ORF-TV-News-Chefredakteur Schrom tritt nach Chat-Affäre zurück
ORF-TV-News-Chefredakteur Matthias Schrom tritt nach einer Chat-Affäre mit sofortiger Wirkung zurück. Ein entsprechendes Angebot hat ORF-Generaldirektor Roland Weißmann laut einer Aussendung am Mittwoch angenommen.
Wien – ORF-TV-News-Chefredakteur Matthias Schrom tritt nach einer Chat-Affäre mit sofortiger Wirkung zurück. Ein entsprechendes Angebot hat ORF-Generaldirektor Roland Weißmann laut einer Aussendung am Mittwoch angenommen. Bis auf weiteres übernimmt Eva Karabeg die Redaktionsleitung. Sie ersetzt Schrom bereits seit Montag, als dieser ankündigte, einen längeren "Urlaub" anzutreten.
Gegenüber den "Salzburger Nachrichten" erklärte Schrom: "Die öffentliche Diskussion über die bekannten Chats hat für große Unruhe gesorgt und wirft ein falsches Bild auf mich und die großartige Arbeit der ORF-Redaktion." Um diese unabhängige Arbeit weiter zu garantieren, habe er Weißmann gebeten, ihn von seiner Funktion zu entbinden. Schrom: "Dieser Schritt tut mir persönlich weh, aber ich muss ihn setzen, um die Unabhängigkeit der Berichterstattung weiter sicherzustellen." Und: Es sei ihm eine Ehre gewesen, diese Redaktion über vier Jahre geleitet zu haben.
📽️ Video | Schrom legt Funktion zurück
Schrom wurden publik gewordene Chats aus dem Jahr 2019 mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zum Verhängnis. Er tauschte sich damals als ORF 2-Chefredakteur mit dem Politiker zur inhaltlichen Ausrichtung der ORF-Berichterstattung und Personalwünschen der FPÖ aus. Mit seinem Rückzug kommt er wohl einem Misstrauensvotum der Redaktion zuvor. Denn für Donnerstag ist eine Redaktionsversammlung in dieser Causa geplant, wo auch eine Vertrauensabstimmung diskutiert werden sollte. "Viele Kolleginnen und Kollegen sind fuchsteufelswild, weil sie hier in eine Sache hineingezogen werden, mit der sie absolut nichts zu tun haben", hielt der Vorsitzende des ORF-Redakteursrats Dieter Bornemann gegenüber der APA fest. Auch setzte Weißmann den ORF-Ethikrat auf die Causa an.
Die Entscheidung Schroms nehme man "mit Respekt zur Kenntnis", so Bornemann. Die geplante Redaktionsversammlung finde dennoch statt. Es gebe genug Gesprächsbedarf. Auf eine Vertrauensabstimmung über Schrom verzichte man aber, sagte Bornemann. Der Vorsitzende des ORF-Redakteursrats geht davon aus, dass der Job als ORF-TV-News-Chefredakteur ausgeschrieben wird und eine Abstimmung über Schroms Nachfolger stattfindet.
"Auch wenn die bisherige Amtsführung von Matthias Schrom untadelig und die ORF-TV-Information in den vergangenen vier Jahren bei Millionen Menschen in Österreich sehr erfolgreich war, sind es gerade das große Vertrauen in unsere Berichterstattung und die kompromisslose Glaubwürdigkeit unserer Journalistinnen und Journalisten, die einen Schritt wie diesen unausweichlich erscheinen lassen", hielt ORF-Chef Weißmann zum Rücktritt Schroms fest. Er zolle ihm Respekt für seine Entscheidung, weil er damit beweise, dass ihm das Interesse der Redaktion wichtiger sei als seine Funktion.
