Viennale

Ulrich Seidls „Sparta“ bei der Viennale: Premiere mit Rechtfertigungsvideo

Georg Friedrich spielt in „Sparta“ Ewald, der seine pädophilen Neigungen unterdrückt. Doch nicht das Thema, sondern der Dreh steht in der Kritik.
© Stadtkino

Ulrich Seidl präsentierte bei der Viennale seinen Film „Sparta“, dessen Drehbedinungen in der Kritik stehen.

Von Marian Wilhelm

Wien – Ulrich Seidls Film „Sparta“ wird auf zwei Ebenen diskutiert. Diskutiert wird einmal über den Film selbst, den er an diesem Wochenende bei der Viennale vorstellte. Und einmal über dessen Dreharbeiten – seit einer Spiegel-Recherche Anfang September. Seidl stellte sich nach der Österreichpremiere im Wiener Gartenbaukino keinen Fragen des Publikums, gab jedoch im Vorfeld mehrere Interviews. Regisseur Seidl will den Film für sich sprechen lassen. Doch der Film erzählt nichts über seine Dreharbeiten.

„Sparta“ selbst erzählt die Geschichte von Ewald, dem Bruder des Schlagersängers Richie Bravos aus „Rimini“. Das Verbindende ist der demente Vater im Altenheim, zu dem auch „Sparta“ und Ewald immer wieder zurückkehren. Hans-Michael Rehberg hat hier seinen letzten traurig-grausamen Auftritt als alter Nazi.

Ewald ist zu seiner rumänischen Freundin (Florentina Elena Pop) nach Transsilvanien gezogen. Doch dann verlässt er sie und kauft eine verfallene Schule, um dort Judokurse für Kinder zu geben. Warum, deutet der insgesamt leise Film zuerst sachte und dann immer deutlicher an. Ewald ist pädophil. Wie Georg Friedrich diesen inneren Kampf mit kleinen Gesten darstellt, erzeugt in einigen Szenen erstaunliche Kraft. Einige davon spielen mit dem Thema oder vielmehr mit dem Blick darauf und der Grenze des Zeigbaren. Etwa wenn ein nackter Georg Friedrich mit Kindern in Unterhosen in einem Duschraum steht oder alleine in Fotos der Kinder hineinzoomt. Diese Grenze zieht Seidl als Regisseur letztverantwortlich selbst, wie er in Interviews sagt – auch bei der Produktion am Set.

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Ganz kommentarlos ließ Seidl den Film dann doch nicht für sich sprechen. Er spielte nach der Premiere ein siebenminütiges Solidaritäts-Video des Autors Michael Köhlmeier ab. Darin holt dieser zu einer flammenden Verteidigung des Künstlers Seidl gegenüber den Medien aus, die „den heiligen Don Bosco spielen“ und „Abrechnung halten mit einem Künstler“. Er wendet sich gegen „die Tugendwächter, die neuen Jakobiner“ und „jene Künstler, die den Schwanz einziehen, die den Schitstorm fürchten“.

Über den Produzenten Seidl, der eigentlich in der Kritik steht, spricht Köhlmeier nicht. Die Kunst in Form des Films „Sparta“, die Köhlmeier hier verteidigt, steht jedoch gar nicht zur Debatte, sondern ihre Umstände, konkret die Transparenz gegenüber Beteiligten, über den geplanten Inhalt, die Schauspielführung und die Fürsorge gegenüber den minderjährigen Laiendarstellern. Seidl bewertet seine auf ihn als „Autorenfilmer“ konzentrierte Methode anhand des Resultats. Ohne Informationen über die Dreharbeiten ist „Sparta“ ein harmloser, einfühlsamer Film. Doch auch die Geschichte über den Dreh ist nun Teil dieses Films.

Wie es mit dem Film nach der Überprüfung durch die Förderinstitutionen weitergeht, ist noch unklar. Der Stadtkino Verleih, indirekt im Besitz der Viennale, scheint nicht mehr als österreichischer Verleiher auf. Über „Sparta“ wird also noch gesprochen werden müssen. Vor allem über sein Zustandekommen.

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