Selenskyj: In zurückeroberten Gebieten schnell vorangehen
Der Präsident der Ukraine will vor den Vereinten Nationen mehr Waffen fordern. Kiew meldet weiteren Vormarsch in Luhansk. London berichtet, dass Moskau U-Boote von Krim abzieht.
Kiew – Kiew will sich darauf konzentrieren, in den zurückeroberten Gebieten schnell voranzukommen. Die ukrainischen Truppen müssten sich weiterhin schnell bewegen, das normale Leben schnell wiederhergestellt werden, forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Unterdessen sollen bei einem ukrainischen Angriff auf ein Dorf in Luhansk nach russischen Angaben sieben Menschen getötet worden sein.
Die russische Nachrichtenagentur Tass berichtete unter Berufung auf die dort von Russland eingesetzten Behörden, der Angriff habe Krasnoritschenske gegolten. Der Ort liegt zwischen den Städten Swatowe und Sjewjerodonezk. In der Nähe verläuft eine der wenigen noch funktionierenden Haupt-Nachschublinien aus der russischen Grenzregion Belgorod.
In seiner Rede hatte Selenskyj außerdem angedeutet, dass er am Mittwoch in einer Videoansprache vor den Vereinten Nationen auch die Beschleunigung von Waffenlieferungen und Hilfsleistungen anderer Länder fordern werde. „Wir tun alles, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Ukraine auf allen Ebenen – Verteidigung, Finanzen, Wirtschaft, Diplomatie – erfüllt werden", sagte er.
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Ukrainische Soldaten dringen inzwischen weiter nach Osten in von russischen Truppen aufgegebenes Gebiet vor. Der ukrainische Gouverneur der von russischen Streitkräften kontrollierten Region Luhansk, Serhij Hajdaj, schrieb auf Telegram, die Streitkräfte hätten die vollständige Kontrolle über das Luhansker Dorf Bilohoriwka wiedererlangt und bereiteten sich auf den Kampf um die Rückeroberung der gesamten Provinz vor. Es werde um jeden Zentimeter gekämpft werden: „Der Feind bereitet seine Verteidigung vor. Wir werden also nicht einfach einmarschieren."
Putin fordert Steigerung der Rüstungsproduktion
Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine hat Kremlchef Wladimir Putin eine deutliche Steigerung der Rüstungsproduktion gefordert. "Die Organisationen der Rüstungsindustrie müssen in kürzester Zeit die Lieferung der nötigen Waffen, Technik und Bekämpfungsmittel an die Streitkräfte gewährleisten", forderte Putin am Dienstag auf einer Sitzung mit den Chefs der russischen Rüstungsunternehmen. Gleichzeitig sei es nötig, bei der Waffenproduktion auf Importe zu verzichten.
Putin erklärte zwar, dass russische Waffen sich den westlichen als ebenbürtig erwiesen hätten. Doch gleichzeitig behauptete er, dass "alle Reserven der NATO-Arsenale" im Krieg eingesetzt würden. Daher "müssen wir qualitativ unsere Möglichkeiten stärken und ausgehend von der gewonnenen Erfahrung dort, wo nötig, unsere Technik und Waffen vervollkommnen", sagte der 69-Jährige.
Aus der Region Cherson im Süden des Landes meldeten die ukrainischen Truppen die Versenkung eines Lastkahns. Russische Truppen hätten damit versucht, Truppen und Ausrüstung über einen Fluss bei Nowa Kachowka zu transportieren. „Versuche, eine Pontonbrücke zu bauen, hielten dem Beschuss der ukrainischen Streitkräfte nicht stand und wurden abgebrochen. Der Kahn ... wurde zu einer Ergänzung der U-Boot-Truppe der Besatzer", postete das Militär auf Facebook.
Wegen der Gefahr ukrainischer Angriffe hat Russland unterdessen nach Einschätzung der britischen Geheimdienste seine U-Boote der Kilo-Klasse von der annektierten ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim abgezogen. Die Schiffe der Schwarzmeerflotte seien aus ihrem Heimathafen Sewastopol in die südrussische Hafenstadt Noworossijsk verlegt worden, hieß es in London. Die Kilo-Klasse sind konventionell betriebene U-Boote vor allem aus den 80er Jahren. Die russische Schwarzmeerflotte ist traditionell auf der Krim stationiert.
Grund der Verlegung sei höchstwahrscheinlich, dass die ukrainische Fähigkeit zu Angriffen über weitere Distanz zugenommen habe und sich deshalb die Sicherheitslage auf der Krim verändert habe, hieß es in London. „In den vergangenen zwei Monaten wurden das Flottenhauptquartier und dessen Hauptflugplatz angegriffen."
Truss verspricht Ukraine für 2023 mindestens gleiche Hilfe
Vor ihrer Rede bei der UNO-Generalversammlung hat die britische Premierministerin Liz Truss der Ukraine für nächstes Jahr Militärhilfe in Höhe von mindestens 2,3 Milliarden Pfund (2,6 Mrd Euro) versprochen. Die britische Unterstützung werde mindestens dieselbe Summe wie in diesem Jahr erreichen, kündigte die neue Regierungschefin am Dienstag an. Das Hilfspaket dürfte auch Rüstungsgüter wie die von der Ukraine geforderten Mehrfachraketenwerfer umfassen.
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„Meine Botschaft an die Menschen in der Ukraine lautet: Das Vereinigte Königreich wird weiterhin auf Schritt und Tritt hinter Ihnen stehen. Ihre Sicherheit ist unsere Sicherheit", sagte Truss der Mitteilung zufolge. „Die Siege der Ukraine in den vergangenen Wochen waren inspirierend. Immer wieder haben diese tapferen Menschen den Zweiflern die Stirn geboten und gezeigt, was möglich ist, wenn sie die militärische, wirtschaftliche und politische Unterstützung erhalten, die sie benötigen."
Großbritannien hat der Ukraine nach eigenen Angaben bisher unter anderem Hunderte Raketen, fünf Flugabwehrsysteme, 120 gepanzerte Fahrzeuge und mehr als 200.000 Ausrüstungsgegenstände wie Nachtsichtgeräte geliefert. Zudem seien seit 2015 insgesamt 27.000 ukrainische Soldaten ausgebildet worden. (APA/Reuters, dpa)