Russische Zentralbank senkte Leitzins weiter auf 7,5 Prozent
Die russische Notenbank erwartet heuer ein BIP-Minus von 4 bis 6 Prozent und befürchtet eine lange Rezession. Die Konjunktur wird nach Prognose der Ratingagentur Scope erst am Ende des Jahrzehnts auf das vor dem Einmarsch in die Ukraine erreichte Niveau zurückkehren.
Moskau – Russlands Notenbank stemmt sich erneut mit einer Zinssenkung gegen die Rezession. Sie kappte den Schlüsselzins am Freitag um 0,5 Prozentpunkte auf 7,5 Prozent. Es war heuer bereits der fünfte geldpolitische Schritt nach unten. Befragte Experten hatten mit der Senkung gerechnet.
Die Währungshüter um Zentralbankchefin Elvira Nabiullina strichen zugleich die Passage aus ihrem Text, wonach sie die Notwendigkeit weiterer Lockerungen prüfen wollten. Laut Nabiullina ist als nächstes sowohl eine Zinspause als auch eine Erhöhung denkbar.
Der Zins sei nun auf einem neutralen Niveau, das die Wirtschaft weder bremse noch anschiebe: "Der Spielraum für eine weitere Senkung schwindet", fügte sie an. Ökonomen gehen davon aus, dass die Phase der geldpolitischen Lockerungen in Russland damit vorerst beendet sein dürfte.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Russlands wird der Zentralbank zufolge heuer stark schrumpfen. Dabei werde das Minus wahrscheinlich im oberen Bereich einer Spanne von 4 bis 6 Prozent liegen. Nach der Invasion in der Ukraine und vom Westen verhängten Sanktionen hatte die russische Wirtschaft im Frühjahr eine steile Talfahrt hingelegt.
Ratingagentur: Russische Wirtschaft erst 2030 auf Vorkriegsniveau
Die Konjunktur wird nach Prognose der Ratingagentur Scope erst am Ende des Jahrzehnts auf das vor dem Einmarsch in die Ukraine erreichte Niveau zurückkehren. Der Kreml habe zwar mit Hilfe der Zentralbank die unerwartet hohen Exporteinnahmen dazu genutzt, um die unmittelbaren Folgen des Krieges und der westlichen Sanktionen auf die Binnenwirtschaft abzufedern, heißt es in der Reuters vorliegenden Studie. "Aber die längerfristigen Aussichten haben sich verschlechtert", schreibt Scope-Analyst Levon Kameryan. Bis Ende kommenden Jahres wird das Bruttoinlandsprodukt wegen der westlichen Sanktionen um etwa 8 Prozent unter dem Stand von 2021 liegen. Die russische Wirtschaft werde daher voraussichtlich bis etwa 2030 brauchen, um wieder das Vorkriegsniveau erreichen.
Mit dem wirtschaftlichen Abschwung dürfte laut der Notenbank in Moskau allerdings der starke Preisauftrieb allmählich nachlassen: Für dieses Jahr sei eine Jahresteuerung von 11,0 bis 13 Prozent zu erwarten, die 2023 auf 5 bis 7 Prozent zurückgehen werde. Für 2024 wird dann wieder mit dem Erreichen des Inflationsziels der Notenbank von 4 Prozent gerechnet. Im August lag die Teuerungsrate bei 14,3 Prozent.
Sollte sich das Haushaltsdefizit ausweiten, sieht die Notenbank auf mittlere Sicht die Notwendigkeit, die Zinszügel womöglich wieder anzuziehen, um an das Inflationsziel zu gelangen. Um einen Absturz des Landeswährung Rubel zu verhindern, hatten die Währungshüter den geldpolitischen Schlüsselsatz nach der Invasion in der Ukraine zunächst von 9,5 auf 20,0 Prozent hochgesetzt und die Zinsschraube danach wieder allmählich gelockert. (APA/Reuters)