In der Aussendung stellte der ORF fest, dass Schrom in seiner Funktion als TV-News-Chefredakteur "mit einer Sonderzahl an nationalen und internationalen Krisen und Ereignissen konfrontiert" gewesen sei. Im Rahmen von diversen Berichterstattungs-Schwerpunkten hätten sich auch Journalisten bewährt, die Schrom ergänzend zum "ZiB"-Team holte und förderte – etwa Tobias Pötzelsberger, Margit Laufer, Martin Thür und Simone Stribl.
Chats mit Strache
Schroms Rücktritt bewirkten nun Chats mit Strache. Dem Ex-FPÖ-Chef missfiel 2019 ein "ZiB 24"-Bericht, der sich um eine von Strache veranstalteten Antisemitismuskonferenz und Aussagen des Schriftstellers Doron Rabinovici über die FPÖ gedreht haben dürfte. Schrom reagierte auf die Beschwerde von Strache mit Zustimmung: "Das ist natürlich unmöglich." Zur inhaltlichen Ausrichtung der ORF-Sender schrieb er: "Es ist schon bei uns genug zu tun und jeden Tag mühsam, aber langsam wird's, und die, die glauben, die SPÖ retten zu müssen, werden weniger." Der ORF 1-Redaktion unterstellte er eine linke Gesinnung.
Schrom räumte bereits vor Tagen ein, dass der in einem Bericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) enthaltene Chat-Verlauf "zugegebenermaßen keine glückliche Außenwirkung" habe. Die Unterhaltung habe jedoch vor dem Hintergrund massiver Angriffe durch die FPÖ auf den ORF stattgefunden. "Die Aufrechterhaltung einer Gesprächsbasis zu einer Regierungspartei, die dem ORF nicht nur kritisch, sondern ablehnend gegenüberstand, war wichtig – vor allem, da Personalwünschen nie Rechnung getragen wurde", so Schrom. (APA)
Presserat: Chats von Schrom und Nowak "klar zu verurteilen"
Die publik gewordenen Chats haben auch den Presserat auf den Plan gerufen. Der Senat 2 des Selbstkontrollorgans hält in einer Aussendung fest, dass die in den Chats zu Tage getretenen Einstellungen und Vorgänge aus medienethischer Sicht "klar zu verurteilen" seien.
Chefredakteurinnen und -redakteure sollten Vorbilder für ihr Redaktionsteam sein und Einflussnahmen von außen rigoros abwehren (Punkt 4.1 des Ehrenkodex für die österreichische Presse). Zudem werden sie ihrer Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und Redaktion nur dann gerecht, wenn ihre eigenen privaten Interessen keinen Einfluss auf redaktionelle Inhalte haben (Punkt 11 des Ehrenkodex). Zwar zähle regelmäßiger Kontakt zu politischen Akteuren auch zu den Aufgaben von Chefredakteuren, doch sei es dabei unbedingt erforderlich, die professionelle Distanz einzuhalten.
Nach Meinung des Senats 2 stehen die nun bekannt gewordenen Chatnachrichten diesen Anforderungen "diametral entgegen". Politische Änderungswünsche seien anscheinend willfährig entgegengenommen worden. Zudem wurden Tipps erteilt, wie politische Akteure Anfragen des eigenen Redaktionsteams am besten abwehren können. "Die Chatnachrichten zeichnen ein Sittenbild, das die Öffentlichkeit zu Recht empört und damit der Medienbranche insgesamt schadet", konstatierte der Presserat.
Auch das Frauennetzwerk Medien meldete sich zur Causa zu Wort. "In Krisen- und Kriegszeiten braucht es Qualitätsjournalismus dringender denn je als vierte, kontrollierende Macht im Staat – keinen Boys Club aus Politikern und einzelnen Medienvertretern, die für die eigene Karriere die Integrität dieses wunderbaren Berufes opfern", teilte das Netzwerk per Aussendung mit. Es gebe in der Branche eine "Vielzahl an Kolleginnen und Kollegen, die kritisch, objektiv und transparent" arbeite. "Als Vorstand des Frauennetzwerks Medien fordern wir, dass künftig sie Führungsverantwortung in ihren Medienhäusern bekommen."
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