Anti-Teuerungs-Demo: Lauter Ruf nach weiteren Entlastungen
Tirols ÖGB-Chef Wohlgemuth forderte gestern erneut Preissenkungen, Solidarität auf Twitter vom Bundespräsidenten.
Von Verena Langegger
Innsbruck, Wien –Rund 750 Menschen ließen sich gestern Nachmittag vom kalten Wetter nicht abschrecken und marschierten vom Innsbrucker Hauptbahnhof zum Marktplatz, um gegen die Teuerung zu demonstrieren. Österreichweit protestierten über 32.600 Menschen. Der Zug wurde auch von einer Band begleitet – das Streetnoise Orchestra sorgte für Rhythmus. „Wir spielen öfter auf Demos“, erklärte Bandmitglied Leo: „Aber wir müssen uns auch mit den Demo-Inhalten identifizieren.“ Die Teuerung betreffe jeden, die Teilnahme an der ÖGB-Demonstration sei einstimmig erfolgt.
In allen neun Bundesländern setzte der Gewerkschaftsbund mit Protestmärschen im Kampf gegen die Preisexplosionen bei Energie, Sprit und Lebensmitteln ein Zeichen. „Die Zeit des Abwartens ist vorbei“, sagte Tirols ÖGB-Vorsitzender Philip Wohlgemuth in seiner Rede bei der Schlusskundgebung am Innsbrucker Marktplatz. Die Politik müsse endlich handeln. Die derzeitigen Maßnahmen seien zu wenig und – vor allem – zu spät.
📽 Video | ÖGB konnte über 32.000 Menschen zu Anti-Teuerung-Demo mobilisieren
„Wenn bald in vielen Familien die Frage lautet: ‚Essen oder heizen?‘, dann dreht sich mir der Magen um“, sagte Wohlgemuth. Einmal mehr wurde die Bundesregierung aufgefordert, sofort preissenkende Maßnahmen zu treffen. Etwa mit Übergewinnsteuer, Energiepreisdeckel für alle Wärmesysteme sowie der vorübergehenden Streichung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel.
Zudem müsse eine Anti-Teuerungs-Kommission in allen Bereichen tätig werden, um zu gewährleisten, dass Steuersenkungen weitergegeben werden, und um Preistreiberei zu verhindern. In sozialen Medien hatten sich auch Rechtsextreme bzw. Corona-Leugner sowie Vertreter aus der autonomen Szene bei der Demonstration in Innsbruck, aber auch in Wien und anderen österreichischen Städten angekündigt. Der Innsbrucker Demo-Zug wurde von einem Großaufgebot an Polizei begleitet, zu Ausschreitungen kam es aber nicht. Es sei lediglich zu einer „Diskussion mit einem Teilnehmer gekommen“, erklärte Roland Müller vom ÖGB Tirol.
Vor allem von den rechtsradikalen Gruppierungen hat sich der ÖGB im Vorfeld deutlich distanziert und eine enge Kooperation mit der Exekutive betont. Auch in Wien konnten zunächst keine Zwischenfälle beobachtet werden. Rechtsextreme oder Corona-Leugner traten zumindest öffentlich vorerst nicht in Erscheinung.
Der ÖGB bekam unmittelbar vor Beginn der Demonstrationen auch Unterstützung von höchster politischer Stelle. Bundespräsident Alexander Van der Bellen teilte auf Twitter mit, dass er die Anliegen der Kundgebungen unterstütze. Er werde sich weiter mit voller Kraft dafür einsetzen, dass die Gemeinschaft solidarisch handle und niemanden zurücklasse.
Der Pensionistenverband war gestern ebenfalls dabei. Gerda aus Innsbruck klopfte mit dem Kochlöffel auf einen Kochtopf und sagte: „Man muss manchmal auch selber demonstrieren.“ Vorgezogene Sonderkollektivvertragsverhandlungen forderte Roman Hebenstreit von der Gewerkschaft vida vor Start der Herbstlohnrunde. „Die Löhne müssen jetzt steigen, denn die Beschäftigten müssen mit ihren Einkommen gut auskommen und leben können.“ Es werde an den Sozialpartnern liegen, einen Rettungsschirm zu öffnen. Übergewinnsteuern sollten Maßnahmen gegen die Teuerung finanzieren. Auch Wohlgemuth bezeichnete die Besteuerung von Übergewinnen als „alternativlos“.
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