Ausstellung

Unbunte Mind-Map: Anja Manfredis fotografische Recherche im Lumen

Großformatige, analoge Prints: Ihre Recherche brachte Manfredi auch zum Atlasgebirge.
© A. Manfredi

Facettenreiche Erzählung: Anja Manfredis fotografische Recherche zum Atlas ist derzeit im LUMEN zu sehen.

Von Barbara Unterthurner

Bruneck – Nichts weniger als die Last des ganzen Himmelsgewölbes trägt er auf seinen Schultern. Bis in alle Ewigkeit. Göttervater Zeus hat den Titan Atlas in der griechischen Mythologie dazu verdammt. In der Kunst wird Atlas als Lastenträger dargestellt. Die Weltkugel im Nacken zwingt ihn in die Knie. Eindrucksvolles Beispiel: der Atlas Farnese, eine Marmorskulptur aus dem zweiten Jahrhundert, die im Archäologischen Museum in Neapel zu sehen ist.

Besucht hat diese auch die Künstlerin Anja Manfredi – sie hat eine überraschende Ansicht mitgebracht. Schon seit einiger Zeit beschäftigt sich die gebürtige Osttirolerin, die in Wien lebt und arbeitet, mit dem Atlas. Nicht nur mit der mythologischen Figur, sondern generell mit dem Begriff. Entstanden ist daraus eine fotografische Recherche. Für das LUMEN, das Museum für Bergfotografie am Pustertaler Kronplatz, hat sie jetzt ein erstes Kapitel daraus geformt. Bis Ende Oktober sind ihre Arbeiten, allesamt analoge Prints, als fotografische Mind-Map nun auf über 2000 Höhenmetern ausgestellt. Kuratiert wurde die Schau von RLB-Kunstbrücke-Leiterin Silvia Höller – nicht die erste Zusammenarbeit der beiden. Höller stellte Manfredi schon 2013 im RLB Atelier in Lienz aus; 2018 erhielt Manfredi zudem einen RLB-Förderpreis.

Der spektakulären Aussicht vom LUMEN auf die umliegenden Dolomitengrade setzt Manfredi gleich zu Beginn der Ausstellung (wie passend!) ihre grauen Ansichten des Atlas-Gebirges entgegen. Der Mythologie entsprechend soll Atlas doch genau hier, am äußersten, westlichen Rand der damals bekannten Welt, seine beschwerliche Aufgabe erledigen.

Dem großformatigen Panorama gegenüber stellt Manfredi das Motiv einer einzigen Perseus-Statue. Sie folgt damit weiter der Mythologie: Denn erst nach einem Treffen mit dem Sohn Zeus’ wird Atlas endgültig versteinert.

Von Perseus, den Manfredi in den Gärten von Schloss Schönbrunn abgelichtet hat, hangelt sie sich in ihrer Mind-Map weiter zu den „Nymphen, Mäanden und Priesterinnen“ – allesamt ebenso aus dem Schlosspark in Wien. Von dort aus geht es weiter ins Globenmuseum, wo die Fotografin unterschiedlichste Arten der enormen Weltkugeln ablichtet. Irgendwann landet Manfredi bei den Karyatiden, weibliche Figuren, die ähnlich dem Atlas Lastenträgerinnen sind. Anstelle von Säulen sind sie es, die das Gebälk tragen. Und so führt eine Assoziation zur nächsten. Ein unbuntes Motiv folgt dem nächsten – und verwandelt zwei Räume des LUMEN in eine dennoch ungemein facettenreiche Erzählung.

Lumen. Kronplatz 11, Reischach (BZ); bis 31. Oktober, täglich 10–16 Uhr. lumenmuseum.it

Verwandte Themen