Innenpolitik

Wirtschaftsforscher zum Krisenbudget: „Können uns Gießkanne nicht leisten"

Christoph Badelt, Wirtschaftsforscher und Chef des Fiskalrates.
© APA/Schlager

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hält heute seine erste Budgetrede. Der Staatshaushalt steht im Zeichen von Krieg und Energiekrise. Wirtschaftsforscher Badelt kritisiert die mangelnde soziale Treffsicherheit vieler Maßnahmen.

Von Wolfgang Sablatnig

Wien – Wie lange können wir uns das alles leisten? Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) stellt heute im Nationalrat sein erstes Budget vor – mit einem den Folgen von Ukraine-Krieg und Energiekrise geschuldeten Rekorddefizit. Christoph Badelt, Wirtschaftsforscher und Chef des Fiskalrates, rückt die Frage im Gespräch mit der TT dennoch zurecht: „Maßnahmen, die soziale Not verhindern, müssen wir uns einfach leisten, weil sonst eine Situation eintritt, die sozial und wirtschaftlich noch ärger wäre, wie man in der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts gesehen hat.“ Einen massiven Einwand hat Badelt aber doch: „Was wir uns nicht leisten können, ist das Gießkannenprinzip.“

Der Wirtschaftsforscher spricht damit die mangelnde soziale Treffsicherheit vieler Maßnahmen an, die dadurch noch teurer würden. Es profitieren auch Personen und Haushalte, die auf die staatlichen Hilfen nicht angewiesen sind. Am Beispiel des Strompreisdeckels hat der Fiskalrat gerechnet. Badelt: „Wir glauben, man hätte zwei Drittel einsparen können.“ Allein diese Einsparungen wären beträchtlich: Die Regierung gibt die Kosten der Strompreisbremse mit drei bis vier Milliarden Euro an.

Treffsicherheit „leichter gefordert als gemacht“

Badelt räumt freilich ein, dass die Treffsicherheit „leichter gefordert als gemacht“ ist. Das Problem sei, dass Daten von verschiedenen Behörden und Stellen nicht miteinander verknüpft seien – etwa dann, wenn eine Unterstützung vom verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen abhängig sein sollte.

Dieses Problem sei aber auch nicht mehr neu, drängt der Wirtschaftsforscher auf rasche Fortschritte in dieser Frage. Habe er Hinweise seitens der Politik, dass entsprechende Anstrengungen unternommen würden? Badelt: „Es wird mir immer wieder versichert, dass man sich darum kümmert.“

Brunner lässt sich die Zahlen für den Staatshaushalt 2023 noch vom Ministerrat absegnen, bevor er sie heute mit der Budgetrede offiziell macht. Der Austria Presse Agentur liegen die Eckdaten aber bereits vor. Ausgaben von 107,5 Milliarden Euro sollen im kommenden Jahr Einnahmen von 84,4 Milliarden Euro gegenüberstehen – es fehlen also mehr als 23 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im ersten Corona-Jahr 2020 betrug das Defizit 22,5 Milliarden Euro.

Das international vergleichbare „Maastricht-Defizit“ soll nächstes Jahr bei drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen und bis 2016 auf 1,6 Prozent sinken.

Die intensive Arbeit am Budget lief seit Mitte August – zuerst zwischen Beamten, ab September auch mit den Regierungsmitgliedern. Die heutige Rede stellt Brunner unter das Motto „Aus Verantwortung für morgen – sicher in die Zukunft“. Ziel sei, nicht nur die Krise zu bewältigen, sondern auch Investitionen in die Zukunft zu sichern.

Auf der Seite der Unterstützung in der Krise verbuchen Brunner und die Regierung neben dem Strompreisdeckel den Teuerungsabsetzbetrag, die Abschaffung der kalten Progression bei der Lohnsteuer sowie die Erhöhung des Pendlerpauschales. Außerdem werden ab 1. Jänner viele Sozialleistungen mit der Inflation erhöht, die bisher jahrelang mit demselben Fixbetrag ausbezahlt wurden.

Vom früheren Ziel eines baldigen Nulldefizits musste sich Brunner angesichts der Krisen und der hohen Inflation verabschieden. Dennoch hält er daran fest, dass später auch eine Verringerung der Staatsschulden wieder Thema sein müsse.

Nach der Budgetrede werden die Zahlen im Detail vom Nationalrat beraten. Für den 17. November ist der Budgetbeschluss geplant.

SPÖ und NEOS haben sich bereits gestern mit Kritik zu Wort gemeldet. Beide kritisierten mangelnde Treffsicherheit. NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker: „Jeder, der nachdenkt, weiß: Eine Gießkanne ist irgendwann einmal leer.“

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