Häusliche Gewalt

Maßnahmen zum Schutz vor häuslicher Gewalt sollen „optimiert" werden

Frauenministerin Susanne Raab und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP).
© APA/BENEDIKT LOEBELL

Die Bundesregierung will die im Gewaltschutzgesetz 2019 ergriffenen Maßnahmen optimieren und bestehende Schutzlücken schließen. 2021 wurden 13.690 Betretungs- und Annäherungsverbote erlassen, heuer waren es bis Ende Juli schon 9.500.

Wien – Die Bundesregierung will die im Gewaltschutzgesetz 2019 ergriffenen Maßnahmen optimieren und bestehende Schutzlücken schließen. Das kündigten Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Frauen- und Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) am Freitag auf einer Pressekonferenz in Wien an, bei der Justizministerin Alma Zadic (Grüne) krankheitsbedingt fehlte. Laut Karner werden die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen intensiviert und institutionalisiert.

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Derzeit wird dieses Instrument zum Schutz vor häuslicher Gewalt in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt, wie Sandra Messner vom Zentrum für Sozialforschung und Wissenschaftsdidaktik (ZSW) erläuterte, die im Auftrag des Innenministeriums mit einem Team das Gewaltschutzgesetz evaluiert hat. Die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen würden von Expertinnen und Experten grundsätzlich begrüßt, seien aber "nicht das Allheilmittel, um Frauenmorde zu verhindern", legte Messner vor Journalisten dar. Bedenklich sei es, dass Protokolle dieser Konferenzen mitunter in Gerichtsakten landen und Gefährder, gegen die von den Strafverfolgungsbehörden ermittelt wird, im Rahmen ihrer Beschuldigtenrechte dann darauf Zugriff haben. Dass gehöre abgestellt, die Koordination zwischen Polizei, Justiz und Hilfseinrichtungen für von Gewalt betroffene Familien, Frauen und Kinder verbessert, sagte Messner.

Expertengruppen für Bundesländer

Innenminister Karner will mit dem Installieren von Expertengruppen in jedem einzelnen Bundesland die Wirkung der Fallkonferenzen stärken. Im heurigen Jahr wurden bis Mitte September österreichweit rund 120 Fallkonferenzen durchgeführt, eine deutliche Steigerung gegenüber 2020 (27) und 2021 (57). Als weitere Maßnahme gegen die Gewalt im häuslichen Bereich wird eine interministerielle Arbeitsgruppe zum Thema Gewalt gegen ältere Menschen erweitert. In Pflegebeziehungen komme es immer wieder zu körperlichen Übergriffen bis hin zu Tötungsdelikten, führte Karner aus: "Es ist hier für die Polizei kaum möglich, wirksame Maßnahmen zu setzen, da kaum eine polizeiliche Vorgeschichte vorliegt. Hier ist eine enge Vernetzung mit Pflegeorganisationen und dem Sozialministerium nötig."

Ein "stiller Notruf", den derzeit rund 5.000 meist weibliche Personen zum Schutz vor potenziellen Gefährdern nutzen, soll weiterentwickelt und offensiver beworben werden. Am Ende könnte es eine so genannte verdeckte App geben. Schließlich wird für alle Streifenpolizistinnen und -polizisten in Österreich eine Unterstützungs-Hotline geschaffen, die rund um die Uhr zur Verfügung steht. Expertinnen und Experten sollen dann den Beamten an Ort und Stelle bei Bedarf fernmündlich bei Amtshandlungen zu häuslicher Gewalt mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Familienministerin Susanne Raab bezeichnete das Gewaltschutzgesetz als "Meilenstein". Sie kündigte einen weiteren Gewaltschutz-Gipfel am 6. Dezember und eine qualitative wissenschaftliche Studie zu Frauenmorden bis Ende des Jahres an.

Mehr als 13.000 Betretungs- und Annhäherungsverbote im Vorjahr

2021 wurden 13.690 Betretungs- und Annäherungsverbote erlassen, heuer waren es bis Ende Juli schon 9.500. 11.000 Gefährderberatungen, die mit September 2021 implementiert wurden, sind durchgeführt worden. Allerdings gibt es in beiden Bereichen Verbesserungsbedarf. Bei Stalking und Cyber-Stalking würden aus Sicht von Expertinnen und Experten zu wenig Annäherungsverbote ausgesprochen, auch hinsichtlich Anrufen und Textnachrichten wären Kontaktverbote wünschenswert, berichtete Sozialforscherin Messner. Es gebe außerdem den Ruf nach strengeren Kontrollen dieser Kontaktverbote und dem Erlassen von Festnahmeanordnungen bei Verstößen dagegen.

Bei der verpflichtenden Gewaltpräventionsberatung für Gefährder bedürfe es einer "qualitätsvollen Kooperation" zwischen Exekutive und NGO's. Für die Beratungsgespräche sind generell sechs Stunden vorgesehen, hier wäre eine flexiblere zeitliche Ausgestaltung erstrebenswert. Immerhin 40 Prozent der Betroffenen - im Regelfall Männer - nehmen nach den sechs Stunden weitere Beratung in Anspruch. Die Beratungsstellen wünschen sich eine rechtliche Möglichkeit, proaktiv Kontakt mit Gefährdern aufnehmen zu können. Defizite gibt es in der Praxis beim Kommunizieren, wenn Betretungs- und Annäherungsverbote verlängert werden. "Da stehen dann die Männer oft vor der Tür, weil sie nichts davon wissen", berichtete Messner.

SPÖ und FPÖ fordern mehr Geld für Prävention

SPÖ und FPÖ verlangten von der Regierung mehr Geld für die Präventionsarbeit, "damit Österreich endlich die Istanbul-Konvention, also den Schutz von Frauen, umsetzen kann", wie FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker in einer Aussendung formulierte. Die bestehenden Maßnahmen würden nicht greifen beziehungsweise nicht ausreichen. Überdies müssten die Beratungsstellen für Frauen und Mädchen in den Regionen ausgebaut werden.

SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner bezeichnete Österreich als "Hochrisikoland, wenn es um die Gewalt an Frauen geht". Sie bekräftigte die Forderung nach einem "ständigen Krisenstab, der die Zusammenarbeit von Innen- und Justizministerium und aller im Gewaltschutz tätigen Organisationen verbessert". Die Frauen- und Mädchenberatungsstellen seien "am Limit", es gebe "einen Ansturm an Hilferufen von Frauen", meinte Holzleitner in einer Presseaussendung: "Die Frauen- und Mädchenberatungsstellen dürfen sich nicht länger mit langen Projektanträgen herumschlagen. Sie brauchen eine solide Basisfinanzierung. Hilfe muss rasch geschehen, lange Wartezeiten sind lebensgefährlich."

Die Grüne Frauensprecherin Meri Disoski will die bei der Evaluierung des Gewaltschutzgesetzes monierten Vorschläge für weitere Verbesserungen aufgreifen und umsetzen, wie sie per Aussendung mitteilte: "Die hohe Zahl an Femiziden in Österreich ist ein politischer Handlungsauftrag, um diesen Weg in der Koalition auch weiterzugehen. Hier ist auch der Finanzminister gefordert, die notwendigen Mittel für weitere Verbesserungen zur Verfügung zu stellen." (APA)

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