Wien

David Böschs „Volksfeind": Erst die Therme, dann keine Moral

Günter Franzmeier als Populist und Bürgermeister Stockmann.
© Hofmann

Mit „Ein Volksfeind“ startet David Bösch seine Ibsen-Trilogie an der Josefstadt.

Wien – Nora? Oder Hedda? Sollte das schon eine Andeutung sein, was noch an Ibsen-Stücken von Regisseur David Bösch am Theater in der Josefstadt zu erwarten ist, oder sind es doch nur die Namensüberlegungen für das Kind, das Kathrin (Martina Ebm), die Gattin des Kurarztes Thomas Stockmann (Roman Schmelzer), erwartet – mit ironischem Schwenk auf den norwegischen Dramatiker?

Allemal gab Bösch, der vor einigen Jahren am Burgtheater mit seinen Auslegungen von Kroetz, Nestroy oder Schwab reüssierte wie auch leise polarisierte, am Donnerstag mit der umjubelten Premiere von „Der Volksfeind“ sein Debüt an Herbert Föttingers Haus. Ein ambivalenter Einstand, den man wohl insgesamt als durchaus gelungen, wenn auch streckenweise als seltsam verhalten und brav empfinden musste. Souverän ist der Umgang mit Henrik Ibsens 1882 uraufgeführtem Drama, der auf einige Figuren verzichtet, Szenen und Vorgängen einen etwas anderen Charakter verleiht, generell mit pausenlosen 110 Minuten das Auslangen findet und trotzdem das Anliegen des Autors präzise verfolgt.

Zum „Volksfeind“ wird Thomas Stockmann, als er das groß angelegte Thermenausbau-Projekt seines Bruders, des Bürgermeisters Peter Stockmann (Günter Franzmeier), wegen von ihm aufgedeckter Verunreinigung durch Industrieabwässer, übrigens aus dem Werk des Schwiegervaters, stoppen will. Ibsen zeigt auf, dass der Künder der Wahrheit in Windeseile zum Opfer werden kann, wenn „am Ende des Tages“ Dorfkaiser wie Großinvestoren „Geld in die Hand nehmen“ und zum „Wohl der Bevölkerung“ diese in den von Kapitalinteressen gesteuerten Würgegriff nehmen. Des Bruder-Politikers Bitte um Diskretion mündet rasch in Erpressung, der Thomas nur hilflos begegnen kann, die Presse (Vertreter des Volksboten: Oliver Rosskopf, André Pohl, Jakob Elsenwenger) knickt ein und der Schwiegervater (Johannes Seilern) macht mit dem Kauf der fallenden Thermen-Aktien ein Geschäft.

Schnörkellos und wie erwähnt etwas verhalten bringt ein achtbares Ensemble diese sehr heutige Geschichte auf Patrick Bannwarts Drehbühne, die ansprechend von Baustelle zu Kommunalpolitiker-Büro oder Redaktion wechselt und wo mittels Werbevideos und wahrhaft plakativer Plakate die Gier bebildert wird. (lietz)

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