Film

„Alle reden übers Wetter“: Zerrissen in der fremden Heimat

Anne Schäfer spielt die stillen Konflikte ihrer Figur Clara großartig.
© Filmgarten

Annika Pinske erzählt in ihrem Debütfilm „Alle reden übers Wetter“ von einer Philosophin, die mit Klassenaufstieg und ihrer Herkunft kämpft.

Von Marian Wilhelm

Innsbruck – Clara promoviert zu Hegels Theorie der Freiheit und seinem Konzept von Familie. Doch in der akademischen Berliner Blase mit ihrem Leistungs-getriebenen und patriarchalen Herausforderungen fremdelt sie trotz Unterstützung ihrer Professorin. Auf Nachfrage macht sie ihren Vater zum Diplomat. In Wahrheit stammt ihre Familie aus der ländlichen Arbeiterschicht. Zum 60. Geburtstag der Mutter fährt Clara ihrer Herkunft entgegen. Ihre 15-jährige Tochter, die eigentlich beim reichen Vater lebt, begleitet sie.

Diese Rückkehr zu den fremd gewordenen Wurzeln nach 30 akademisch-Berliner Filmminuten bildet den leisen Spannungbogen von „Alle reden übers Wetter“. Regisseurin Annika Pinske – selbst Arbeiterkind und Assistentin von Maren Ade und René Pollesch – erzählt von da an recht authentisch von der inhaltsleer-trostlosen Provinz und der dennoch liebevollen Familie mit vier Generationen verschiedener Frauen. Ihre Mutter ist stolz auf Clara, sagt es aber nicht – wohl aus Scham, weil sie nicht versteht, was ihre Tochter wirklich macht. Und Clara ist nur allzu überzeugt, dass sie hier nicht mehr dazu gehört – und zum großstädtischen Bildungsbürgertum schon gar nicht. Aber diese Zerrissenheit scheint niemand zu merken, außer ihre einstige Jugendliebe (Max Riemelt) vielleicht.

„Alle reden übers Wetter“ wird somit zu einer weiblichen Midlife-Crisis-Geschichte über eine Doktorandin, die ausgebrochen ist und die Suche nach sich selbst und der Selbstbestimmtheit zum Lebenprinzip erhoben hat. Darin ist er dem energiegeladeneren „Der schlimmste Mensch der Welt“, der zuletzt sogar für den Oscar nominiert war, nicht unähnlich, wenn auch mit wesentlich weniger filmischer Energie und mehr deutscher Realismus-Tristesse. Unaufgeregt, zuweilen auch etwas belanglos, dann wieder schmerzhaft-deutlich, dreht sich der Film um Klassenaufstieg und die Entfremdung von der Herkunft. „Wie hoch ist der Preis, den sie dafür zahlen muss?“ fragt sich der Filmtext. Auch wenn der Abschlussfilm des vergangenen Crossing-Europe-Festivals diese Frage am Ende doch ein wenig zu vordergründig stellt, gelingt Pinske ein kleines, feines Debüt, das von seiner großartigen Hauptdarstellerin Anne Schäfer getragen wird.

📽️​ Video | Trailer: Alle reden übers Wetter

Info

Alle reden übers Wetter. Ab 16 Jahren. Derzeit in den Kinos.

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