Energiekrise

EU-Vertreter beruhigt: Wir werden im Winter nicht frieren müssen

Martin Selmayr sieht die Situation für den heurigen Winter weniger düster als befürchtet.
© GEORG HOCHMUTH

Bürgerinnen und Bürger der EU müssten nicht fürchten, im heurigen Winter ob der Energiekrise frieren zu müssen. Das sagt zumindest der Vertreter der EU-Kommission in Österreich Martin Selmayr. Diese Einschätzung gelte, "wenn wir soldarisch und sparsam sind", so Selmayr.

Wien – Die Gasspeicher in der EU sind bereits zu 86 Prozent gefüllt, in Österreich zu 75 Prozent und in vielen Teilen Europas zu weit über 90 Prozent, sagt der Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr. "Wir werden in diesem Winter, wenn wir solidarisch und sparsam sind, nicht frieren müssen", sagte Selmayr am Donnerstag beim "Oesterreichs Energie Kongress 2022" in Wien. Man müsse aber auch an den nächsten und übernächsten Winter denken.

Wichtig sei es, sich im Winter, wenn das Gas knapp wird, auch über die Grenzen auszutauschen. "Österreich ist ja das Paradebeispiel einer vernetzten Volkswirtschaft, wo im Westen und im Osten Österreich mit dem Rest Europas eng zusammenarbeitet. Ein nationaler Alleingang wäre sicherlich fatal."

Im europäischen Energiemix habe Erdgas einen Anteil zwischen 25 und 30 Prozent, davon seien vor der russischen Invasion der Ukraine etwa 40 bis 45 Prozent aus Russland gekommen, sagte Selmayr. In Österreich betrage der Gas-Anteil am Energiemix 22,7 Prozent, davon seien zu Beginn des Konfliktes 80 Prozent von Russland bezogen worden.

Nur noch 9 Prozent des Gases derzeit aus Russland

Anfang des Sommers habe die EU-Kommission ihr REPowerEU-Paket vorgelegt. Dieses diene dazu, die Erdgaslieferungen zu diversifizieren, die Gasnachfrage zu reduzieren und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Erste Fortschritte seien diesbezüglich bereits erkennbar: Heute importiere die EU nur noch 9 Prozent des benötigten Gases aus Russland. Selmayr verwies auf die gemeinsame Einkaufsplattform der EU für Erdgas: "Diese sollte man verstärkt nutzen." Überdies empfehle sich, der EU-Kommission ein stärkeres Mandat für die Gasbeschaffung zu erteilen.

Beim Ausbau der erneuerbaren Energien wiederum sei es notwendig, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Ein Windkraftwerk zu errichten, dauere zurzeit mehr als neun Jahre, für ein Solarkraftwerk seien mehr als vier Jahre zu veranschlagen. "Wir schlagen vor, das auf sechs bis zwölf Monate zu reduzieren." Selmayr lobte in diesem Zusammenhang den Entwurf der Novelle zum österreichischen Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Gesetz).

Energiesparen wird immer wichtiger

"Extrem wichtig" ist laut Selmayr das Energiesparen. "Ich bin froh, dass die österreichische Regierung eine starke Kampagne macht." Wenn europaweit die Thermostate um ein Grad Celsius heruntergedreht würden, könnten 10 Mrd. Kubikmeter Erdgas eingespart werden – das ist mehr als der jährliche Gasbedarf Österreichs.

Die hohen Gewinne vieler Energieunternehmen derzeit seien "nicht normal, sondern zu einem großen Teil auf die manipulativen Vorgehensweisen von Wladimir Putin zurückzuführen", meinte Selmayr. "Deshalb hat die Kommission ein Instrument vorgeschlagen, wie man differenziert hier abschöpfen kann." Man habe den Abschöpfungspreis bei 180 Euro pro Megawattstunde angesetzt. "Mir sagen die Experten, dass das relativ großzügig ist." Die Produktionskosten und normale Gewinne würden bei etwa 150 Euro je MWh liegen.

Selmayr sieht Einigung auf Modell für Übergewinne am Horizont

"Aber ich verstehe, dass das keine populäre Maßnahme ist, sie ist deshalb befristet und sie soll natürlich dazu dienen, um in dieser Zeit schnell die Verbraucher zu entlasten, aber auch Investitionen in erneuerbare Energien und in den Ausbau der Netze zu bringen." Die Kosten müssten solidarisch finanziert werden. "Das gilt übrigens auch für die fossilen Anbieter, die ebenfalls eine Solidarleistung in dieses Paket hineinzubringen haben. Wir rechnen etwa mit 140 Mrd. Euro, die so zustande kommen, und es zeichnet sich unter den Ministern der Mitgliedsstaaten eine Einigung auf das Grundmodell ab." Er gehe davon aus, dass sie am 30. September von den Energieministern verabschiedet werden, wobei Korrekturen noch möglich seien.

Ratsam wäre es laut Selmayr, die Preisentwicklung an der niederländischen Gasbörse TTF nicht länger als Richtschnur für die europäischen Großhandelspreise zu nutzen, da dieser Preis vor allem die Kosten für Pipelinegas widerspiegele. In Hinkunft werde sich Europa jedoch hauptsächlich mit verflüssigtem Erdgas (LNG) versorgen: "Wir brauchen einen anderen Richtwert. Das wäre auch eine ziemlich schnelle und intelligente Maßnahme, die die Verwendung von Erdgas als Waffe durch Putin entschärfen würde." (APA)

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