Inflation

Teuerung: Hohe Einkommen profitieren von Entlastung überproportional

Geringverdiener profitieren weniger von den Entlastungen als einkommensstarke Haushalte.
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Laut Berechnungen vom Momentum Institut wird ein Haushalt im untersten Einkommensfünftel 2023 mit insgesamt 454 Euro pro Kopf unterstützt. Bei einem Haushalt im obersten Einkommensfünftel seien es hingegen 749 Euro. Das Finanzministerium widerspricht der Darstellung.

Wien – Hohe Einkommen profitieren von den Antiteuerungsmaßnahmen stärker als niedrigere. Zu diesem Schluss kommt das gewerkschaftsnahe Momentum Institut nach Analyse der Maßnahmen wie Strompreisbremse, Valorisierung der Sozialleistungen und Abschaffung der Kalten Progression auf ihre Verteilungswirkung hin. Dabei seien einkommensschwache Haushalte besonders von der Teuerung betroffen und benötigten mehr Hilfe, hieß es. Das Finanzministerium weist diese Darstellung zurück.

Laut Berechnungen von Momentum wird ein Haushalt im untersten Einkommensfünftel 2023 mit insgesamt 454 Euro pro Kopf unterstützt. Bei einem Haushalt im obersten Einkommensfünftel seien es hingegen 749 Euro. Nicht nur, dass einkommensschwache Haushalte besonders von der Teuerung betroffen seien, sei eine allgemeine Stärkung der Nachfrage auch ein Inflationstreiber. Geht es nach den Experten von Momentum wäre es wichtiger, notwendige Hilfe für ärmere Haushalte mit höheren Einnahmen bei Vermögenden, Konzernen und Spitzenverdienern gegenzufinanzieren.

Während die geplante Strompreisbremse alle Haushalte in etwa gleich stark entlaste, bringe die Abschaffung der Kalten Progression den oberen Einkommen deutlich mehr. Momentum-Berechnungen zufolge spart sich ein Haushalt im untersten Einkommensfünftel dadurch etwa 80 Euro pro Kopf, ein Haushalt im reichsten Einkommensfünftel hingegen fast 440 Euro. Aus verteilungspolitischer Sicht sei die Abschaffung der Kalten Progression "schlimmer als die berüchtigte Gießkanne", findet Momentum-Chefökonom Oliver Picek.

Auswertung des Finanzministeriums zeigt anderes Bild

Für einkommensschwache Haushalte gleichen die drei Maßnahmen die Teuerung nicht aus, zudem verpuffen laut Picek die Einmalzahlungen im heurigen Jahr: "Umso wichtiger sind deshalb substanzielle Lohn-und Pensionserhöhungen, um die teuerungsbedingten Mehrkosten der Haushalte auffangen zu können." Viel abgewinnen kann der Ökonom auch einer Gaspreisbremse nach deutschem Vorbild.

Eine Auswertung des Finanzministeriums für das heurige Jahr unter Einbeziehung der ökosozialen Steuerreform inklusive Klimabonus sowie diverser Energiemaßnahmen zeige ein anderes Bild. Demzufolge profitieren besonders niedrige Einkommen von den Entlastungsmaßnahmen, wie das Finanzministerium festhält. Die Inflation werde bis zu einem Gehalt von 2000 Euro brutto pro Monat mehr als abgegolten, und dieser Wert sinke mit höherem Einkommen.

Wenn Familienleistungen und Pendlerunterstützungen dazugerechnet werden, werde die Inflation auch bei höheren Gehältern großteils abgedeckt, hieß es. "Globale Entwicklungen können wir nie zu 100 Prozent ausgleichen", räumte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ein. Die Regierung federe die Auswirkungen der Teuerung aber "so gut es geht" ab. Zudem wirkten die Hilfen "zielgerichtet bei jenen, die die Unterstützung am dringendsten brauchen", zeigte sich Brunner überzeugt. (APA)

Kindergärtnerinnen nehmen Belastung bei Familien wahr

Auch Kindergarten-Fachkräfte nehmen die Belastung vieler Familien durch die aktuelle Teuerung wahr. Rund 16 Prozent der Pädagoginnen und Pädagogen bemerkten dies in ihrer Einrichtung "stark", 45 Prozent "ein wenig", zeigt eine am Montag präsentierte Studie von Volkshilfe und Kinderfreunden. Viele Fachkräfte fühlen sich für den Umgang mit armutsbetroffenen Familien nicht ausreichend ausgebildet.

Laut aktuellen Zahlen sind in Österreich 368.000 Kinder und Jugendliche von Armut betroffen - die derzeitige Teuerung ist dabei noch gar nicht inkludiert, meinte Judith Ranftler von der Volkshilfe bei einer Pressekonferenz. In der Praxis äußere sich das dadurch, dass sich deren Familien materielle Dinge wie Kindergartenkosten, Ausflüge oder Hortbeiträge nur schwer leisten können. Dazu komme, dass sie im sozialen Bereich weniger Kontakte und Freundschaften haben, im Regelfall kürzere Bildungsverläufe und eine schwierigere gesundheitliche Situation.

Für ihre Studie befragten die beiden SPÖ-nahen Organisationen im August und September 540 Kindergarten-Fachkräfte online, wobei die Bundesländer nicht gleichmäßig vertreten waren. So kamen rund 56 Prozent der Respondentinnen und Respondenten aus Wien, aus Vorarlberg und dem Burgenland dagegen kaum Antworten.

Im Arbeitsalltag wurden Kinder- bzw. Familienarmut vor allem bei der Ausstattung der Kinder (59 Prozent), der Kindergartengebühr (43 Prozent), den Kosten für Zusatzangebote wie etwa Englisch (41 Prozent) und Zahlungsproblemen bei den Betreuungskosten (38 Prozent) wahrgenommen. Immerhin knapp ein Viertel hat im Kindergartenjahr 2021/22 bereits erlebt, dass ein Betreuungsplatz gekündigt wurde, weil die Familie die Betreuung nicht mehr bezahlen konnte.

Viele Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen fühlen sich auch für den Umgang mit armen Familien durch ihre Ausbildung nicht ausreichend vorbereitet: 35 Prozent nannten ihre Vorbereitung darauf "nicht genügend", 20 Prozent griffen zum "genügend". "Gut" ausgebildet fühlten sich nur 15 Prozent, 25 Prozent bewerteten dies "befriedigend".

Laut Kinderfreunde-Vorsitzendem Jürgen Czernohorszky nimmt die Familienarmut zu - das sehe man in der täglichen Arbeit in den Einrichtungen. "Die beste Waffe gegen Armut ist, sie abzuschaffen." Daher unterstütze man auch das Volkshilfe-Modell der Kindergrundsicherung. Für die Kindergärten brauche es außerdem eine Mrd. Euro als "Akutpaket", bundeseinheitliche Standards sowie eine Reform der Ausbildung – das derzeitige Modell führe dazu, dass es zu wenig Personal gibt.

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