Film

Doppeltes Spiel: „Peter von Kant“ von François Ozon

Hanna Schygulla war in zahlreichen Fassbinder-Filmen zu sehen. Auch in „Peter von Kant“ hat sie einen Auftritt.
© Polyfilm

Starregisseur François Ozon legt mit „Peter von Kant“ eine Hommage an sein Vorbild Rainer Werner Fassbinder vor. Im Leokino ist am Sonntag auch das Original zu sehen.

Von Marian Wilhelm

Innsbruck – Rainer Werner Fassbinder ist eines der Idole von Frankreichs Star-Regisseur François Ozon. In der Pandemie hat Ozon dem wohl einflussreichsten deutschen Nachkriegsregisseur nun mit seinem Film „Peter von Kant“ eine Hommage gewidmet.

„Peter von Kant“ ist gewissermaßen ein Remake eines Fassbinder-Films und Fassbinder-Bio-Pic in einem. Ozon wechselt in seiner Variante die Geschlechter von Fassbinders Drama „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ aus und erzählt die homosexuelle Liebes-Geschichte im Jahr 1972 zugleich als biografischen Kommentar auf Rainer Werner Fassbinder selbst. Ozons Film eröffnete heuer die Berlinale – 50 Jahre nachdem Fassbinders Film bei den Berliner Filmfestspielen zur Uraufführung kam.

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Titelfigur Peter ist Rainer, ein berühmter Regisseur – statt einer Modedesignerin wie Petra von Kant. Der Filmemacher ist zwar erfolgreich, aber psychisch und physisch kaputt. Ein devoter Diener namens Karl steht dem manischen Alkoholiker in seinem Kölner Atelier zur Seite. Dort spielt auch das gesamte Kammerspiel. Beim Besuch seiner einstigen Muse Sidonie (toll: Isabelle Adjani, die auch singt) lernt er den jungen Schauspieler Amir (Khalil Ben Gharbia) kennen. Amir ben Salem ist das Spiegelbild von Fassbinders Partner El Hedi ben Salem – oder auch dessen früher Liebe Günther Kaufmann, der „Die bitteren Tränen“ inspiriert haben soll. Die Liebe mit Amir beginnt idyllisch, doch im dritten Akt, nach neun Monaten und gemeinsamen Filmprojekten, will Amir mehr und verlässt seinen Mentor. Peter/Fassbinder stürzt in eine verzweifelt-destruktive Phase, aus der ihn am Ende nur seine Mutter mit einem deutschen Einschlaflied holen kann – eine wunderbare Szene für Hanna Schygulla, die einst die junge Liebhaberin von Petra von Kant spielte.

Hauptdarsteller Denis Ménochet wirft sich mit viel Energie in diese Ungustl-Rolle, ist jedoch zu elegant für einen echten Fassbinder-Doppelgänger. François Ozons Vexierspiel zwischen Fassbinder-Porträt und dialog-getreuer Variation auf seinen Film funktioniert. Doch der Wechsel ins Französische ändert die Stimmung deutlich. Ohne den Mut zum filmischen Pathos, für den Fassbinder sich einst bei Douglas Sirk inspirierte, schlägt Ozon eher eine moderne Tonlage an. „Ich nutzte im Stil eine Theatralität, die französischer, fast boulevardesker ist. Einen Schuss Boulevard gibt es auch in Fassbinders Werk, aber dieser ist epischer, wie bei Brecht, und mehr auf Distanz“, sagt der Regisseur. Fassbinders Film sei artifiziell, was sie wiederum schön mache, so Ozon. „Aber mein Ziel war es, sie realer für das heutige Publikum zu machen. Diese Tränen sollen geteilt und nicht nur bewundert werden.”

Ein in die Gegenwart geholtes Remake der „Petra von Kant“ bot sich schon durch die pandemischen Voraussetzungen an. Auch „Peter von Kant“ ist die auf einen Raum begrenzte Erforschung von Begehren und Obsessionen als theaterhaftes Kammerspiel. Auch Ozon spielt mit dem Unbehagen erstarrter Posen – und wagt sich dabei nahe an das, was man gemeinhin als „Kitsch“ aburteilt. Was die Begegnung mit „Peter von Kant“ nicht nur, aber gerade für Theater- und Fassbinder-Fans interessant macht.

Info

Peter von Kant. Ab 16 Jahren. Derzeit in den Kinos.

Tragödie in fünf Akten: "Petra von Kant"

Rainer Werner Fassbinders auf seinem gleichnamigen Fünfakter inszeniertes Kinokammerspiel „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ ist eine formstrenge und melodramatische Versuchsanordnung, die – wie zumeist beim frühen Fassbinder – auch autobiografisch ausdeutbar ist. In der opulenten Wohnung einer Modemacherin (Margit Carstensen) werden Begehren, Abhängigkeit, Sehn- und Eifersucht unter Frauen verhandelt – dazu erklingen schaurig-schöne Eskalations-Schlager, unter anderem von The Walker Brothers. (jole)

Die bitteren Tränen der Petra von Kant. Sonntag, 25. September, 11.20 im Leokino.

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