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Salzburg überzeugt gegen Milan auch auf höchstem Niveau

Torschütze Noah Okafor ließ sich gegen Milan zurecht feiern
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Die erste echte Standortbestimmung der Saison hat Salzburg am Dienstag bravourös gemeistert. Beim 1:1 gegen Italiens Meister AC Milan zum Auftakt der Champions League kauften die "Bullen" dem siebenfachen Titelträger die Schneid ab und hätten durchaus auch einen Sieg in Reichweite gehabt. Vor dem kommenden Duell mit Chelsea, das Dinamo Zagreb überraschend 0:1 unterlag, ist die Brust nur breiter geworden. "Es war ein geiles Spiel", sagte Trainer Matthias Jaissle.

"Mutig und frech" wollten sie laut Jaissle spielen, dem Favoriten mit Intensität und Pressing "wehtun", wie es Mittelfeldmann Nicolas Seiwald formuliert hatte. Und der heimische Serienmeister sorgte dafür, dass es nicht nur bei Schlagworten blieb. Von der ersten Minute an. "Wir wollten mutig, hoch pressen, sie ärgern und stressen, und das ist uns über viele Phasen geglückt", erklärte ein stolzer Jaissle. Sein Team hatte zwar klar weniger Ballbesitz, verzeichnete aber ebenso viele Schüsse aufs Tor wie Milan und hatte - sieht man vom Stangenschuss Rafael Leaos in der Schlussminute ab - die gefährlicheren Aktionen.

Die Führung durch Noah Okafor (28.) kam nicht von ungefähr und auch nicht unverdient. "Wir hätten heute drei Punkte machen können, sind aber mit dem einen Punkt zufrieden", erklärte der Schweizer. Die gute Leistung zum Königsklassen-Auftakt gab ihm Mut für die weiteren Aufgaben in Gruppe E. "Ich bin überzeugt, dass wir für eine Überraschung sorgen können." Die Hoffnungen auf einen erneuten Achtelfinaleinzug dürften zumindest nicht kleiner geworden sein.

"Wir haben ein etwas gemischtes Gefühl, sind aber trotzdem zufrieden mit dem Punkt", weinte auch Mittelfeldakteur Nicolas Seiwald zwei weiteren Zählern zumindest leise nach. "Wir hätten das Spiel durch die Chance von Fernando gewinnen können, hatten zum Schluss aber auch Glück. Die Fans haben uns richtiggehend getragen", sagte der Salzburger nach dem Auftritt vor ausverkauftem Haus (29.520).

Dass seine Spieler das Remis fast bedauerten, fand Jaissle nachvollziehbar. "Wenn man so nah dran ist gegen eine Mannschaft wie Milan, dann kann ich solche Reaktionen verstehen. Ich habe schon das Gefühl, dass die Spieler zufrieden sind, aber das zeichnet meine Jungs aus, dass sie immer gierig bleiben, mutig und frech agieren", meinte der 34-Jährige.

Der "Wolkenschuss" Fernandos in der 53. Minute hätte eigentlich das 2:1 sein müssen, ansonsten fiel der Brasilianer aber mit aktivem, kreativen aber auch lästigen Spiel auf. "Er hat das sehr gut gemacht", attestierte Jaissle der Sommerverpflichtung, die er in der zweiten Hälfte mit einer Oberschenkelblessur vom Platz nahm: "Wir wollten kein Risiko eingehen."

In der Defensive ließ seine Truppe wenig anbrennen, Milans Sturm-Oldie Olivier Giroud kam nicht zur Geltung. Nur einmal ging das hohe Pressing in die Hose. Vor dem Gegentor befreiten sich die Italiener mit einer schnellen Kombination über den ansonsten bei Amar Dedic gut aufgehobenen portugiesischen Flügelstürmer Rafael Leao, der in der Mitte den alleingelassenen Torschützen Alexis Saelemaekers bediente (40.). Jaissle nahm es eher gelassen: "Gegen diese absoluten Topmannschaften kann man nicht alles wegverteidigen", gab er an. "Die Mannschaft hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, mutig weitergespielt und nach vorne attackiert."

Milans Coach Stefano Pioli war vom Auswärtspunkt seiner Elf nur mäßig begeistert. "Es war ein gutes Ergebnis, aber keine ausgezeichnete Leistung von uns. Wir hätten eine bessere gebraucht gegen einen sehr guten Gegner, der es uns extrem schwer gemacht hat." Salzburg bezeichnete er als "extrem schnelle Mannschaft, die bestens vorbereitet war. Wenn sie so weiterspielen, haben sie gute Möglichkeiten."

Drei CL-Debütanten mit Dedic (20 Jahre), dem selbst in der Bundesliga höchst unerfahrenen Dijon Kameri (18) sowie Strahinja Pavlovic (21), änderten an der guten Vorstellung ebenso wenig, wie die vermeintliche Malaise in der Innenverteidigung. Beim Aufwärmen muckten die Adduktoren von Maximilian Wöber auf, für den Pavlovic einspringen musste. "Er hat das richtig, richtig gut gemacht", lobte Wöber seinen Ersatzmann. Kurz vor der Pause verlor man dann auch Wöbers etatmäßigen Nebenmann Oumar Solet mit einer Muskelblessur, für ihn kam Bernardo. "Chapeau vor Pavlovic und Bernardo, wie sie das auf diesem Niveau gemacht haben", befand Jaissle.

Dass die Verletzungen negative Auswirkungen auf die nächste Zukunft haben, glaubte Jaissle nicht. "Ich mache mir schon Gedanken, aber keine Sorgen und hoffe, dass wir durch den schwierigen Herbst gut durchkommen", stellte er fest. Denn im aufgrund der Katar-WM dicht gedrängten Kalender warten auf Salzburg in den kommenden acht Wochen 13 Partien.

Für den 18-jährigen Dijon Kameri, der aufgrund der Leistenblessur von Luka Sucic hinter den Spitzen auflaufen durfte, war es jedenfalls ein ganz besonderer Abend. "Ich war schon nervös vor dem Spiel, bei der Hymne kamen extreme Gefühle auf. Ich konnte es eigentlich gar nicht realisieren, dass ich von Anfang an dabei bin", erklärte der ÖFB-Nachwuchsteamspieler, der vor Anpfiff noch keinen Europacupeinsatz für die "Bullen" und nur drei in der Liga am Konto hatte und sein Startelfdebüt am vergangenen Samstag beim 2:0 gegen die WSG Tirol gefeiert hatte. "Er ist auf einem sehr guten Weg", sagte Jaissle.

Ebenso zufrieden durfte Dedic, in der Vorsaison Leihspieler beim WAC, resümieren. "Ich hätte gerne einen Sieg gehabt, aber im Großen und Ganzen kann man zufrieden sein." Dass Leao gegen ihn zumeist abgemeldet war, durfte ihn mit Stolz erfüllen: "Ich wusste, dass er ein Topspieler ist. Ich habe mir die eine oder andere Szene angeschaut und gewusst, dass ich 110 Prozent geben muss. Das habe ich heute getan."

Und es wird auch in der kommenden Woche nötig sein, wenn man im nächsten Kracher bei Thomas Tuchels von Zagreb verwundeten "Blues" an der Stamford Bridge gastiert. "Wir wollen weiter bescheiden bleiben und die Mannschaften ärgern. Das wollen wir bereits nächste Woche bei Chelsea", sagte Jaissle, der aber erst einmal auf den Erfolg anstoßen wollte: "Vor dem Spiel habe ich geflachst: Wenn wir das Spiel gewinnen, genehmige ich mir einen Vino Rosso."

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