Ukraine-Krieg

Putin: Ukraine soll nicht zerstört werden, keine weiteren Einberufungen geplant

Russlands Präsident Wladimir Putin beim Abschluss einer Sicherheitskonferenz in der kasachischen Hauptstadt Astana.
© VALERY SHARIFULIN

Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte in Astana erneut, er sei verhandlungsbereit. Gespräche mit der Ukraine müssten unter internationaler Vermittlung geführt werden. Ein Fehler sei die Invasion nicht gewesen

Astana, Kiew, Moskau – Russlands Präsident Wladimir Putin schlägt nach dem massiven Beschuss ukrainischer Städte mit Marschflugkörpern und Raketen einen weniger scharfen Ton an. Es gebe derzeit keine Notwendigkeit für weitere massive Luftangriffe, sagte er am Freitag beim Abschluss einer Sicherheitskonferenz in der kasachischen Hauptstadt Astana. Er fügte hinzu: „Wir haben es uns nicht zum Ziel gemacht, die Ukraine zu zerstören. Nein, natürlich nicht."

Putin stelle nichtsdestotrotz weiteren Beschuss in Aussicht. Von insgesamt 29 ins Visier genommenen Objekten seien sieben „nicht so beschädigt worden, wie das vom Verteidigungsministerium geplant war", sagte Putin zum Abschluss des Gipfels. „Aber sie werden sie nachholen, die Objekte."

Um welche Ziele es sich dabei konkret handle, sagte der Kremlchef nicht. Zugleich betonte er, dass aktuell keine weiteren großflächigen Angriffe geplant seien: „Es braucht derzeit keine massiven Schläge mehr. Jetzt gibt es andere Aufgaben."

Putin: Keine weiteren Einberufungen mehr

Das Staatsoberhaupt kündigte zudem an, nach der jetzt erfolgten Teilmobilisierung werde es keine weiteren Einberufungen geben. In der Ukraine dankte Präsident Wolodymyr Selenskyj den Soldatinnen und Soldaten für den Einsatz in dem knapp achtmonatigen Krieg und versprach, sein Land werde siegen.

Putin erklärte in Astana erneut, er sei verhandlungsbereit. Gespräche mit der Ukraine müssten unter internationaler Vermittlung geführt werden. Ein Fehler sei die Invasion nicht gewesen: „Ich will es deutlich sagen: Das, was heute passiert, ist unangenehm, um es milde auszudrücken. Aber wir hätten das Gleiche etwas später tun müssen, nur unter schlechteren Bedingungen für uns, das ist alles." Putin warnte die NATO erneut vor einer Intervention, dies würde zu einer globalen Katastrophe führen. Putin hatte zu Beginn der Invasion, die nach seiner Wortwahl kein Krieg, sondern eine militärische Spezialoperation ist, die Befreiung der Ukraine von Nazis als Ziel ausgegeben.

Ende September hat Russland die ukrainischen Regionen Cherson, Luhansk und Donezk zusammen mit der Region Saporischschja annektiert. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen verurteilte dies mit großer Mehrheit. 143 der 193 Länder umfassenden Versammlung stimmten für die Resolution und belegten damit die weitgehende internationale Isolation Russlands. Nur vier Länder lehnten die Resolution ab, die anderen enthielten sich.

Ukraine: Im September über 600 Ortschaften zurückerobert

Putin äußerte sich nach einer Reihe von Rückschlägen auf den Schlachtfeldern. Die Ukraine hat nach eigenen Angaben im September mehr als 600 Ortschaften zurückerobert. Vor allem in der nordöstlichen Region Charkiw sind ihre Truppen nach Regierungsangaben vorangekommen. Allerdings berichtete der britische Geheimdienst auch von einem Vormarsch pro-russischer Einheiten auf die strategisch wichtige Stadt Bachmut in der im Osten gelegenen Region Donezk. Vermutlich seien sie bereits in Dörfer südlich der Stadt vorgedrungen, teilte das britische Verteidigungsministerium aus dem jüngsten Geheimdienstbulletin mit.

Bachmut liegt an einer Hauptstraße, die zu den Städten Slowjansk und Kramatorsk führt. Die Söldnertruppe Wagner, die an der Seite der regulären russischen Einheiten kämpft, bleibe wahrscheinlich stark in die Kämpfe um Bachmut verwickelt. Sie habe die Dörfer Optjine und Iwangrad südlich von Bachmut eingenommen. Das sei der erste Vormarsch in mehr als drei Monaten.

Ende August hatte die Ukraine mit ihrer Offensive gegen die russischen Truppen begonnen, die ihre Invasion am 24. Februar gestartet hatten. Im Nordosten drängten ukrainische Streitkräfte die Gegner zurück und setzten sie auch im Süden stark unter Druck. „Die Fläche der befreiten ukrainischen Gebiete hat erheblich zugenommen", erklärte die Regierung in Kiew.

Seit Anfang Oktober sind in Cherson die ukrainischen Truppen auf dem Vormarsch, dort liegt derzeit ihr Hauptaugenmerk. Die Region liegt gegenüber der bereits 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim und ist deshalb strategisch besonders wichtig. Der dort von Russland eingesetzte Verwaltungschef Wladimir Saldo hat die Bevölkerung aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. „Wir haben allen Bewohnern der Region Cherson vorgeschlagen, sich in andere Regionen zu begeben, wenn sie sich vor den Folgen der Raketenangriffe schützen wollen." Die russische Nachrichtenagentur Tass meldete, die ersten aus Cherson Geflüchteten würden im Laufe des Freitags in Russland erwartet. (APA/Reuters/dpa)