Bundesheer

Soldat in SS-Uniform: Disziplinaranwalt beantragte nur Geldstrafe

Symbolfoto.
© TT/Böhm

Der Disziplinaranwalt des Verteidigungsministeriums hat in dem Fall nur eine Geldstrafe und keine Entlassung beantragt. Zwar wurden „mehrere Dienstpflichtverletzungen“ als „straferschwerend“ gewertet, es gab aber auch Milderungsgründe.

Wien – Im Fall des Unteroffiziers, der trotz Tragens einer SS-Uniform weiter im Heer tätig sein darf, hat der Disziplinaranwalt des Verteidigungsministeriums im Verfahren nur eine Geldstrafe und keine Entlassung beantragt. Das geht aus der Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde hervor. Dem Soldaten wurden mildernde Gründe angerechnet.

Die Causa sorgte nicht nur für Entrüstung bei SPÖ und NEOS, auch Bundespräsident und Oberbefehlshaber Alexander Van der Bellen zeigte sich „schockiert“. Das Ministerium betonte, dass „eine Null-Toleranz-Politik bei Rechtsextremismus gelebt wird und dass immer alle rechtlich möglichen Maßnahmen ergriffen werden“. „Weder das Gericht noch die dafür einzig zuständige Disziplinarbehörde haben eine Entlassung erwirkt“, erklärte ein Sprecher außerdem auf Twitter. Der Grüne Koalitionspartner, Wehrsprecher David Stögmüller, stellte jedoch per Aussendung die Frage in den Raum, warum der Disziplinaranwalt des Ministeriums eine Entlassung gar nicht beantragt habe.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) hat Donnerstagabend im Nationalrat angekündigt, dass sie nächste Woche eine Kommission zum Thema der „Bekämpfung von staatsfeindlichen Tendenzen“ einrichten werde. Dies soll zur Vermeidung derartiger Fälle die nötigen gesetzlichen Maßnahmen – Änderung des Beamten-Dienstrechts und des Strafgesetzbuches – ausarbeiten. Tanners „Reumütigkeit“ komme „viel zu spät“, befand SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer am Freitag in einer Aussendung. „Die Ministerin hätte viel früher eingreifen und dem Disziplinaranwalt eine Weisung zukommen lassen müssen, um eine Entlassung des Beamten zu fordern“, meinte er. "Die Ministerin hatte ihre Chance, sich einzusetzen. Eine Gesetzesänderung sei notwendig, „weil man sich offensichtlich nicht darauf verlassen kann, dass gewisse Minister*innen ihre Hausaufgaben erledigen“, meinte Laimer.

Der Disziplinaranwalt wird laut Paragraf 103 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes „zur Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren (...) von den Leiterinnen und Leitern der Zentralstellen“ bestellt. Er untersteht der Ministerin und „ist an deren Weisungen gebunden“, erläuterte Verfassungsrechtler Heinz Mayer im Ö1-„Mittagsjournal“. „Sie ist verantwortlich für das, was der Disziplinaranwalt tut.“ In einer Sache, in der es um das Ansehen des Bundesheeres insgesamt geht, sei die Ministerin selbstverständlich involviert und sollte sich zumindest mit der Frage auseinandersetzen, ob solche Instruktionen gegeben werden, meinte auch Verfassungsjurist Peter Bußjäger.

Selbstgebastelte Uniform zumindest fünf Mal getragen

Die Bundesdisziplinarbehörde erkannte den Oberstabswachtmeister am 15. September „schuldig“ der nationalsozialistischen Wiederbetätigung. Er soll bereits 2014 und 2015 im Internet eine Uniform, einschlägige Abzeichen, Hakenkreuzfahnen und Hakenkreuzwimpel bestellt und „zum Zwecke der Herstellung einer SS-Uniform einen Aufnäher mit SS-Runen sowie 2 Aufnäher mit Reichsadler und Hakenkreuz an der Uniform angebracht“ haben. Diese selbst gebastelte SS-Uniform soll er dann zumindest fünf Mal getragen haben, Fotos davon tauchten im Internet auf. 2019 und 2020 soll der Soldat außerdem in der Kantine eines Sportvereins, in der Spielerkabine am Fußballplatz und in einer Kaserne vor seinen Kameraden den Hitlergruß gezeigt haben. Bei der Durchsuchung seiner militärischen Unterkunft, seines Autos und seines Wohnsitzes wurden Munition aus Heeresbestand und „diverse Devotionalien“ gefunden.

