Mitarbeiterdaten: Kanzleramt kommt WKStA-Anordnung vorerst nicht nach
Der vom Kanzleramt beigezogene Anwalt Wolfgang Peschorn findet die Sicherstellungs-Anordnung nicht erfüllbar, weil zu unbestimmt. Die WKStA prüfe nun vorerst einmal, wie weiter vorgegangen wird.
Wien – Das Bundeskanzleramt will der - in den Ermittlungen zur ÖVP-Inseratenaffäre erfolgten - Anordnung der Korruptionsstaatsanwaltschaft, alle elektronischen Daten Dutzender Mitarbeiter zu übermitteln, vorerst nicht nachkommen. Diese Anordnung sei für einen Vollzug zu unbestimmt, meint der vom Kanzleramt als "Anwalt der Republik" beigezogene Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn. Die WKStA prüft jetzt, wie weiter vorgegangen wird.
Aufklärung müsse "rechtsrichtig" erfolgen
Er sei immer für eine Aufklärung eingetreten, aber diese habe "rechtsrichtig" zu erfolgen, versicherte Peschorn. Dies haben Peschorn und Kanzleramts-Generalsekretär Bernd Brünner am Mittwoch Vertretern der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bei einem Treffen mitgeteilt. Zur Einigung über die weitere Vorgangsweise ist man dabei allerdings nicht gekommen. Peschorn legte - wie er im Gespräch mit der APA berichtete - die juristischen Argumente vor, die aus seiner Sicht einen Vollzug der Anordnung unmöglich machen.
Die WKStA hatte Mitte August die Sicherstellung aller elektronischen Daten aller Personen verlangt, die von Dezember 2017 bis Oktober 2021 im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und strategische Kommunikation für das BKA tätig waren. Dies mit dem Argument, dass frühere enge Mitarbeiter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) massenhaft Emails gelöscht und ihre Handys getauscht hätten und nun möglicherweise Beweismaterial fehle. Mit der Sicherstellung der Daten von möglichen Kommunikationspartnern hofft die WKStA über Umwege "Informationen über die Auftragsvergaben und die Verwendung der Ergebnisse der Umfragen in der Öffentlichkeitsarbeit" gewinnen zu können.
Konkretisierung fehle
Peschorn hält diese Anordnung mangels ausreichender Determinierung, welche konkreten Daten sichergestellt werden sollen, für nicht vollziehbar. Der Anordnung sind weder Namen noch Kommunikationsbeziehungen zu entnehmen.
Sicherstellungs-Anordnungen - die die Grundlage für die Ausübung von behördlicher Zwangsgewalt sind - müssten vorgeben, was von wem genau sicherzustellen ist, zumal Betroffene, deren persönliche Rechte berührt sind, von der Sicherstellung ihrer Daten informiert werden müssten. Bei der Strafverfolgung sei auch weiterhin das Amtsgeheimnis zu wahren, das nur auf Grundlage einer gesetzlichen Anordnung durchbrochen werden könne.
Der richtige Weg wäre, ist der "Anwalt der Republik" überzeugt, dass die Beweiserhebung so ausreichend konkretisiert wird, dass dieser auch mittels Amtshilfe rasch und vollständig vom Kanzleramt nachgekommen werden kann. Ihm gehe es keinesfalls darum, Ermittlungen zu behindern, "aber man muss darauf schauen, dass sie rechtsrichtig passieren" - also eine Lösung herbeizuführen, die "allen rechtlichen Interessen Genüge tut", versicherte Peschorn.
Die Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak hält die Vorgangsweise der WKStA für etwas "überschießend", wie sie im ORF-"Mittagsjournal" unter Hinweis auf die Möglichkeit der Amtshilfe sagte. Zudem werde in der Anordnung nicht kundgetan, von welchen Personen was sichergestellt werden sollte. Zumindest wer tatsächlich im betreffenden Zeitraum unter Kanzler Kurz beschäftigt war, hätte die WKStA im Vorhinein mit einer Anfrage im Kanzleramt klären können, meinte die Juristin, deren Meinung das Kanzleramt ebenfalls eingeholt hatte.
Weiteres Vorgehen wird geprüft
Die WKStA prüft nun vorerst einmal, wie weiter vorgegangen wird, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage der APA. Sicherstellungs-Anordnungen seien aber durchaus gängige Praxis auch in solchen Fällen. Zwar sei grundsätzlich, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme der WKStA, die Amtshilfe als Weg für die Erlangung von bei Behörden und öffentlichen Dienststellen befindlichen Daten eingerichtet. Aber "unter Umständen" sei auch dort eine Sicherstellung vorzunehmen - insbesondere dann, "wenn schlüssige Hinweise dafür vorliegen, dass die Erlangung der begehrten Beweismittel im Wege der Amtshilfe tatsächlich nicht möglich sein bzw. bereits durch Bekanntwerden des beabsichtigten Amtshilfeersuchens Ermittlungen gefährdet werden würden".
Einwände gegen eine solche Anordnung sollten, betonte die WKStA, formal im Verfahren abgehandelt werden: Die StPO sehe ein Rechtsmittelverfahren vor, in dem die Betroffenen rechtliche Argumentationen und Erwägungen einer gerichtlichen Prüfung zuführen könnten.
Kritik am Vorgehen des Kanzleramts kam von SPÖ und NEOS. Wenn es eine Anordnung der Staatsanwaltschaft gebe, müsse das Kanzleramt dem nachkommen, betonte der pinke Vizeklubchef Nikolaus Scherak am Rande einer Pressekonferenz. Dass dies nicht passiert, "lässt zumindest vermuten, dass hier etwas zu verbergen ist" - ein Vorgang, den man bei der ÖVP in den vergangenen Monaten ja schon oft erlebt habe. Warum die ÖVP nichts daraus lerne und nicht an der Aufklärung mitwirke, "ist für mich nicht nachvollziehbar", meinte Scherak.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch ortet einen weiteren Beleg dafür, dass die ÖVP "hochgradig nervös" sei. "Augenscheinlich ist die Justiz der ÖVP so dicht auf den Fersen, dass die türkise Truppe schon wieder mit allen Tricks tarnen und täuschen muss, statt wie von Kanzler Nehammer angekündigt volle Aufklärung der türkisen Skandale zu ermöglichen." Die "verzweifelte Verzögerungstaktik von Nehammer" sei ein hilfloser Versuch, die Justiz auszubremsen. (APA)