„Stärker aus der Krise kommen“: Regierung stellte Budget 2023 vor
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hielt seine erste Budgetrede. Die Krise lässt die Ausgaben steigen. Trotzdem fordert er Disziplin: „Das Geld ist nicht abgeschafft.“
Von Wolfgang Sablatnig
Wien – Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) will nicht zu viel versprechen: „Wir können nicht jede Krise zu 100 Prozent kompensieren“, sagte er gestern in seiner Budgetrede. Die Regierung wolle die Menschen aber nicht im Stich lassen. Die Teuerung und die Maßnahmen dagegen lassen Ausgaben und Schulden in Rekordhöhen steigen. Vielleicht sei die eine oder andere Maßnahme zu breit gefasst, räumte Brunner ein. Aber: „Lieber verteile ich ein paar Feuerlöscher zu viel, bevor wir einen Flächenbrand auslösen.“
Brunner hielt seine erste Budgetrede. Er nahm sich dafür 81 Minuten Zeit. Vorgänger Gernot Blümel war bei seinen zwei Budgetreden in einer halben Stunde durch.
Der Finanzminister nutzte die Zeit, um das Umfeld darzustellen. Zuvorderst war da der russische Angriffskrieg und die Folgen. Brunner ließ keinen Zweifel daran, dass er die Verantwortung dafür allein bei Wladimir Putin in Moskau sieht. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Willkür eines Mannes entscheidet, ob unsere Heizungen kalt oder warm sind.“ Die Sanktionen gegen Russland hält er für unabdingbar.
Die Antwort der Regierung sei Hilfe für die Menschen. „Whatever it takes“: Brunner will „das Notwendige zur Verfügung stellen“.
Gleichzeitig drängte er auf Budgetdisziplin, nicht als Selbstzweck, sondern aus „kaufmännischer Sorgfalt“. „Das Geld ist nicht abgeschafft“, betonte er. Es müsse nur wieder einen Wert bekommen.
Das „Nulldefizit“ als Dogma früherer Finanzminister vermied er. Die schwarze Null ist auch nicht in Sicht. Dass die Schulden ein „schwerer Rucksack“ für die Enkelkinder seien, sagte aber auch Brunner. Und: „Europas Schulden knebeln uns im Kampf gegen die Inflation.“
Brunners Ziel: „Mein Anspruch ist, dass Österreich nicht nur gut durch diese schwierigen Zeiten kommt, sondern daran wächst.“ Von der Opposition wünscht er sich dabei einen „Schulterschluss“, wie es ihn auch in der Pandemie gegeben habe.
Der Wunsch blieb unerfüllt, die Rede unbedankt. Erster Redner nach Brunner war Kai Jan Krainer (SPÖ): Es sei erschreckend, dass die Regierung ihre Fehler aus der Pandemie wiederhole. Sie reagiere zu spät und zu langsam.
Heute folgt im Nationalrat die erste Generaldebatte über das Budget.
Schwerpunkte Sicherheit und Ökologisierung
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) plant im kommenden Jahr Ausgaben von 115,1 Milliarden Euro bei Einnahmen von 98,1 Milliarden Euro. Das Defizit soll demnach 17 Milliarden Euro betragen. Das international vergleichbare „Maastricht-Defizit“ soll mit 2,9 Prozent knapp unter die Marke von drei Prozent rutschen. Heuer sind es noch 3,5 Prozent.
Schulden und Zinsen: Die Staatsverschuldung steigt in den kommenden Jahren, bis 2026 auf 393,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig wird es wegen der steigenden Zinsen auch für die Republik teurer, sich Geld auszuborgen. Von heuer (4,3 Milliarden Euro) auf nächstes Jahr werden sich die Zinszahlungen auf 8,7 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Ein Lichtblick: Weil in den kommenden Jahren auch das Bruttoinlandsprodukt steigt, wird die Schuldenquote trotz der steigenden absoluten Zahlen sogar sinken.
Steuern: Die gesamten Steuereinnahmen steigen im kommenden Jahr um zehn Prozent, von 98,1 Milliarden Euro auf voraussichtlich 108,1 Milliarden Euro. Hier schlägt sich auch die Inflation nieder, etwa bei der Umsatzsteuer. Ein Plus gibt es wegen des Zuwachses bei der Beschäftigung und erwarteter hoher Lohn- und Gehaltsabschlüsse auch bei der Lohnsteuer. Ohne die Abschaffung der kalten Progression wäre dieses Plus um weitere 1,5 Milliarden Euro höher, sagt das Finanzministerium.