Der Oberstabswachtmeister wurde im November des Vorjahres „mit sofortiger Wirkung (...) vorläufig vom Dienst enthoben“, der Akt wurde der Disziplinarbehörde vorgelegt. Im Juli wurde der Soldat vor einem Landesgericht rechtskräftig zu zehn Monaten bedingter Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von 1200 Euro verurteilt. Die Disziplinarbehörde setzte nach der Disziplinaranzeige ein mündliche Verhandlung für Mitte September an.

Dort legte der Beschuldigte „ein umfassendes und reumütiges Geständnis“ ab. „Er beteuerte glaubhaft, dass es ihm sehr leidtue und ein derartiges inakzeptables Verhalten nicht mehr vorkommen würde.“ Die Tathandlungen seien unter Alkoholeinfluss erfolgt, behauptete der Soldat, „er distanziere sich von den Gräueltaten des Nationalsozialismus und habe damit nichts zu tun“. Die Knallkörper habe er „wohl versehentlich nach einer Übung mit nach Hause genommen und vergessen“. Der Bataillonskommandant attestierte dem Beschuldigten im Verfahren eine „zufriedenstellende Dienstleistung“, bisher habe es keine disziplinären Verfehlungen gegeben.

Statt Entlassung nur Geldstrafe beantragt

Der vom Ressort bestellte Disziplinaranwalt, der im Verfahren laut Gesetz die „dienstlichen Interessen“ vertritt, verwies auf die Möglichkeit einer Entlassung, beantragte schließlich aber nur eine Geldstrafe von knapp 5000 Euro: „In den Schlussworten führte der Herr Disziplinaranwalt beim BMLV (DiszAnw) aus, dass der Disziplinarbeschuldigte durch seine Tathandlungen vorsätzlich gegen seine Dienstpflichten verstoßen habe“, heißt es in der Entscheidung. „Nach der Rechtsprechung des VwGH komme aufgrund des Treueverlustes die Disziplinarstrafe der Entlassung in Betracht. Aus generalpräventiven Gründen sowieso, allerdings sei in diesem Fall eine Geldstrafe ausreichend.“ Das Strafgericht, argumentierte der Disziplinaranwalt, hätte bereits durch eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe den Amtsverlust bewirken können, nahm aber davon Abstand.

Bei der Strafbemessung sei „von einer sehr schweren Dienstpflichtverletzung auszugehen“, da von Dienstgeberseite nationalsozialistische Wiederbetätigung nicht geduldet werde, argumentierte der Disziplinaranwalt demnach weiter. Doch die spezialpräventiven Aspekte würden ob des einsichtigen Verhaltens und der ehrlich gemeinten Besserungsabsicht in den Hintergrund treten, zudem liege eine positive Zukunftsprognose vor.

Geständnis und Unbescholtenheit als Milderungsgründe

Die Disziplinarbehörde folgte schließlich dieser Argumentation. Die Kommission wertete „mehrere Dienstpflichtverletzungen“ als „straferschwerend“, führte aber auch einige Milderungsgründe an: ein reumütiges Geständnis, Distanzierung, Unbescholtenheit, die bisherige Dienstleistung und positive Zukunftsprognose. Bei der Höhe der Geldstrafe wurde auf die „angespannte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“, Sorgepflichten für fünf Kinder und die schwere Erkrankung seiner Ehefrau, verwiesen. Der Soldat wurde letztlich zu einer Geldstrafe in der Höhe von 4320 Euro (und einem Kostenbeitrag von 360 Euro) verurteilt. Er „möge die milde Bestrafung als Vertrauensvorschuss sehen, dass er in Zukunft derartige Dienstpflichtverletzungen unterlässt.“ Der Betroffene wird laut Ministerium nunmehr "in einer nicht militärischen Funktion im Rahmen seines Beamtendienstverhältnisses verwendet". (APA)

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