Entscheidung im schwedischen Wahlkrimi nicht vor Mittwoch
Der Wahlkrimi zwischen dem Mitte-Links-Bündnis und dem konservativen Lager in Schweden wird frühestens am Mittwoch entschieden. Nach Auszählung der Urnenstimmen lagen die konservativen Oppositionsparteien am Montag in der Früh bei der kleinstmöglichen Mehrheit von 175 Mandaten im neuen Reichstag, während das Lager der amtierenden sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Magdalena Andersson bei 174 Mandaten stand. Bis Mittwoch werden Auslands- und Spätstimmen ausgezählt.
Experten sahen einen "Hoffnungsschimmer" für Andersson, wiesen aber zugleich darauf hin, dass bei früheren Wahlen die Konservativen von Oppositionsführer Ulf Kristersson bei den Auslandswählern zulegen konnten. Allerdings mussten jeweils auch die rechtspopulistischen Schwedendemokraten nachgeben, deren massiven Stimmengewinne das Oppositionslager am Sonntag in Führung brachten.
Entsprechend gaben sich sowohl Regierungschefin Andersson als auch ihr Herausforderer Kristersson in der Nacht zurückhaltend. Wählerbefragungen und erste Prognosen hatten am Sonntagabend noch das Lager der Regierungschefin in Führung gesehen. Danach war die Mehrheit zugunsten des konservativen Lagers gekippt, das zeitweise auch mit zwei Mandaten in Führung lag. In der Früh schrumpfte der Vorsprung dann aber wieder. Für Andersson wäre eine Abwahl bitter, konnten ihre Sozialdemokraten doch deutlich zulegen und wieder über die 30-Prozent-Marke springen. Dagegen wurden Kristerssons Konservative erstmals von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten überholt.
Nach dem vorläufigen Ergebnis lagen die Sozialdemokraten bei 30,5 Prozent (+2,2 Prozentpunkte), gefolgt von den Schwedendemokraten (20,6, +3,1) und den Konservativen (19,1, -0,7). Alle fünf Kleinparteien schafften den Wiedereinzug in den Reichstag, wobei aber nur die Grünen (fünf Prozent) leicht zulegen konnten. Die liberale Zentrumspartei (6,7 Prozent) und die Linkspartei (6,6 Prozent) mussten ebenso Federn lassen wie die beiden bürgerlichen Kleinparteien Christdemokraten (5,4 Prozent) und Liberale (4,6 Prozent).
Dem schwedischen Rundfunk zufolge trennten nur etwa 47.000 Stimmen die beiden Lager. Etwa fünf Prozent der Stimmen waren noch auszuzählen. Es handelt sich dabei um die von Auslandsschweden abgegebenen Stimmen sowie verspätet eingetroffene Stimmen im Rahmen der vorzeitigen Stimmabgabe.
Unabhängig vom Wahlausgang dürfte Schweden wie schon nach der Parlamentswahl vor vier Jahren eine langwierige Regierungsbildung bevorstehen. Der rechte Block aus Konservativen, Christdemokraten und Liberalen setzt eigentlich auf Kristersson und will die Schwedendemokraten nur als Mehrheitsbeschaffer. Ihr Vorsitzender Jimmie Åkesson betonte jedoch am Wahlabend die Ambition, Teil der neuen Regierung zu sein. Die einwanderungsfeindliche Partei könnte damit zum ersten Mal direkten Einfluss auf die Politik nehmen.
Die aus der Neonazi-Bewegung Ende der 80er Jahre hervorgegangene Partei um Parteichef Akesson war 2010 mit 5,7 Prozent der Stimmen erstmals in den schwedischen Reichstag eingezogen, 2018 erreichten sie bereits 17,5 Prozent.
Im Wahlkampf hatten die Parteien darum gekämpft, wer am härtesten gegen die Bandenkriminalität vorgeht, nachdem ein stetiger Anstieg an Schießereien die Wähler verunsichert hatte. Weitere Themen waren die steigende Inflation und die Energiekrise nach der russischen Invasion in der Ukraine.
Der Aufstieg der nationalistischen Schwedendemokraten in den vergangenen zehn Jahren fällt mit einer deutlichen Zunahme der Einwandererzahl zusammen. Schweden mit seinen zehn Millionen Einwohnern nahm in diesem Zeitraum fast eine halbe Million Asylwerber auf. Die klare Ablehnung von Zuwanderung und gleichzeitige Verteidigung des schwedischen Wohlfahrtsstaats machten die Schwedendemokraten bei Wählern aus unteren Einkommensschichten und Pensionisten beliebt.
Andersson, deren Partei in Schweden traditionell die stärkste Kraft ist, wurde erst im November 2021 als Nachfolgerin ihres Parteikollegen Stefan Löfven und als erste Frau überhaupt zur Ministerpräsidentin von Schweden gewählt. Unter ihr hat das drittgrößte Land der Europäischen Union Mitte Mai im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Antrag auf eine NATO-Mitgliedschaft gestellt.