Anti-Korruptionsgesetz: Grüne erhöhen Druck auf ÖVP
Maurer ortet bei der ÖVP Verzögerung beim Anti-Korruptionsgesetz. Kanzler Nehammer reagiert kühl auf den Appell des Bundespräsidenten. Sondersitzung des Parlaments zu ÖVP-Korruptionsaffären beantragt.
Von Michael Sprenger
Wien – Die Worte des Bundespräsidenten im Zusammenhang mit den ÖVP-Korruptionsaffären waren eindringlich. Er sieht die Demokratie in Gefahr, fordert Maßnahmen, um das Vertrauen in die Politik wiederherzustellen. Dem dramaturgischen Aufbau des Statements in der Hofburg nach hätte man meinen können, dass Alexander Van der Bellen auch gewillt ist, die Regierung von ÖVP und Grünen zu entlassen. Aber so weit ging er am Donnerstag nicht. Es blieb beim Appell. Er hält nichts von einer Neuwahl.
Doch was nun? ÖVP-Kanzler Karl Nehammer reagierte vorerst zurückhaltend und kühl. Er sagte in der Nacht auf Freitag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel, dass er Van der Bellens Worte zwar „sehr ernst“ nehme, bezeichnete aber zugleich Teuerung und Inflation als „die echten Probleme der Menschen“. Und dann ergänzte der Kanzler: „Volle Aufklärung und Transparenz sind wichtig.“ Konkrete Maßnahmen kündigte Nehammer aber keine an.
Dies machte aber am Tag nach der Rede Van der Bellens die grüne Koalitionspartnerin. Sie sieht Nehammer gefordert. Die Grünen erhöhen den Druck für schärfere gesetzliche Regelungen gegen die Korruption. Das geplante Anti-Korruptionsgesetz könnte schon längst umgesetzt und beschlossen werden. Es hängt an der ÖVP, meinte die Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer, gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal. „Der Kanzler wird gefordert sein, hier seinem Versprechen, was die Transparenz betrifft, auch nachzukommen.“
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Justizministerin Alma Zadić hat bereits vor knapp einem Jahr neue Regelungen präsentiert, mit denen etwa Mandatskauf nicht mehr möglich sein soll – umgesetzt wurden sie bisher nicht. Und was sagt die ÖVP zum Vorwurf der Verschleppung? Es werde am Anti-Korruptionsgesetz intensiv gearbeitet. Van der Bellen bezeichnete in seiner Rede die Korruption als „lähmendes Gift“ für eine Gesellschaft.
SPÖ und FPÖ sorgen dafür, dass die ÖVP-Korruptionsaffären im Umfeld des früheren Kanzlers Sebastian Kurz erneut im Parlament landen. Sie stellen einen gemeinsamen Antrag auf eine Sondersitzung des Nationalrats. Das Bekanntwerden eines umfangreichen Geständnisses des früheren ÖBAG-Chefs und ehemaligen Generalsekretärs des ÖVP-geführten Finanzministeriums, Thomas Schmid, vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft erschütterte die Republik. Es bildete auch den Hintergrund des Statements des Staatsoberhaupts.
Gerade die letzten Tage hätten gezeigt, dass es in der Volkspartei keine Einsicht und keine Bereitschaft zur Aufarbeitung der ÖVP-Korruptionsfälle und der Vorwürfe u. a. gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka oder ÖVP-Klubobmann August Wöginger gebe, begründete der stellvertretende Klubchef der SPÖ, Jörg Leichtfried, in einer gemeinsamen rot-blauen Aussendung den Antrag. Die ÖVP stecke tief im Korruptionssumpf und das lähme die gesamte türkis-grüne Regierung.
Ähnlich äußert sich FPÖ-Klubchef Herbert Kickl. Die ÖVP habe dem Ansehen des Landes massiv geschadet. Das „korruptive System der Türkisen“ reiche weit in die Gegenwart der „wieder eingeschwärzten Volkspartei“ hinein und sei auch parlamentarisch aufzuarbeiten. Kanzler Nehammer, der auch Teil der Ära Kurz sei, habe sich dem Parlament und damit der Öffentlichkeit zu erklären.
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Zur Erinnerung: Nehammer war unter Kurz unter anderem Generalsekretär der ÖVP und dann Innenminister. Ermittelt wird auch gegen die früheren engen Mitarbeiter von Kurz, Johannes Frischmann und Gerald Fleischmann. Beide sind derzeit Mitarbeiter des ÖVP-Klubs im Nationalrat.
Worum geht es in den Korruptionsfällen? Schmid gilt neben Kurz als Schlüsselfiguren in den Causen, allen voran der Umfrage- und Inseratenaffäre. Laut Schmid soll Kurz nicht nur vom „Beinschab-Österreich-Tool“ gewusst, sondern dieses in Auftrag gegeben haben. Mit Steuergeld sollen Umfragen finanziert worden sein, die Kurz helfen sollten, den Weg ins Kanzleramt zu ebnen. Die zum Teil manipulierten Umfragen wurden dann in Medien der Österreich-Gruppe veröffentlicht. Kurz dementiert – und stellt Schmid als Lügner dar.
Die Aussagen Schmids führten zudem zu Hausdurchsuchungen bei der Signa Holding von Immobilien-Tycoon René Benko. Er soll Schmid einen gut dotierten Job angeboten haben, um sich seine Unterstützung in Steuerfragen zu sichern.
Ebenfalls in einer Steuersache belastet sieht sich der Großinvestor Siegfried Wolf.
Wolf und Benko gehören zum Freundeskreis von Sebastian Kurz.
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