UNO fordert Freilassung von ägyptischem Dissidenten
Der UNO-Menschenrechtskommissar hat die sofortige Freilassung des in Ägypten inhaftierten Dissidenten Alaa Abd el-Fattah gefordert. UNO-Kommissar Volker Türk habe sein "tiefes Bedauern" darüber ausgedrückt, dass die ägyptischen Behörden den Blogger und Aktivisten noch nicht freigelassen haben, erklärte die Sprecherin des UNO-Menschenrechtsbüros, Ravina Shamdasani, am Dienstag in Genf. "Wir sind sehr besorgt um seine Gesundheit."
Der britisch-ägyptische Aktivist Abd el-Fattah war vor sieben Monaten in einen Hungerstreik getreten. Seit Beginn der UNO-Klimakonferenz im ägyptischen Badeort Sharm el-Sheikh am Sonntag nimmt er nach Angaben seiner Familie auch kein Wasser mehr zu sich.
Seine Schwester, die prominente Demokratieaktivistin Sanaa Seif, erklärte bei einer Veranstaltung in Sharm el-Sheikh, es sei unklar, ob ihr Bruder zwangsernährt werde. Damit könnte Abd el-Fattah während der zweiwöchigen Konferenz möglicherweise am Leben gehalten werden. Der regierungsnahe ägyptische Abgeordnete Amr Darwish, der die Veranstaltung gestört hatte, wurde nach einer hitzigen Diskussion aus dem Saal geworfen.
Angesichts des intensivierten Hungerstreiks des 40-jährigen Computerprogrammierers forderten auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Rishi Sunak und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz am Rande der Weltklimakonferenz die Freilassung des Regierungskritikers. Drei ägyptische Journalistinnen traten unterdessen in einen Hungerstreik, um den Druck auf die Behörden zu erhöhen.
Der Elysée-Palast erklärte, Macron habe im Gespräch mit Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi die Freilassung Abd el-Fattahs verlangt. Er habe bei dem Treffen die Fälle mehrerer Gefangener angesprochen, sagte der französische Präsident am Rande der UNO-Klimakonferenz. Macron äußerte die Hoffnung, dass die "nächsten Wochen oder die nächsten Monate" zu Ergebnissen führten.
Premier Sunak hatte Abd el-Fattahs Notlage zuvor eine "Priorität" genannt. Nach einem Treffen mit Sisi am Montagabend sagte der britische Regierungschef laut einem Sprecher, er hoffe auf eine baldige Lösung und werde weiter auf Fortschritte dringen.
Scholz setzte sich bei Staatschef Abdel Fattah al-Sisi für die Freilassung des inhaftierten Demokratieaktivisten ein. Auch andere Staats- und Regierungschefs hätten sich deswegen an den Präsidenten gewandt, sagte Scholz am Dienstag in Sharm el-Sheikh.
Abd el-Fattah war eine wichtige Figur der Revolution von 2011, die den langjährigen Präsidenten Hosni Mubarak stürzte. Seit Ende vergangenen Jahres sitzt er eine fünfjährige Haftstrafe wegen der "Verbreitung von Falschnachrichten" ab. Große Teile des vergangenen Jahrzehnts verbrachte er bereits in Haft.
Vor sieben Monaten begann Abd el-Fattah mit einem Hungerstreik, in dessen Verlauf er nur 100 Kalorien pro Tag zu sich nahm. Seit Dienstag verweigert er jegliches Essen, am Sonntag hörte er nach Angaben seiner Schwester Sanaa Seif auch auf zu trinken. Es bleibe nicht viel Zeit, erklärte die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard über die Lebenserwartung des Aktivisten. "Bestenfalls 72 Stunden."
Drei ägyptische Journalistinnen begannen zur Unterstützung des inhaftierten Dissidenten am Montag einen Hungerstreik. "Wir haben jetzt aufgehört zu essen, weil Alaa Abd el-Fattah droht zu sterben", sagte Mona Selim der Nachrichtenagentur AFP bei einem Sitzstreik im Gebäude der Journalistengewerkschaft in Kairo. Zusammen mit ihren Kolleginnen Eman Uf und Ratsha Asab forderte sie zudem die "Freilassung aller politischen Häftlinge".
COP27-Präsident und Ägyptens Außenminister Sameh Shoukry sagte dem Sender CNBC, Abd el-Fattahs Hungerstreik sei eine "persönliche Entscheidung". Ihm stehe gesundheitliche Versorgung zur Verfügung, wie allen anderen Häftlingen auch. Mit Blick auf die britische Staatsbürgerschaft, die Abd el-Fattah 2021 durch seine in London geborene Mutter erhielt, sagte Shoukry, diese sei in Ägypten noch nicht anerkannt. Ein Prozess zum Erwerb einer weiteren Staatsbürgerschaft müsse ägyptischem Recht folgen, und dieser Prozess sei noch nicht abgeschlossen.
Bisher ist nicht bekannt, in welchem Zustand sich der Gefangene mittlerweile befindet. Sanaa Seif sagte der Nachrichtenagentur AFP, ihre Mutter habe am Montag stundenlang vor dem Gefängnis gewartet, ohne dabei Informationen über das Befinden ihres Sohnes zu erhalten.
"Wir reden hier von einem Unschuldigen, der zu Unrecht neun Jahre im Gefängnis verbracht hat", sagte Sanaa Seif. Sie setze alle Hoffnung auf die Anstrengungen der britischen Delegation - "denn als Schwester kann ich nicht einfach das Handtuch werfen oder mir sagen, dass mein Bruder sterben wird".
Menschenrechtsgruppen schätzen, dass in Ägypten 60.000 politische Häftlinge inhaftiert sind. In der Rangliste der Pressefreiheit, die von der Organisation Reporter ohne Grenzen erstellt wird, liegt Ägypten auf Platz 168 von 180.