„Baron Münchhausen”: Schlammschlacht in der Kurz-Truppe ist eröffnet
Kurz will rechtlich gegen Schmid vorgehen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka kündigte das ebenfalls an. Andreas Hanger, ÖVP-Fraktionsführer im laufenden Korruptions-Untersuchungsausschuss bedauerte vor Journalisten, dass Schmid sich weigert, im U-Ausschuss auszusagen.
Wien – Jahrelang zentraler Mitarbeiter in ÖVP-Regierungsbüros, versuchen die Türkisen nun vehement, Thomas Schmid als unglaubwürdig darzustellen. Schmid hatte Ex-Parteichef Sebastian Kurz und dessen enge Vertraute vor der Korruptions-Staatsanwaltschaft massiv belastet. Kurz weist die Vorwürfe zurück und will rechtlich gegen Schmid vorgehen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) kündigte das ebenfalls an und bezeichnete Schmid im APA-Interview gar als "Baron Münchhausen".
Schmid war seit den 2000er-Jahren in Büros führender ÖVP-Bundespolitiker tätig und später auch Generalsekretär im Finanzministerium. Seine von den Behörden sichergestellten Chats bargen für die ÖVP Ungemach. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gleich in mehreren Fällen, etwa in der Inseraten- und Umfragenaffäre auch gegen Kurz selbst und seine engsten Mitarbeiter. Wie die WKStA erst jetzt bekannt gegeben hat, war Schmid im April mit dem Wunsch nach einer Kronzeugenregelung an die Anklagebehörde herangetreten. Seit Juni fanden 15 ganztägige Vernehmungen statt, aus den Protokollen, die flugs in den Medien landeten, geht hervor, dass Schmid einige Akteure aus der Kurz-Truppe schwer belastet.
📽️ Video | Sobotka weist Schmid-Aussagen zurück
So sagte Schmid etwa, Kurz habe gewusst, dass seine Mitarbeiter Umfragen, die ihm bei der Eroberung des ÖVP-Parteivorsitzes und des Kanzleramtes helfen sollten, über das Finanzministerium finanziert wurden. "Ja, das war ihm klar. Mir ist ganz wichtig zu betonen, dass ich dieses Tool nur deswegen umgesetzt habe, weil ich von Kurz den Auftrag bekommen habe", ist in dem Geständnis zu lesen. "Ich habe Kurz und die ÖVP aus dem BMF heraus gefördert, die Ressourcen des BMF genutzt, um das Fortkommen der ÖVP unter Sebastian Kurz zu unterstützen."
Kurz hat sich zwar vor einem Jahr aus der Politik zurückgezogen, PR-Profi ist er aber geblieben – Mittwochnachmittag holten er und sein Rechtsanwalt Werner Suppan zum Gegenschlag aus. Man übergab den Behörden ein von Kurz heimlich mitgeschnittenes Telefonat mit Schmid aus dem Vorjahr kurz nach den Hausdurchsuchungen, das Schmids Aussagen widerlegen und Kurz entlasten soll. Die Tonaufnahme selbst darf Kurz rechtlich nicht veröffentlichen, das Transkript des Gesprächs wurde aber in mehreren hintereinander stattfindenden Hintergrundgesprächen an Journalistinnen und Journalisten verteilt. Schmid wollte sich dazu nicht äußern, sein Rechtsvertreter Roland Kier ließ am Donnerstag wissen, dass auch weiterhin keine öffentlichen Äußerungen und medialen Auftritte zu erwarten sind.
ÖVP-Affäre
Kurz plant Klage gegen Thomas Schmid: „Falsche Vorwürfe erfunden"
In der ÖVP schaltete man am Donnerstag noch einen Gang höher. Die Aufnahme entlarve nicht nur, dass Schmid der WKStA die Unwahrheit gesagt habe, sie "lässt auch tief in den Charakter eines Menschen blicken, der gegen andere falsche Vorwürfe erfindet, in der Hoffnung, selbst straffrei als Kronzeuge davonzukommen", legte Kurz in einem Facebook-Posting nach.
