Copy-Paste mit Krönchen: Basquiats Blockbuster-Schau in der Albertina
Die Albertina widmet Jean-Michel Basquiat, dem wohl wichtigsten schwarzen Künstler, die erste museale Megaschau in Österreich.
Von Barbara Unterthurner
Wien – Sein Werk sei auch deshalb noch aktuell, weil seine Themen hochaktuell sind, sagt Lisane Basquiat beim Durchwandern der Ausstellung ihres Bruders in Wien. Schon Anfang der 1980er verarbeitete Jean-Michel Basquiat zeichnend Polizeigewalt, Alltagsrassismus und Klassismus. Verändert hat sich an der Situation der People of Colour seither nicht viel – George Floyd war und bleibt kein Einzelfall. Gerade in Zeiten wie diesen müsse also eine Basquiat-Ausstellung angesetzt werden, erklärt Albertina-Chef Klaus-Albert Schröder. Aber nicht nur deshalb. Sondern auch um den Impact des jung verstorbenen Genies auf Kunstgeschichte und Popkultur in Österreich endlich angemessen zu würdigen.
Bis heute ist der 1960 geborene Basquiat einer der wichtigsten schwarzen Künstler. War er doch der erste, der sich in einer ausschließlich von Weißen dominierten Kunstwelt durchsetzen konnte. Obwohl sein Schaffen nur auf wenige Jahre begrenzt war. 1988 reihte er sich in den berüchtigten Club 27 ein. Die Faszination für Basquiat bleibt ungebrochen. Gestern eröffnete Schröder die von Dieter Buchhart und Antonia Hoerschelmann kuratierte Ausstellung.
Hier wird das wilde Oeuvre Basquiats, insgesamt 46 Werke, fein säuberlich aufbereitet, kategorisiert und mit (unnötig vielen) Zitaten und Verweisen zur breitenwirksamen Schau. Blockbuster eben. Von schmutzigen und pulsierenden New York der 1980er ist da nicht mehr viel zu spüren.
Schillernd war auch seine Jugend nicht. Der Sohn einer Puertoricanerin und eines Haitianers arbeitete sich an Hauswänden seiner Hood ab. Sein Pseudonym SAMO© war bald stadtbekannt. Das Akronym für „Same old Shit“ wurde später von Basquiats ikonischem Krönchen abgelöst. Und der junge Wilde gleichzeitig zum Künstler geadelt.
Das war noch bevor ihn Andy Warhol unter seine künstlerischen Fittiche nahm und er mit Madonna durch die Clubs rauschte. Dass Basquiat erst als Teil der factory zum Star aufstieg, ist längst Mär: Wohl eher war Basquiat eine Frischzellenkur für Warhol.
Auf gemeinsame Werke hat die Albertina-Schau verzichtet. Was Basquiats Werk nicht weniger facettenreich macht. Seine Bilder, Papiere oder Leinwände, einzeln oder zu einem größeren Ganzen arrangiert (siehe „Flesh & Spirit“, 1982/83) wirren und flirren. Förmlich obsessiv sampelt er Einflüsse von Konsumkultur, Religion, Wissenschaft und Comic zu einem wild wuchernden Copy-Paste-Oeuvre. Unverkennbar bleibt sein energischer Ölstift-Strich. Erst im dünnen „Spätwerk“ wird Basquiat flächiger, lässt den Formen jetzt Raum.
Ikonisch wird die künstlerische Sprache des Ausnahmekünstlers, jene Kritik ohne moralischen Fingerzeig. Vielfach zeichnet er aus der Not heraus. In „Untitled (Infantry)“ verarbeitet er den Tod des Grafittikünstlers Michael Stewart. Wieder ein Opfer von Polizeigewalt. Mit einem gemalten „Wo bin ich?“ (auf Deutsch!) fragt er nach Orientierung und Halt. Verzweifelt wechselt er in die Comicsprache. Weil sich das sinnlose Abknallen von Menschen mehr nicht anders verarbeiten ließ.