Parlamentswahl in Schweden: "Es ist sehr, sehr ausgeglichen"
Knapp 7,8 Millionen Menschen in dem skandinavischen EU-Land sind dazu berechtigt, mit ihren Stimmen eine neue Zusammensetzung im Reichstag von Stockholm festzulegen. Die Wahl der 349 Abgeordneten findet nach dem Verhältniswahlrecht statt.
Stockholm – Die Schweden haben am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Erste Prognosen sollte es nach Wahlschluss um 20 Uhr geben. Kurz vor der Wahl lagen das linksgerichtete Lager um die Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Magdalena Andersson und ein konservativ-rechter Block einschließlich der rechtspopulistischen Schwedendemokraten Umfragen zufolge nahezu gleichauf. "Es ist sehr, sehr ausgeglichen", sagte Andersson am Sonntag bei der Stimmabgabe im Stockholmer Vorort Nacka.
Andersson bekräftigte ihre Ablehnung der Schwedendemokraten. Sie sei sehr enttäuscht, dass sich andere Parteien in der Hinsicht anders entschieden hätten, sagte sie nach Angaben des schwedischen Rundfunks mit Blick auf den bürgerlichen Oppositionsführer Ulf Kristersson. Angesichts des knappen Rennens rief sie die Bürger auf, wählen zu gehen.
Knapp 7,8 Millionen Menschen in dem skandinavischen EU-Land sind dazu berechtigt, mit ihren Stimmen eine neue Zusammensetzung im Reichstag von Stockholm festzulegen. Die Wahl der 349 Abgeordneten findet nach dem Verhältniswahlrecht statt. Es wird erwartet, dass insgesamt acht Parteien die Vier-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament überspringen.
Wie bereits nach der Parlamentswahl 2018 wird angesichts schwieriger Mehrheitsverhältnisse mit einer langen und komplizierten Regierungsbildung gerechnet. Schweden hat sich angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ebenso wie Finnland im Mai dazu entschlossen, einen Antrag auf NATO-Mitgliedschaft zu stellen. Die NATO spielte im Wahlkampf jedoch kaum eine Rolle. Auch der Kampf gegen die Klimakrise wurde in Fernsehdebatten der Parteichefs nur am Rande thematisiert.
Wahlkampfthemen Energiepreise und Bandenkriminalität
Zwei andere Themen prägten den Wahlkampf dagegen sehr: die stark gestiegenen Energiepreise und die grassierende Bandenkriminalität. Letztere zeigt sich in Schweden seit längerem immer wieder in oft tödlichen Schüssen sowie vorsätzlich herbeigeführten Explosionen. In keinem anderen Land in Europa habe sich eine solche Lage entwickelt wie in Schweden, sagte der Parteichef der Moderaten, Ulf Kristersson, diese Woche in einer TV-Debatte. Er steht mit seiner Partei an der Spitze des konservativen Blocks. Regierungschefin Andersson sagte zu dem Thema: "Das hier ist eine schwedische Epidemie."
Andersson wurde erst im November 2021 als Nachfolgerin ihres Parteikollegen Stefan Löfven und als erste Frau überhaupt zur Ministerpräsidentin von Schweden gewählt. Viele Menschen in ihrem Land halten die frühere Finanzministerin für äußerst glaubwürdig. Sie führt eine ausschließlich aus Sozialdemokraten bestehende Minderheitsregierung an, die im Reichstag auf Unterstützung der liberalen Zentrumspartei, der Linken und der Grünen angewiesen ist.
Den Umfragen zufolge könnte Kristerssons Moderate erstmals von den Schwedendemokraten als zweitstärkste Kraft im Parlament abgelöst werden. Die Rechtspopulisten konnten sich bei den vergangenen Wahlen kontinuierlich steigern. Das hat zu einer Verschiebung der politischen Lager im Reichstag geführt: Während sich die konservativen Moderaten, die Christdemokraten und die Liberalen den zuvor außen vor stehenden Schwedendemokraten angenähert haben, unterstützt das liberale Zentrum seit längerem die Sozialdemokraten.
Trotz dieser Verschiebung sind die Verhältnisse in Stockholm nicht einfacher geworden. Im Gegenteil: Das Lager um Andersson kommt im Parlament momentan auf 175, Kristerssons Block auf 174 Sitze. Nur mit viel Mühe lassen sich da politische Maßnahmen durchdrücken. Ob es nach der Wahl besser wird, ist offen. Andersson müsste im Falle eines Wahlsieges äußerst unterschiedliche Positionen der Linken und des Zentrums vereinen. Kristersson könnte bei dem erwartet starken Abschneiden der Schwedendemokraten mit der Lage konfrontiert werden, dass deren Parteichef Jimmie Åkesson eigene Ansprüche anmeldet. (APA/dpa)