Bericht: Inhaftierte Aktivisten in Myanmar zu Tode gefoltert
Seit dem Militärputsch in Myanmar vor eineinhalb Jahren sind Menschenrechtlern zufolge zahlreiche festgenommene Junta-Gegner in der Haft grausam zu Tode gekommen. Die Organisation Human Rights Watch (HRW) hat in den vergangenen Monaten sechs Fälle detailliert dokumentiert, bei denen Aktivisten entweder zu Tode gefoltert wurden oder wegen der Verweigerung medizinischer Versorgung gestorben sind. Die Ergebnisse wurden am Dienstag veröffentlicht.
"Diese Todesfälle sind nur die Spitze des Eisbergs des Leidens und der Folter durch das Militär und die Polizei", betonte Manny Maung, Myanmar-Expertin der Organisation. Mindestens 73 Menschen seien in Polizeistationen, Verhörzentren des Militärs und Gefängnissen gestorben. Die Gefangenenhilfsorganisation AAPP schätze sogar, dass fast 700 Bürger kurz nach ihrer Festnahme gestorben sein könnten, sagte Maung der Deutschen Presse-Agentur. "Wir konnten jedoch nur mit Zeugen und Quellen sprechen, die mit sechs Personen in Verbindung stehen, weil es so viel Angst gibt."
Viele befürchten Repressionen, wenn sie die Gräueltaten der Junta öffentlich machen. Trotz der großen Gefahr gelang es der Organisation, mit Familienmitgliedern der Opfer zu sprechen, 40 Fotos und fünf Videos zu analysieren und die Meinung von unabhängigen Ärzten einzuholen.
"Aus den körperlichen Spuren auf den Körpern und Gesichtern geht hervor, dass diese Männer immens gelitten haben müssen und dass Folter stattfand", sagte Rohini Haar, ein von Human Rights Watch konsultierter Notarzt, der die Bilder der Leichen analysiert hat. "Es gibt so viele Anzeichen von Missbrauch und Folter, dass es schwierig ist, genau festzustellen, was diese Menschen letztlich getötet hat."
Verbrühte und mit Säure verätzte Haut, fehlende Zähne, gebrochene Knochen, tiefe Wunden und schwere Blutergüsse - der Horror, den die Festgenommenen durchgemacht haben müssen, ist schier unvorstellbar. Keine der Familien der Betroffenen erhielt HRW zufolge vom Militär offizielle ärztliche Atteste oder Autopsieberichte.
Das Militär hatte im Februar 2021 gegen die gewählte Regierung von Aung San Suu Kyi geputscht. Die Friedensnobelpreisträgerin sitzt in Einzelhaft im Gefängnis. Die Generäle unterdrücken weiterhin jeden Widerstand mit blutiger Gewalt und haben ein Angstregime etabliert.
Die sechs Opfer waren Männer im Alter zwischen 43 und 58 Jahren. Fast alle starben innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Festnahme, ein Aktivist kam nach zwei Monaten ums Leben. Die Militärjunta habe nur sehr wenige Todesfälle in der Haft offiziell zugegeben, diese aber Krankheiten oder Herzversagen zugeschrieben, hieß es. Human Rights Watch zufolge wurden manche Leichname gleich nach dem Tod eingeäschert oder die Familien wurden angewiesen, sie umgehend einäschern zu lassen - offenbar, um Folter zu vertuschen.
"Die Familien verdienen es zu wissen, was mit ihren Angehörigen passiert ist", sagte Maung. Es sei inakzeptabel, dass einige Familien die Leichname ihrer Lieben nicht zurückbekommen hätten, um zumindest mit dem Verlust umgehen zu können.
Der UNO-Sonderberichterstatter für Myanmar, Tom Andrews, hatte im Oktober 2021 gesagt, er gebe glaubwürdige Berichte über "mehr als 8.000 willkürlich Inhaftierte, von denen viele gefoltert und Dutzende zu Tode gefoltert wurden". HRW bezeichnete die weit verbreiteten und systematischen Übergriffe der Junta seit dem Putsch - darunter Mord, Folter und unrechtmäßige Inhaftierung - als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.