Seidl kommt doch nicht zur Weltpremiere von „Sparta" in San Sebastián
„Mir wurde klar, dass meine Anwesenheit bei der Premiere die Rezeption des Films überschatten könnte, während es jetzt an der Zeit ist, dass 'Sparta' für sich selbst spricht", begründete der Regisseur seine Entscheidung.
San Sebastian, Wien – Der österreichische Kultregisseur Ulrich Seidl reist am morgigen Sonntag nun doch nicht zur Weltpremiere seines ob der Drehumstände umstrittenen neuen Films „Sparta" zum Filmfestival von San Sebastián. Dies teilte der Filmemacher am Samstagmorgen in einem Statement mit. „Der erste Impuls, nach San Sebastián zu kommen, war, den Film, an dem mein Team und ich so viele Jahre gearbeitet haben, nicht allein zu lassen", so der 69-Jährige.
„Mir wurde jedoch klar, dass meine Anwesenheit bei der Premiere die Rezeption des Films überschatten könnte, während es jetzt an der Zeit ist, dass 'Sparta' für sich selbst spricht", begründete der Regisseur seine Entscheidung. Zugleich bedankte er sich bei Festivaldirektor José Luis Rebordinos: „Ich bin José Luis Rebordinos sehr dankbar, dass er von Anfang an zu 'Sparta' gestanden hat, trotz des Drucks der Medien und trotz der großen Turbulenzen, die plötzlich damit einhergingen. Das bedeutet mir sehr viel."
„Herausragender, sehr eleganter Film"
Rebordinos hatte zuletzt im APA-Interview eine Lanze gebrochen für das Drama um einen Mann, der mit seinen pädophilen Neigungen kämpft: „Es ist nicht nur eine von Seidls besten Arbeiten überhaupt. Mit der Premiere werden hoffentlich auch die ganzen Debatten um die Dreharbeiten endlich in den Hintergrund treten. Es ist ein herausragender, sehr eleganter Film und alles, was den Betrachter verstören oder schockieren könnte, ist im Off."
Entscheidungen wie die der Kollegen vom Festival in Toronto, den Film nicht zu zeigen, halte er für falsch: „Es wird gefährlich, wenn Filmfestivals aufgrund medialen Drucks und bloßer Anschuldigungen ohne Belege anfangen, vom Schuldprinzip und nicht vom Unschuldsprinzip auszugehen." Auch nach Seidls persönlicher Absage bleibe der Film selbstredend im Wettbewerb. Man akzeptiere die Entscheidung des Filmemachers, hieß es von der Festivalleitung am Samstag gegenüber der APA.
Seidl wies Vorwürfe aufs Schärfste zurück
In „Sparta", der nun am Sonntagabend in San Sebastián im Wettbewerb seine Weltpremiere feiert, spielt Georg Friedrich einen Mann mit pädophilen Neigungen. Auch Friedrich dürfte nun nach jetzigem Stand nicht nach San Sebastián reisen. Durch eine Recherche des deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel wurden Vorwürfe laut, Seidl habe die minderjährigen rumänischen Laiendarsteller des Werks ohne ausreichende Betreuung und Unterrichtung der Familien mit Szenen rund um Alkoholismus, Gewalt und Nacktheit konfrontiert. Seidl wies die Vorwürfe aufs Schärfste zurück und kündigte rechtliche Schritte an. Zuletzt gab es in den österreichischen Wochenmedien Falter und profil weitere be- und entlastende Stimmen aus Seidls Umfeld.
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Auch am Samstag stellte das profil die Reaktion weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Seidl online. „Sparta"-Produktionsleiter Steven Swirko unterstreicht dabei etwa: „Die Eltern wussten, worauf sie sich einließen." Es stimme schlicht nicht, „dass wir uns schlecht um die Kinder gekümmert hätten". Zahlreiche der gemachten Vorwürfe hätten sich anders abgespielt. Auch Editorin Monika Willi springt Seidl zur Seite, kenne sie doch zumindest alle Vor- und Nachläufe einzelner Aufnahmen: „Ich habe da nichts Verdächtiges gesehen." Zu viel Druck der Regie auf die Kinder habe sie nicht wahrgenommen: „Ich kenne die Stimmung am Set durch das Material. Da ist nichts Auffälliges, nichts Bedrohliches, nichts Bedenkliches."
Serafin Spitzer, im Sommer als Kameramann für „Sparta" engagiert, unterstreicht gegenüber profil, Seidl weder verurteilen zu wollen, noch sei er in der Position, ihn zu verteidigen. Grenzen seien individuell verschieden, und er sei „davon ausgegangen, dass auch darauf individuell eingegangen wurde. Ob diese Annahme berechtigt war, weiß ich nicht, aber ohne dieses Vertrauen in die Regie könnte ich meine Arbeit nicht machen. Es war mir gar nicht möglich, je in eine Beobachterrolle außerhalb der Arbeit zu gelangen. Im Nachhinein beschäftigt mich das sehr." (APA)