritte. Die russischen Verluste bei Soldaten und Ausrüstung seien zudem weiter bedeutend, sagt er. "Dies wird langfristige Auswirkungen auf die russische Armee und ihre künftige Kampfkraft haben."

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in seiner täglichen Botschaft am Sonntagabend von der Rückeroberung von "zwei Ortschaften im Süden" und einer im Osten des Landes gesprochen, ohne deren Namen zu nennen. Der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Kyrylo Timoschenko, teilte ein Bild im Onlinedienst Twitter, wonach die ukrainische Flagge in einem von Russland im März eingenommenen Dorf im Norden der Region Cherson gehisst wurde. Die Region ist fast vollständig in russischer Hand.

Pläne für Referendum vorerst verschoben

Die Pläne für ein Referendum über einen Beitritt der südukrainischen Region Cherson zu Russland sind nach Angaben der Besatzungsmacht vorerst verschoben worden. Aus Sicherheitsgründen sei "eine Pause genommen" worden, sagte der Vertreter der russischen Militärverwaltung in Cherson, Kirill Stremoussow, am Montag der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS zufolge. Das Referendum soll die Herrschaft der russischen Truppen über das Gebiet legalisieren.

Vor einer Woche hatte Stremoussow noch bestritten, dass die ukrainischen Angriffe Auswirkungen haben. Sein Video über einen angeblich "friedlichen Himmel über Cherson" hatte der Beamte allerdings, wie sich später herausstellte, in Russland aufgenommen. Nach ukrainischen Angaben sind bereits eine Reihe von Entscheidungsträgern in der Region nach Beginn der ukrainischen Offensive aus Cherson geflohen. Unabhängig sind diese Angaben nicht zu überprüfen.

Winterausrüstung für ukrainische Truppen von der NATO

Die NATO will ukrainische Truppen mit Winterausrüstung ausstatten und so deren Kampf gegen die russischen Invasoren unterstützen. Unter anderem sollen warme Kleidung, Winterstiefel und Zelte geliefert werden, wie Diplomaten am Montag der Deutschen Presse-Agentur bestätigten. Dafür stünden rund 40 Millionen Euro zur Verfügung.

Grundsätzlich hatte die NATO bereits bei ihrem Gipfeltreffen Ende Juni in Madrid zusätzliche Hilfe in Bereichen wie militärische Schutzausrüstung, Drohnenabwehr und sichere Kommunikation beschlossen. "Wir haben in Vorbereitung auf den Winter mehr als ein Dutzend neue Projekte", erklärte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor rund zwei Wochen. Der Winter komme und er werde hart werden. (APA, dpa, AFP)

EU hilft Kiew mit weiteren 500 Millionen Euro

Die Europäische Union unterstützt die Ukraine mit weiteren 500 Millionen Euro. Das geht aus einem Abkommen hervor, das die EU-Kommission am Montag mit dem ukrainischen Regierungschef Denys Schmyhal in Brüssel unterzeichnete. Das Geld soll Geflüchteten und Landwirten zugute kommen. Schmyhal forderte unterdessen in Brüssel härtere Sanktionen gegen Russland.

Die EU-Hilfen sollen "Wohnraum und Bildung für Binnenvertriebene und Rückkehrer sichern und den ukrainischen Agrarsektor unterstützen", wie Kommissionssprecher Eric Mamer in Brüssel sagte. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die Mittel im April und Mai auf Geber-Veranstaltungen in Aussicht gestellt.

Schmyhal forderte in Brüssel härtere Sanktionen gegen Russland, das Ende Februar in die Ukraine einmarschiert war. "Zu unseren Prioritäten gehört ein vollständiges Energie-Embargo gegen Russland", bekräftigte er. Russische Gaslieferungen könnten zu einem großen Teil durch Strom aus der Ukraine ersetzt werden, argumentierte der Regierungschef.

Schmyhal hatte bereits am Sonntag in Berlin angeboten, die Stromlieferungen der Ukraine in die EU zu erhöhen, um zur Energiesicherheit Europas beizutragen. Atomkraft ist Hauptenergiequelle in dem Land.

Schmyhal leitete in Brüssel zudem einen Assoziationsrat mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Thema war unter anderem eine stärkere militärische Unterstützung der EU für Kiew. Am Sonntag war der ukrainische Regierungschef in Berlin mit dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zusammengetroffen.

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