Sobotka: "Für mich ist dieser Mensch total unglaubwürdig"
Nationalratspräsident Sobotka betitelte Schmid im Interview gar als "Baron Münchhausen", man kenne "den Charakter dieses Mannes". Den Vorwurf, er habe gegen Steuerprüfungen eines ÖVP-nahen Vereins interveniert, bezeichnete Sobotka als "frei erfunden". Gefragt, warum Schmid denn so etwas erfinden sollte, verwies Sobotka auf dessen Chats. Schmid habe sich immer hervorgetan, "was er nicht alles getan hätte, auf der einen Seite mit Hochstapelei, auf der anderen Seite als Baron Münchhausen".
"Für mich ist dieser Mensch total unglaubwürdig." Überhaupt zeigte sich Sobotka erbost über den medialen Umgang mit Schmids Geständnis: Es wundere ihn, "wie die ganze Journalistik in dieser Phase, die zuerst diesen Schmid als ein Monster gezeichnet hat, jetzt auf einmal seine Aussage wie einen Richterspruch betrachtet und darauf ihre Fragen basieren", empörte sich der Nationalratspräsident.
📽️ Video | NEOS fordern Neuwahlen
In eine ähnliche Kerbe schlug unterdessen auch Andreas Hanger, ÖVP-Fraktionsführer im laufenden Korruptions-Untersuchungsausschuss. Hanger bedauerte vor Journalisten, dass Schmid sich weigert, im U-Ausschuss auszusagen und vermutete dahinter den Umstand, dass er dort unter Wahrheitspflicht stehen würde. Bei Schmid handle es sich "sicher um einen sehr fragwürdigen Charakter", betonte Hanger. "Er will nur deshalb Kronzeuge werden, weil er seine eigene Haut retten will." Und: "Er ist der Lügenbaron der Nation." Darüber wunderte sich wiederum FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker: Der "Lügenbaron" sei immerhin jahrelang der wichtigste Mitarbeiter der ÖVP gewesen.
Welche Aussagen nun tatsächlich glaubwürdig sind, hätten unabhängige Gerichte zu entscheiden, erinnerte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger bei einer Pressekonferenz. Die NEOS haben aber jedenfalls genug vom Theater und forderten Neuwahlen. Die ÖVP habe sich eine Wahl "ertrickst, erlogen und erkauft", kritisierte sie, das Vertrauen in die Politik sei "massiv erschüttert". Den Grünen warf Meinl-Reisinger ein "Doppelspiel" vor - sie ließen zwar ein bisschen die Muskeln spielen, blieben aber trotzdem mit der ÖVP in einer Koalition. Die FPÖ, die schon länger für Neuwahlen eintritt, forderte am Donnerstag eine Sondersitzung des Nationalrats, um die Ära Kurz aufzuarbeiten.
Nehammer: Kein Zweifel an Sobotka als Nationalratspräsident
Bundeskanzler Karl Nehammer will an Wolfgang Sobotka als Nationalratspräsident sowie August Wöginger als Klubchef (alle ÖVP) trotz den Vorwürfen des früheren Finanz-Generalsekretärs Thomas Schmid festhalten. "Ich habe keinen Grund, an den Aussagen der von ihnen genannten Personen zu zweifeln", so Nehammer am Rande eines EU-Gipfels am Donnerstag in Brüssel auf eine entsprechende Frage. Die Menschen hätten einen Anspruch darauf, dass die Politik sich um "echte Krisen" kümmert.
Der Frage nach den von der Opposition geforderten Neuwahlen wich der Kanzler und ÖVP-Chef aus. "Es gibt jetzt die Aussagen eines Beschuldigten, der sehr viele andere beschuldigt, die Justiz ist am Ermitteln, ich als Bundeskanzler und die Bundesregierung haben die Aufgabe, Österreich durch die Krise zu bringen", so Nehammer im Hinblick auf die hohen Energiepreise und der steigenden Inflation. "Das gelingt uns nicht ganz, aber wir tun unser Bestes." (TT.com, APA)
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