TT_Basic_Grund2_I_1B: 3Abschaffung der kalten Progression: Bereits gestern, nach der Budgetrede, hat der Nationalrat die Abschaffung der kalten Progression beschlossen. Das bedeutet, dass die Grenzen der Steuertarife künftig mit der Inflation angehoben werden. Im bisherigen System profitierte von der Gehaltserhöhung der Finanzminister mehr als der Gehaltsempfänger. Zwei Drittel der gesamten Entlastung sollen automatisch erfolgen. Das verbleibende Drittel ist der jeweiligen Regierung überlassen. Anfang 2023 sollen davon Bezieher niedriger Einkommen besonders profitieren.
Valorisierung von Sozialleistungen: Für Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Krankengeld und Studienbeihilfe galten bisher fixe Beträge, die oft jahrelang nicht an die Inflation angepasst wurden. Künftig soll eine automatische Erhöhung entsprechend der Teuerung („Valorisierung“) erfolgen. In den Jahren 2023 bis 2026 summiert sich diese Entlastung auf 2,8 Milliarden Euro.
Bundesheer und Sicherheit: Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wollen ÖVP und Grüne das Bundesheer aufrüsten. Im Vergleich zu den bisherigen Planungen bekommt das Bundesheer nächstes Jahr um 680 Millionen Euro mehr. Vorgesehen sind Ausgaben von 3,3 Milliarden. Finanz- und Verteidigungsministerium werben auch mit dem aufsummierten Plus für die vier Jahre von 2023 bis 2026. Zusammengerechnet beträgt das Verteidigungsbudget in diesen vier Jahren knapp 16 Milliarden Euro, um 5,8 Milliarden Euro mehr als in den früheren Planungen vorgesehen. Mehr Geld gibt es auch für die Polizei, etwa für neue Hubschrauber.
Transformation: Als weiteren Schwerpunkt des Budgets nannte Brunner die „Transformation“. Dahinter verbirgt sich der von den Grünen betriebene Umbau in Richtung Ökologisierung und Klimaschutz. Die Regierung rechnet in diesem Bereich bereits bis zum Jahr 2020 mit zusätzlichen Ausgaben in Höhe von 5,7 Milliarden Euro. Weitere 2,5 Milliarden Euro (bis 2026) sind für Haushalte vorgesehen, um thermische Sanierung und den Austausch alter Heizkessel zu fördern.
Pflege: Die Pflegereform wird 2023 mit 800 Millionen Euro finanziert. Bis 2026 sind es 1,7 Milliarden Euro.
Justiz und Kontrolle: Das Justizbudget steigt um 220 Millionen Euro. Vorgesehen ist das Geld für die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität. (sabl)
„Hilfen treffsicherer gestalten“
Wifo-Budget-Expertin Margit Schratzenstaller vermisst im neuen Budget Reformen und budgetäre Spielräume.
Steht das neue Budget unter dem Motto „Das Geld ist abgeschafft“?
Margit Schratzenstaller: So extrem würde ich das nicht formulieren. Was man schon sieht, ist, dass für bestimmte Unterstützungsleistungen für die Haushalte in den letzten Jahren – das betrifft Corona und jetzt auch die Maßnahmen gegen die negativen Folgen der Energiekrise und der Inflation – teilweise schon die Gießkanne gezückt und sehr breit gestreut wird. Wenn man in der Zukunft weitere Hilfsleistungen streut, was ja nicht ausgeschlossen ist, dann muss man stärker darauf achten, diese treffsicherer auszugestalten.
Kommen Reformen wie die Abschaffung der kalten Progression und die Valorisierung der Sozialleistungen angesichts der Krisen zum falschen Zeitpunkt?
Schratzenstaller: Es gibt tatsächlich bestimmte Ausgabendynamiken, die die Budgetspielräume einschränken. Diese sind zum Teil politisch entschieden, wie die Valorisierung der Sozialleistungen und die Kompensation der kalten Progression. Teilweise sind diese so hinzunehmen und kurzfristig nicht zu beeinflussen. Das betrifft den deutlichen Anstieg der Pensionszahlungen und die stark steigenden Zinsen für die Staatsschulden. Daher einmal mehr der Appell, die Hilfsmaßnahmen sozial treffsicherer auszugestalten und tatsächlich die großen Strukturreformen anzugehen, vom Förderalismus bis zum Fördersystem, der Anhebung des Pensionsantrittsalters – und das Gesundheits- und Bildungswesen effizienter zu gestalten.
Das Budget teilt sich ausgabenseitig in Krisenmaßnahmen und in ökosoziale Reformen. Wird Zweiteres ausreichend berücksichtigt?
Schratzenstaller: Es gibt einen eindeutigen Klimaschwerpunkt und das ist auch notwendig. Man kann immer mehr tun. Das gilt nicht nur für den Klimabereich. Auch für den Pflegebereich, die Kinderbetreuung und die aktive Arbeitsmarktpolitik wird man mehr Geld brauchen. Was im Budget so gut wie gar nicht mit mehr Geld bedacht wird, ist der Bildungsbereich.
Das Gespräch führte Stefan Eckerieder
Leitartikel